USA 1997 · 101 min. · FSK: ab 6 Regie: Woody Allen Drehbuch: Woody Allen Kamera: Carlo Di Palma Darsteller: Woody Allen, Julia Roberts, Goldie Hawn, Alan Alda u.a. |
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Venedig sehen und singen |
Das Hollywood Musical versucht nun seit Jahren ein Comeback. Eigentlich war es nie wirklich von der Leinwand verschwunden: immer wieder gab es Filme wie Hair, Grease, A Chorus Line oder Evita. Aber so
erfolgreich diese im Einzelnen gewesen sein mögen, an die große Zeit der Musicals konnten sie nie anschließen; die letzte Bastion des Musicals sind heutzutage die Animations-Filme.
Jetzt hat sich auch Woody Allen dem Genre angenommen; aber sein Everyone Says: I Love You ist von vornherein nicht Wiederbelebungsversuch, sondern spielerische Hommage.
Wie stets, wenn Woody Allen ruft, kommen die Stars zu Hauf. Julia Roberts, Goldie Hawn, Alan Alda, Drew Barrymore, Tim Roth, Edward Norton, Lukas Haas und Natalie Portman sind diesmal mit von der Partie, selbstverständlich spielt auch Allen wieder eine tragende Rolle, und Natasha Lyonne ist in ihrer ersten wichtigen Produktion zu bewundern.
Da niemand mehr Nummern schreibt, die an die Glanzzeit der Swing-Ära heranreichen, hat Allen die Songs aus dem Repertoire alter Standards gewählt. Darin gleicht sein Film ein wenig dem großartigen (und sträflich vernachlässigten) Pennies From Heaven, doch anders als dort gibt es in Everyone Says: I Love You kein Playback: alle singen und tanzen selbst – mit sehr unterschiedlichem (Miß-)Erfolg, aber stets mit Chutzpe und Charme.
Die vielen Stars wollen beschäftigt und die Songs durch eine Handlung motiviert sein, und deshalb geht es in Everyone Says: I Love You um Liebesleid und -freud (und für Allen erstaunlich wenig Sigmund Freud) einer wohlhabenden New Yorker Großfamilie und deren Bekannter.
In New York, Venedig und Paris gibt es etliche Verwicklungen um die geradezu fanatisch wohltätige Mutter Steffie (Hawn), ihren Mann Bob (Alda), die eben frisch verlobte Tochter Skylar
(Barrymore) und ihre junge Schwester (Portman); den plötzlich zum Neokonservativen mutierten Sohn Scott (Haas), den senilen Opa (Patrick Cranshaw) und die äußerst teutsche Haushälterin Frieda (Trude Klein).
Für Komplikationen sorgen der Sträfling Charles Ferry (Roth, wer sonst), der bei Skylar unerwartet großen Anklang findet, und Joe (Allen), Steffies erster Ehemann, Vater von DJ (Lyonne) und immer noch in Steffie verliebt – wovon er Ablenkung sucht, indem er die junge
Schönheit Von (Roberts) verführt, deren abgelauschte Sitzungen beim Psychiater ihm sehr detaillierte Einsichten in ihre Vorstellung vom Traummann verschafft haben.
Wie es sich für ein richtiges Musical gehört, gibt es schließlich eine glückliche Auflösung. In der Cinémathèque in Paris wird zu Sylvester ein großer Marx-Brothers-Ball gefeiert (soviel Intellektualismus muß sein), Woody Allen bringt an den Quais der Seine Goldie Hawn zum Schweben, und bei Scott bestätigt sich, was wir schon immer geahnt haben: Ursache dafür, Republikaner zu werden, war ein Schlag auf den Kopf.
Woody Allen versucht nun seit Jahren ein Comeback. Eigentlich war er nie wirklich von der Leinwand verschwunden: immer wieder gab es Filme wie Alice, Crimes and Misdemeanors, Bullets over Broadway oder Mighty Aphrodite. Aber so erfolgreich diese im Einzelnen gewesen sein mögen, an die große Zeit von Annie Hall oder Hannah and Her Sisters konnten sie nie anschließen.
Ob Allen den magischen Touch verloren hat, oder ob die Zeit ihn
überholt hat, ist schwer zu entscheiden; vielleicht sind auch schlicht die Erwartungen zu hoch.
Wenigstens hat Allen sich anscheinend vorläufig von den düsteren Selbstsuche-Epen abgewendet, und schenkt uns mit Everyone Says: I Love You erneut einen wunderbar leichten Film. Wie bei seinen Vorgängern der letzten fünf Jahre gilt allerdings: der Kinobesuch lohnt sich, doch die nachhaltige Wirkung bleibt aus.
Das große Comeback ist Woody Allen auch diesmal
nicht geglückt – ein sehr schöner Film jedoch durchaus.