The Alto Knights

USA 2025 · 123 min. · FSK: ab 12
Regie: Barry Levinson
Drehbuch:
Kamera: Dante Spinotti
Darsteller: Robert De Niro, Debra Messing, Kathrine Narducci, Cosmo Jarvis, Michael Rispoli u.a.
The Alto Knights
Im Lauf der Zeit...
(Foto: Warner)

Altenheim Blues

Barry Levinsons Mafia-Film mit Robert De Niro in der Doppel-Hauptrolle ist ein eigenartiger Hybride aus Leones und Scorseses Mafiawerken und überrascht durch die Abwesenheit von Gewalt und Pathos

»The line it is drawn
The curse it is cast
The slow one now
Will later be fast
As the present now
Will later be past
The order is rapidly fadin›And the first one now
Will later be last
For the times they are a-changin‹«

– Bob Dylan, The Times They Are A-Changin

Es ist schon etwas über­ra­schend, einen der Altmeister des ameri­ka­ni­schen Kinos, Barry Levinson, wieder hinter der Kamera zu sehen, nachdem sein letzter Film Rock the Kasbah (2015) vor zehn Jahren derartig gefloppt hatte, dass an eine Rückkehr als Regisseur kaum zu denken war und Levinson ja auch immerhin schon 83 Jahre alt ist. Aber er ist auch Oscar-, Golden Globe- und BAFTA-Gewinner und hat so groß­ar­tige Filme wie sein Debüt Diner (1982), Rain Man (1988) und Bugsy (1991) verant­wortet, um sich dann bis zum Desaster mit Rock the Kasbah fast ausschließ­lich auf immer wieder auch sehr origi­nelle Komö­di­en­stoffe wie Wag the Dog (1997) zu konzen­trieren.

Dass Levinson nun mit einem Mafiafilm zurück­kehrt, über­rascht also doppelt und dreifach, weil auch der Stoff selbst über­rascht, denn die auf wahren Bege­ben­heiten beruhende Geschichte über die Rivalität zwischen den New Yorker Mafiosi der ameri­ka­ni­schen Cosa Nostra, Frank Costello und Vito Genovese, wurde schon seit den 1970er Jahren unter dem Titel »Wise Guys« von Studio zu Studio weiter­ge­reicht, bis schließ­lich Warner 2022 grünes Licht gab. Das lag viel­leicht auch an der bizarren Idee, Robert De Niro in einer Doppel­rolle zu besetzen. Er spielt sowohl den um ruhige und sichere Zeiten bemühten Frank als auch den ewigen Straßen-Mobster Vito, der nach einem durch den Zweiten Weltkrieg verlän­gerten Zwangs­exil in Italien wieder nach New York zurück­kehrt und das besonnen geführte Imperium von Frank durch seinen unge­stümen und gewalt­tä­tigen Charakter ins Wanken bringt.

Durch Levinsons Rück­blenden in die Kindheit und Jugend der beiden sich inzwi­schen im Renten­alter befind­li­chen Gangster und Origi­nal­auf­nahmen aus diesen Zeiten lädt The Alto Knights immer wieder zum asso­zia­tiven Sehen ein, erinnert gerade die Kind­heits­ge­schichte, die durch das Weggehen eines der Freunde zu einer Konkur­renz­ge­schichte wird, nicht nur durch die Geschichte, sondern auch die Haupt­rolle, an Sergio Leones Es war einmal in Amerika (1984). Denn hier spielt Robert De Niro als »Noodles« ebenfalls eine der großen Haupt­rollen, ist dort aber sowohl als junger Mann als auch als alt-geschminkter Rück­kehrer im Renten­alter zu sehen, der nach langer Abwe­sen­heit erkennen muss, dass sein alter bester Freund Max (James Woods) die Krimi­na­lität in die Politik getragen und die Vergan­gen­heit buchs­täb­liche zu Grabe getragen hat.

Die bei Leone von Woods und De Niro verkör­perten charak­ter­li­chen Gegen­sätze werden bei Levinson allein von De Niro verkör­pert. Obwohl De Niro auch mit 82 Jahren noch ein über­zeu­gender Schau­spieler ist, reicht das in The Alto Knights nicht aus, bleibt vor allem die Rolle von Vito Genovese, des aggres­siven Heim­keh­rers, blass und auch erzäh­le­risch unaus­ge­reift. Damit verhin­dert Levinson die ganz großen Gefühle, die aus einer stärker heraus­ge­spielten Rivalität sicht­barer gewesen wäre. So wie bei Leone, aber auch in Michael Manns Heat, in dem ebenfalls Robert De Niro eine große Rolle bekleidet, aber mit Al Pacino einen eben­bür­tigen Gegen­spieler hat, den De Niro in seinem eigenen Gegenüber in The Alto Knights leider nicht hat. Viel­leicht auch deshalb, weil gerade Vitos Rolle jene aggres­sive Wildheit verkör­pert, die De Niro sich in seinen großen Rollen nie ausge­sucht hat. Selbst in früheren Filmen wie Raging Bull oder Taxi Driver ist De Niros Aggres­si­vität nie offensiv, sondern stets subtil, verborgen, defensiv. Doch alles hat sein Gutes, denn in The Alto Knights ist nichts von dem großen Pathos, das in Leones Es war einmal in Amerika (und nicht dort) schlecht gealtert, weil zu sehr große Oper ist.

Statt­dessen bewegt sich Levinson im Laufe seines Films zunehmend in den Fahr­was­sern von Martin Scorseses Innen­an­sichten mafiöser Struk­turen. GoodFellas – Drei Jahr­zehnte in der Mafia (1990) könnte fast als Fort­set­zung von Levinsons Film funk­tio­nieren, denn er schließt da an, wo Levinson aufhört, in den späten 1950er Jahren mit einem epilo­gi­schen Ausblick auf spätere Jahr­zehnte, die dann von jenen wieder landes­weit operie­renden Mobstern über­nommen werden, die Scorsese zeigt.

Doch anders als bei Scorsese ist die Gewalt bei Levinson fast nicht existent, da die eigent­liche Haupt­person, Frank, sie ablehnt. Er will saubere Geschäft machen, das Gewerbe eman­zi­pieren und erneuern, was ihm bis zum Auftau­chen von Vito auch gelingt. Wie bei Scorsese sind es Freund­schaft und Ehre, mit Regeln, die unge­schrieben funk­tio­nieren sollen, und Frauen, die als selbst­be­wusste Personen im Hinter­grund platziert sind und den Alltag im Griff haben.

Levinsons Film wächst jedoch auch aus diesem Grup­pen­bild mit Damen und Männern heraus. Seine alten Rentner hadern mit der Zeit, die alles zu verändern scheint und sich damit grund­sätz­lich die Frage stellt, was man bei all dem Wandel an Identität noch übrig hat.

Bei Scorseses Alther­re­n­er­in­ne­rung in The Irishman (2019), auch hier mit Robert De Niro in der Haupt­rolle, ist es nichts als Einsam­keit; bei Levinson ist es immerhin die Leiden­schaft für Rosen und eine intakte Paar­be­zie­hung. Und die Erkenntnis, die viel­leicht die span­nendste dieser guten, über­zeu­gend erzählten Geschichte und eines liebevoll ausge­stat­teten und souverän insze­nierten Films ist – der völlig vernich­tende Blick auf ein desolates Amerika. Ein Blick, der die eigene krimi­nelle Ziel­set­zung allein dadurch recht­fer­tigt, dass Amerika schon immer ein Land war, in dem seit der Landung der ersten Europäer jeder dem anderen etwas gestohlen hat, immer in dem Glauben, damit auch im Recht zu sein. Womit auch dieser eigent­lich zutiefst histo­ri­sche Biopic tages­ak­tuell ist.