Frankreich/GB/B 2007 · 119 min. · FSK: ab 6 Regie: François Ozon Drehbuch: François Ozon Kamera: Denis Lenoir Darsteller: Romola Garai, Charlotte Rampling, Lucy Russell, Michael Fassbender, Sam Neill u.a. |
Hedwig Courts-Mahler hieß seinerzeit die deutsche Königin des billigen Kitschromans. Heute würde man einfach »Trash« sagen zu dieser Welt aus falschen Gefühlen, so billigen wie überladenen Reizen, aus ebenso reaktionärer wie simplifizierender Moral und plumpen Jungmädchenträumen von edlen Prinzen und großer weiter Welt – die aber, wie das Beispiel von Rosamunde Pilcher und dem ganz gewöhnlichen 20.15-Uhr-»TV Movie« belegt, überaus aktuell und ungebrochen attraktiv ist.
Sie steht nun im Zentrum von Angel, Francois Ozons neuem Film. Der Franzose Ozon wechselt bekanntlich in seinen Filmen konsequent die Seiten. Mal dreht er ein schwules Sterbedrama (Le temps qui reste), mal zurückgenommene Autorenfilme (Sous le sable), mal surreale Thriller mit Lynch-Touch (Swimming Pool) und mal eine quitschrosa Krimi-Parodie (8 femmes). Diesmal sind wieder seine rosanen und parodistischen Seiten dran: Die Hauptfigur des Kostümfilms ist die Britin Angel (Romola Garai), die mit großen Kuhaugen auf die Welt glotzt, und zwar nicht das Geringste von ihr versteht, aber dieses Unverständnis und gnadenlos-realitätsblinde Selbstüberschätzung in Billigromane verwandelt, die eine Weile genau den Zeitgeist treffen, und – mit Hilfe eines ebenso cleveren wie wohlgesonnenen Verlegers – die Schülerin zu einer Bestsellerautorin in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg machen – das Modell Courts-Mahler, wie gesagt, steht Pate. Die Vorlage für den Film bildet das gleichnamige Buch der Schriftstellerin Elizabeth Taylor (1912 – 1975) aus dem Jahr 1957, ein Trivialroman über eine Trivialromanschriftstellerin – der durchaus ernst gemeint ist, keineswegs als intelligente Reflexion einer Gattung.
Letzteres versucht nun Ozon und zieht dafür selbst alle stilistischen Register des schlichten Herz-Schmerz-Kinos: Bebende Busen und weite Herzen in engen Korsetten, Tränenbäche und Glücksfontänen, Leid und Lust in operettenhafter Maßlosigkeit, haarsträubende Handlungswendungen und Schicksalsschläge im Minutentakt. Konsequent sind die Bilder schief, der Ton zwei, drei Stufen zu schrill – offenkundig ist die Absicht der Ironisierung. Ozon nimmt nichts an seiner Geschichte ernst, aber er will sie und die Figuren auch nicht verraten.
Zusätzlich wiegt die Tatsache schwer, dass man mit der Hauptfigur der Angel nie warm wird: Selbstzufrieden und egozentrisch, ignorant und theatralisch, und durch den frühen Erfolg endgültig verdorben, ist ihr ganzes Leben eine einzige hysterische Geste, ein melodramatischer Auftritt nach dem anderen. Vielleicht kommt Ozon damit sogar dem »Geist« des an Melodramatik nicht gerade armen Fin-de-Siecle sogar recht nahe. Aber er vermittelt nicht zwischen dieser uns so fremden Tonlage und unserer Gegenwart. Und Romola Garai wächst ihre erste Filmhauptrolle immer wieder über den Kopf, steht sie neben Charlotte Rampling und Sam Neill oft verloren in der Leinwandmitte.
Nach furiosem Beginn leidet der Film mehr und mehr unter dieser Schizophrenie: Ozon will einen klugen, ehrlichen Film über dumme Menschen und verlogene Gefühle drehen. So ist er selbst mal ehrlich und mal verlogen, schwankt zwischen analytischer Distanz und spürbarer Begeisterung für die überladenen Gesten seiner Figuren und die Kulissenhaftigkeit ihrer Welt. Am Ende funktioniert Angel weder als Aktualisierung des Trivialen – wer Courts-Mahler, Pilcher etc. mag, hält sich naturgemäß lieber ans Original –, noch ist der Film triftige, kritische Analyse – dafür hätte Ozon mehr Lust zum Sarkasmus gebraucht, Lust auch daran, den dümmeren Teil seines Publikums vor den Kopf zu stoßen. Was bleibt in diesem Film, der zwischen allen Stühlen sitzt, ist die unbestrittene Virtuosität seines Regisseurs. Hier wirkt sie aber doch arg leer.