Österreich/Deutschland 2007 · 97 min. · FSK: ab 6 Regie: Pepe Danquart Drehbuch: Pepe Danquart Kamera: Wolfgang Thaler, Martin Hanslmayr, Franz Hinterbrandner, Max Reichel Schnitt: Mona Bräuer |
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Die Huberbuam am Berg |
Im Grunde ist die Unterscheidung zwischen guten und schlechten Dokumentarfilmen ganz einfach. Während schlechte Dokus nur abbilden, ohne tiefere »Wahrheiten« hinter dem Gezeigten zu vermitteln, fördern gute Dokus allgemeingültige Erkenntnisse zu Tage, unabhängig davon, welchen gestalterischen Weg sie wählen oder welchen Themen sie sich vordergründig widmen.
Vielfältig sind dabei die Möglichkeiten, was eine gute Doku aufzeigen kann. Das kann die Beschreibung einer bestimmten Zeit, eines bestimmten Ortes, einer Person oder einer Gruppe, eines Ereignisses, eines Phänomens, einer Stimmung oder (im Idealfall) eine Kombination aus mehreren dieser Aspekte sein.
In sehenswerten Sport-Dokus wie etwa When We Were Kings, Riding Giants, The Other Final, Kanalschwimmer, Heimspiel oder Höllentour finden sich deshalb (in unterschiedlichen Zusammenstellungen) präzise Beschreibungen bestimmter Orte, Regionen, Zeiträume, Menschen, Sportarten und allgemeiner bzw. spezieller Sportereignisse. Daneben kommt man aber auch abstrakten Begriffen wie Begeisterung, Fanatismus, Scheitern bis hin zu Politik und Vermarktung nahe.
Die beiden letztgenannten Filme Heimspiel (über den Berliner Eishockeyverein Eisbären) und Höllentour (über die Tour de France) stammen vom Regisseur Pepe Danquart, so dass man nun auch bei seiner neuesten Doku Am Limit über die beiden Extrembergsteiger Alexander und Thomas Huber (allgemein als die »Huberbuam« bekannt) ein spannendes und erhellendes Dokumentarfilmerlebnis erwarten konnte.
Entsprechend mitreißend und schnell ist der Einstieg in den Film mit tollen Bildern (an der Kamera wieder der großartige Wolfgang Thaler), den launigen Kommentaren der Huberbuam, dem Wahnsinnsberg (den sie in einer geradezu absurden Zeit bezwingen wollen) und ersten spektakulären Kletterszenen.
Zahllose Möglichkeiten einer interessanten Doku tun sich vor einem auf.
Doch mit jeder weiteren Minute beschleicht einen mehr und mehr das ungute Gefühl, dass der Film keine diese Verheißungen einlösen kann oder will und dass Am Limit zunehmend einem Bergsteiger gleicht, der die falsche Route gewählt hat und jetzt feststeckt. Das ändert sich leider bis zum Schluss nicht mehr und dem Film bleibt nichts anderes übrig, als sich »abzuseilen«, um sich so aus seiner unrühmlichen Situation zu retten.
Ratlos fragt man sich, wie ein derart talentierter Regisseur mit einem tollen Team und einem solchen Thema den vorliegenden, nett anzuschauenden aber inhaltsschwachen Film machen konnte, ohne wenigsten (zufällig) eine interessante Wahrheit aufzuzeigen.
Denn wir verstehen weder die Faszination, die Geschichte oder die Technik des Speed-Kletterns (aus dem Gezeigten kann man sich nur einen unzureichendem Reim machen), noch die Besonderheit des zu bezwingenden Berges (in
Nebensätzen erfährt man gerade noch seine Höhe und die Daten seiner Erstbesteigung).
Auch als Zeit-, Stimmungs- oder Gesellschaftsdokument taugt der Film nicht, da er sich geradezu manisch auf die (meist kletternden) Huberbuam beschränkt.
Das wäre grundsätzlich nicht schlimm, da nicht jeder Film die großen Zusammenhänge darstellen muss. Konzentriert man sich halt auf die beiden Hauptakteure und erlebt ein aufschlussreiches Portrait zweier außergewöhnlicher Menschen.
Doch auch das misslingt, weil Danquart es nicht schafft, die zwei Brüder im Kontrast
zur (Um)Welt zu zeigen (bezeichnend ist dabei wohl, dass man die zwei beim Klettern ständig in Großaufnahme sieht, aber kaum in Relation zu den gigantischen Bergen).
Fast alles was wir über die Huberbuam erfahren, erfahren wir von den Huberbuam. Die beiden reden und reden und reden, und Danquart hört ihnen unreflektiert und unkommentiert geduldig zu.
Was soll er als anständiger Dokumentarist auch sonst machen?, könnte man fragen. Ganz einfach: Andere, sachlich beobachtete Meinungen und Bilder daneben setzen und so einen Kontrast schaffen. Eine einzige (viel zu kurze) Sequenz im ganzen Film gibt es, in der dies der Fall ist und sie lässt
einen ahnen, was der Film hätte sein können.
Aber nein. So bauen die Huberbuam munter an ihrem Mythos weiter und ergehen sich in pseudophilosophischen Betrachtungen und Überlegungen, die vom Großteil des Publikums aufgrund ihrer scheinbaren Richtigkeit und Wichtigkeit (»Man muss seine Träume leben!«) dankbar abgenickt werden, die in Wirklichkeit aber wenig bis gar nichts über diesen Sport, Extremsport im Allgemeinen, die Huberbuam, den Sinn des Lebens oder sonst irgendetwas aussagen.
Den sich im Kreis drehenden
Argumentationen der Huberbuam über Themen wie Angst oder ihr brüderliches Verhältnis zuzuhören, macht einen oft mehr schwindlig, als der ständige Blick in den tausend Meter tiefen Abgrund.
Was bliebe da noch übrig, um Am Limit zu retten? Naheliegenderweise und vermeintlich narrensicher böte sich eine spannende Schilderung des zentralen Rekordversuches an (man vgl. diesbezüglich den wirklich packenden Kanalschwimmer).
Doch wenn nach dreiviertel des Films die beiden endlich am Fuß des Berges stehen und lossprinten, dann will Danquart auch davon
nichts wissen. Großaufnahme, Ächzen, Stöhnen, Schwingen, Einhacken, Klettern; einige Minuten geht das so dahin, ohne dass man weiß wo im Berg sie sind, wie sie zeitlich liegen, ob der Rekord machbar ist. Als der Versuch schließlich vorüber ist, könnte es einem als Zuschauer egaler nicht sein.
Bleibt als allerletzte Rettung für den Film eine Beschäftigung mit großen emotionelle Themen wie Besessenheit oder Scheitern. Doch auch hier ein Sturz ins Leere.
Vermutlich durch den jahrelangen Umgang mit den Medien sind die Huberbuam bis zu einem gewissen Grad Darsteller ihrer selbst geworden (was als Form des Selbstschutzes bei zahlreichen Sportlern und Prominenten zu beobachten ist). Als Folge davon wirken aber vor allem ihre emotionellen Szenen gestellt bzw.
gekünstelt bis an den Rand der Lächerlichkeit.
Man kann jetzt glauben, dass die Huberbuam in solchen extremen Situationen vor der Kamera einfach »schlecht rüberkommen«. Andererseits greift aber auch Pepe Danquart ausgerechnet in den dramatischsten Szenen zu einer geradezu peinlichen (Nach)Inszenierung (Großaufnahmen! Zeitlupe! Dramatische Musik!). Zusammen mit dem zweifelhafte Verdienst, die Traumsequenz in den Dokumentarfilm eingeführt zu haben, hinterläst all das einen mehr als schalen Nachgeschmack.
Es ist nur konsequent, dass in diesem Film auch sonst nichts richtig funktioniert. Die Musik plätschert (zeitweise nervend) dahin, Wolfgang Thaler ist dazu verdammt, Bob Ross-hafte Landschaftsbilder aufzunehmen, der Schnitt wirkt beliebig, etc.
Einzig die Kletterszenen sind spektakulär gefilmt, aber das ist ein Fall für das IMAX-Kino und keine Grundlage für einen guten Dokumentarfilm.
Wirklich schmerzhaft an diesem belanglosen Film ist aber das Wissen um die wunderbaren anderen Sport-Dokus von Danquart – Heimspiel und Höllentour – in denen alles auf so magische Weise gepasst hat.
Der Unterschied zu Am Limit lässt sich deshalb nur in einem Wort
zusammenfassen: Fallhöhe.