Frankreich 2006 · 106 min. · FSK: ab 6 Regie: Michel Gondry Drehbuch: Michel Gondry Kamera: Jean-Louis Bompoint Darsteller: Gael García Bernal, Charlotte Gainsbourg, Alain Chabat, Miou-Miou, Emma de Caunes u.a. |
||
Transformation vom Déjà vu zum Déjà rêvé |
Selten hat der abgegriffene Spruch »Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt« in so vieler Hinsicht auf einen Film gepasst wie auf Michel Gondrys The science of sleep.
Große Unterschiede hat man sich hier zu den bisherigen Spielfilmen Gondrys erwartet, da er erstmals ein eigenes Drehbuch und nicht wie bisher eines des notorischen Charlie Kaufman verfilmte. Erstaunlicherweise trägt aber gerade dieser Umstand am wenigsten dazu bei, dass sich The science of sleep erkennbar von Filmen wie Eternal sunshine of the spotless mind unterscheidet.
Es war eben kein Zufall, sondern eine gewisse geistige Verwandtschaft, die zur zweimaligen Zusammenarbeit von Gondry und Kaufman führte, weshalb nun auch der vorliegende Film ein weiterer Tauchgang in die (Un)Tiefen des menschlichen Denkens ist.
Die wirklichen Unterschiede ergeben sich vielmehr bei der konkreten Umsetzung, die stärker als bisher dem europäischen Kino verpflichtet ist (von der Verbeugung vor dem osteuropäischen Animationsfilm bis hin zum emotionellen
Realismus des französischen Kinos).
Zusammen mit Gondrys am internationalen Pop-Business geschulten Einfallsreichtum, entsteht so ein wunderbarer filmischer Bastard, mit den Füßen fest auf französischem Boden und dem Kopf in kreativen Wolken (leider noch ein abgedroschener Spruch), der dabei weniger mit dem pittoresken Perfektionismus eines Jean-Pierre Jeunet oder der intellektuellen Hyperaktivität eines Spike Jonze, als vielmehr mit der versponnen Schönheit eines Robert Lepage zu tun hat.
Und wie bei Lepage' letztem Film Die andere Seite des Mondes ist auch bei The science of sleep eine klassische Kritik äußerst schwierig.
Der Versuch, die Handlung zu beschreiben, wird entweder unverständlich kompliziert oder abschreckend belanglos. All die visuellen Wunderwerke und Ideen aufzuzählen, würde endlos dauern und wäre doch absolut sinnlos, da sie für
den Leser nicht nachvollziehbar sind. Einzelne Aspekte wie die Darsteller, die Musik, die Kamera oder die Effekte hervorzuheben, hieße andere wichtige Punkte ungenannt zu lassen und würde zudem davon ablenken, dass gerade das nahtlose Ineinandergreifen der einzelnen Teile der entscheidende Punkt ist.
Es sollte deshalb genügen, jedem halbwegs Filminteressierten den Besuch von The science of sleep wärmstens zu empfehlen, um sich selbst ein Bild zu machen.
Wem es aber nicht genügt, einen »einfach nur guten« Film zu sehen, dem sei dieser aus einem weiteren, ganz speziellen Grund nahe gelegt.
Denn selten wurde im Kino das menschliche Träumen so »wirklich« dargestellt wie in diesen Film, dessen französischer Originaltitel nicht zufällig La science des rêves lautet (in Deutschland läuft der Film unter dem doppelt verkehrten Titel The science of sleep – Anleitung zum Träumen).
Es gibt bestimmte Sachverhalte des täglichen Lebens, die im Kino mit erstaunlicher Konsequenz falsch dargestellt werden. Dazu gehört etwa die Amnesie (die in Auslöser, Auswirkung und Häufigkeit fast nichts mit der medizinischen Wirklichkeit zu tun hat) oder eben auch das Träumen.
Obwohl die sogn. Traumsequenz einen festen Platz in der Welt des Kinos hat, ist ihre Umsetzung doch fast durchgehend unglaubhaft.
Das trifft auf die 1 zu 1 weitergeträumte Realität (»Huch, die letzten 90 Kinominuten waren ja nur ein Traum!«) ebenso zu, wie auf surreale Pseudowelten oder auf krampfhaft (oft auch lachhaft) verfremdete Alltagsvariationen. Kein normaler Mensch träumt wirklich so.
Und ähnlich weltfremd (aber wohl auch aus ähnlichen dramaturgischen Gründen) wie die massenhafte Verbreitung von partiellem Gedächtnisverlust, ist im Kino die penetrante Überladung der Träume mit unterbewussten Botschaften.
Michel Gondry räumt mit dem ganzen Quatsch auf und auch wenn sein Film streckenweise spielerisch und verträumt (sic!) daher kommt, ist er in der Darstellung der Träume doch äußerst präzise, beinahe wissenschaftlich (siehe den Originaltitel).
Im Gegensatz zu anderen im Kino dargestellt Situationen (jemand verliebt sich, jemand ist wütend, jemand geht mit Bekannten etwas trinken), ist es naturgemäß unmöglich, die »Echtheit« von Gondrys bildgewordenen Träumen am eigenen Erfahrungsschatz sachlich abzugleichen.
Vielmehr beschleicht einen als Zuschauer ein unbestimmtes Gefühl des Wiedererkennens und Wiedererlebens, auch wenn man noch nie geträumt hat, z.B. in Paris aus einem Fenster gefallen zu sein (selbst wenn
man es geträumt hätte, wer könnte sich noch daran erinnern?).
Michel Gondrys Kunststück besteht somit in der filmischen Transformation vom Déjà vu zum Déjà rêvé.
Ich habe neulich nach langen Jahren, DVD macht’s möglich, mal wieder Augsburger Puppenkiste geschaut, »Urmel aus dem Eis«. Und zwei Dinge waren es vor allem, die aus dem warmen Glanz der Nostalgie herausgestochen sind – bei denen ich das Gefühl hatte, sie eigentlich jetzt erst wirklich wahrzunehmen,
Das eine war, wie herrlich surreal und sinnfrei sich da die Fantasie entfalten durfte. Da hat man das Genre der Kinderunterhaltung noch als Möglichkeit genutzt, einfach zu spinnen, albern zu sein, in eine Welt einzutauchen, in der die Möglichkeiten noch kaum Erfahrungen gemacht haben mit den Grenzen, die ihnen durch Realität und Vernunft gesetzt sind. (Das ging, nebenbei bemerkt, wahrscheinlich auch nur zu einer Zeit, wo ein Autor, ein kleines Marionetten-Theater und ein nur
seinem eigenen Geschmack und gewisser allgemeiner Anstandsgrenzen verpflichteter Fernsehredakteur entscheiden konnten: »Das machen wir,« und dann gemacht haben. Wo es dazwischen nicht Dutzende Gremien und Marketingabteilungen und Fokusgruppen-Tests gab und man vor allem das Fernsehen noch nicht als Markt und die Kinder nicht als Konsumenten begriffen hat, und alles am Wetzstein der totalen Konsensfähigkeit glattgeschliffen.)
Das andere war, wie taktil und stofflich die
ganze Sache wirkt. Wie man da wirklich fast meint, den Filz und die Wolle und das Holz anfassen zu können, wie bewusst man sich der Nähte und des Leims ist, wie sehr man die Hand- und Bastelarbeit sieht, wie das alles Körper und Gewicht hat und die Fäden, an denen alles hängt, gegen Schwerkraft und Trägheit der Masse ankämpfen müssen, wie manches auch schon leicht angeranzelt ist, durchgescheuert oder abgewetzt, kurz, wie sehr das alles den Eindruck macht, dass es west und
LEBT.
Schön und gut, aber was das jetzt bitte mit The Science of Sleep zu tun hat? Nun, Regisseur Michel Gondry ist Jahrgang 1963, und auch wenn er in seinem heimischen Frankreich ziemlich sicher nicht die Augsburger Puppenkiste geguckt hat, so ist er doch definitiv mit einer ähnlichen Kindersendungs-Kultur aufgewachsen. Und The Science of Sleep ist vor allem eins: Ein Traum von der Rückkehr in diese Kindheit.
Dieser Film ist freilich nicht
das erste Werk von Gondry, in dem die vorpubertäre ästhetische Prägung ihre Spuren hinterlassen hat. I've Been Twelve Forever, »Ich war schon immer 12«, heißt nicht umsonst eine schöne Doku über ihn und seine Kunst. Erstmals richtig Aufsehen erregt hat Gondry mit Musikvideoclips, vor allem seinen kongenialen Umsetzungen von Björk-Songs, und schon in denen war zu spüren, dass für ihn allerlei Animationsfilme aus den ‘70ern ein künstlerischer
Haupteinfluss sind – all diese tschechischen und sonstigen Knetfiguren- und Puppentrick-Filme, die auch hierzulande das Kinderprogramm füllten. Und dass Gondry im Grunde seines Herzens ein Bastler, Tüftler und Hobbyist geblieben ist, einer, der daheim mit der Super8-Kamera angefangen hat zu erkunden, was man mit einfachen Mitteln und etwas Grips so anstellen kann mit der sequentiellen Fotografie – und der auch als »Profi« nichts anderes macht, nur mit merklich größeren
Budgets.
Insofern war es nicht unbedingt ein Glücksfall, dass Gondry, als Hollywood auf ihn aufmerksam wurde, in den Dunstkreis von Charlie Kaufman geriet – wohl über den Kollegen Spike Jonez, der ebenfalls den Sprung vom Videoclip- zum Kinofilmregisseur mittels eine Kaufman-Stoffes (Being John Malkovich) schaffte. Weil Kaufman – der einer dieser seltenen, seltsamen Fälle à la Kevin »Scream« Williamson, Joe »Basic Instinct« Eszterhas oder Andrew Kevin »Se7en« Walker zu sein scheint, wo ein Drehbuchautor es in Hollywood ausnahmsweise zu sowas wie Starruhm bringt, sich aber prompt als »one-trick pony« erweist – weil also Kaufman so sehr und tief in seinem eigenen
Kopf lebt wie kein anderer US-amerikanischer Szenarist, und von dort so verquasselt wie wenige sonst die Welt über seine Neurosen und Präokkupationen informiert.
Mir schienen die Resultate Human Nature und Eternal Sunshine of the Spotless Mind für Gondrys Verhältnisse immer eine gute Ecke zu wenig visuell orientiert, zu wortreich und zu verquält. Ich hatte da das
Gefühl, dass die Stoffe nicht unbedingt Gondrys eigentlichen Stärken in die Hände spielen. Angesichts seiner Videos (die übrigens, zusammen mit der oben erwähnten Doku und allerlei sympathischem Krimskrams auf einer sehr empfehlenswerten DVD in der »Director’s Label«-Serie versammelt sind, »The Work of Director Michel Gondry«) glaubte ich nach diesen Filmen: Da muss doch noch mehr drin sein.
Für The Science of Sleep hat Gondry jetzt Kaufman (und die USA) hinter sich gelassen und einen wirklich persönlichen Film geschaffen. Gondry verarbeitet darin eine tatsächliche unglückliche/unerfüllte – ist das das selbe, oder das genaue Gegenteil? – Liebe. (Übrigens zu der Frau, die für den Film dann diverse der animierten Stofftiere gebastelt hat.)
Man muss das aber nicht wissen, um es beim Anschauen des Films in etwa zu ahnen – und
letztlich ist diese persönliche Betroffenheit Gondrys auch nur insofern wichtig, als er The Science of Sleep spürbar mit Herzblut und Wärme und Enthusiasmus füllt. Mithin also die beste Art eines »persönlichen« Kunstwerks: Nicht im egomanen Sinne einer öffentlichen Thearpiesitzung für den Künstler (wie sie, für mein Dafürhalten, eben Charlie Kaufman viel eher veranstaltet), sondern etwas mit allgemein nachvollziehbarem, gültigem Charakter, dem man aber
anmerkt, dass es dem Künstler wirklich, wirklich was bedeutet.
Das Alter Ego Gondrys in The Science of Sleep ist der Grafiker Stéphane (Gael García Bernal). Auch er ein Heimkehrer nach Paris: Aus Mexiko kommt er zurück, in das Wohnhaus, das seiner Mutter gehört, in die alte Wohnung, ja in sein Kinderzimmer, das noch immer so eingerichtet ist wie es war, als er ungefähr 12 war.
Die Heimkehr läuft nicht ganz so toll wie geplant – Stéphane müht sich etwas mit dem Französisch; der für ihn arrangierte Job bei einem
Kalender-Layouter entpuppt sich als wenig kreativ und die Kollegen als ziemlich neurotisch. Und dann zieht nebenan Stéphanie (Charlotte Gainsbourg) ein, und als dabei auf der Haustreppe ihr Klavier außer Kontrolle gerät, wird Stéphane verletzt, daraufhin von Stéphanie und ihrer Freundin verarztet (mit Anti-Fußgeruch-Spray, weil sonst nichts Arzneiähnliches im Haus ist) und verguckt sich ein bisschen in diese Freundin. Ziemlich schnell ist klar, dass das ein Irrweg ist und Stéphanie die
wahre Frau seines Herzens wäre, aber da steht dann nicht nur das Missverständnis mit der Freundin im Weg, sondern auch, dass Stéphane es irgendwie nicht geschafft hat, Stéphanie zu sagen, dass er ihr direkter Nachbar ist (und Sohn der Vermieterin dazu). Was alles zu diversen ungelenken Manövern nötigt und die ohnehin komplizierte Sache mit der Liebe nicht vereinfacht.
All diese an sich oft schon merkwürdigen und skurrilen Tageserlebnisse verwursten und verwirren und verkaprizieren sich aber in Stéphanes Träumen zu noch wundersameren Ereignissen, zu hinreißend verqueren Reisen durch Animationsfilm-Landschaften, die wie aus dem Bastelunterricht wirken.
Wobei Fantasie und Filmtrick in The Science of Sleep nicht brav an den Grenzen der Alltagsrealität halt- und kehrtmachen. Da ist nämlich auch noch das aus
Pappkartons zusammengezimmerte TV-Studio in Stéphanes Kopf – quasi die Schaltzentrale seines Tagesbewusstseins, aus der immer wieder seine Erlebnisse übertragen und kommentiert werden. Und in Stéphanies Wohnung, wenn die beiden wie die Kinder anfangen zu spielen, scheinen sowieso eigene Gesetze zu gelten. Da funktioniert tatsächlich Stéphanes aus einer Sofortbildkamera und einer Handvoll Elektronikschrott zusammengelötete 1-Sekunden-Zeitmaschine, da hängt die
Decke voller Wattewolken, galoppiert ein Stoffpferd umher und strömt aus der Leitung Zellophanfolien-Wasser.
Womit wir wieder irgendwie bei der Augsburger Puppenkiste angelangt wären, wo die Fantasie-Inseln (mit zwei Bergen) ja auch immer im schönen blauen Meer aus Plastikfolie lagen. Und eben in seinen Trickfilm-Sequenzen hat The Science of Sleep entscheidende Berührungspunkte mit dieser Art von Ästhetik: Auch bei Gondry ist alles sichtlich handgemacht
und mundgeblasen, ist es aus Pappe, Papier und Stoff gewerkelt, aus Wollkorb-Resten und Küchenrollen-Kernen zusammengeleimt. Ein bewusster Gegenentwurf zu der Glätte, Gewichts- und Substanzlosigkeit moderner computergenerierter Effekte im Speziellen und zum allzu Durchdesignten, Einheitlichen, Professionalität Heischenden im Allgemeinen. Eine Rückkehr eben zu den sinnlichen Eindrücken, den Texturen und der Wärme der Kindheit.
Eine der vielen Qualitäten, die The Science of Sleep so wunderbar machen, ist, dass ihm das seltene Kunststück gelingt, beide Wirklichkeits-Ebenen gleich überzeugend hinzubekommen und rüberzubringen. Die Traumsequenzen sind in den Händen Gondrys sowieso sichere Nummern. Aber er verwendet nicht weniger Sorgfalt, Feingefühl und Talent auf die Realfilm-Elemente und die Schauspielerführung. Ein seltener Glücksfall – man vergleiche nur den unlängst
leider so unbefriedigenden The Piano Tuner of Earthquakes der Quay-Brüder, wo man beobachten konnte was passiert, wenn in ihrem Metier geniale Animationsfilmer sich vor ihrer Linse einfindenden echten, schauspielenden Menschen keinerlei Leben einhauchen können.
Hier beweist sich aber auch einmal mehr die alte Weisheit, dass dreiviertel der Regiearbeit das richtige
Casting ist: Die Besetzung ist einfach perfekt. Gael García Bernal ist attraktiv genug, um Stéphane nie zum Nerd werden zu lassen, aber er gibt ihm auch genau jene Naivität, Schüchternheit, Verplantheit, welche die Figur braucht. Und Charlotte Gainsbourg besitzt (das hat sie zweifelsohne von der Mutter, Jane Birkin) exakt die richtige Art von Sex-Appeal: Sie ist keine klassische Schönheit, ist in gewisser Weise nicht einmal wirklich hübsch, aber sie ist eine Frau, in die man sich gerade
deswegen verlieben kann, nur eben etwas langsamer, dafür dann umso heftiger. Nicht der Typ, der abends in der Disco viel Beachtung findet, sondern einer, der einen Zauber unerwartet daheim in alten Jeans und schlabbrigem Pullover entfalten kann, wo die Traumfrauen aus der Disco ihn genau verlieren. Weil dieser Zauber aus dem Lächeln und aus der Wachheit der Augen und der eigenwilligen Art des Geistes dahinter kommt und sich ungeschminkt, bei Tageslicht am besten zeigt.
Aber Stéphanie ist eben auch nicht der Typ, der nur gewartet hat auf einen wie Stéphane und mit heißem Atem darauf sehnt, sich ihm endlich hingeben zu dürfen. Vermutlich würden die beiden sogar ziemlich gut zusammenpassen. Doch es gibt halt auch in der Liebe nicht einfach ewige Vorherbestimmung, sondern den richtigen Zeitpunkt fürs Glück. Und wenn man den verpasst, ist manchmal wirklich alles zu spät.
Gegen Schluss, als für ihn abzusehen ist, dass es nicht klappen wird mit
Stéphanie, da wird Stéphane gegen sie richtig kindisch (verbal-)aggressiv. Denn so wie seine überschäumende Fantasie, seine Verspieltheit und sein Enthusiasmus die positiven Seiten von Stéphanes bewusst zelebriertem Nicht-Erwachsen-Werdens sind, so ist die negative seine Unfähigkeit, mit Zurückweisungen, na ja, eben: erwachsen umzuzugehen.
Das spürt man subtiler schon an seinem abweisenden Verhalten gegenüber dem aktuellen Lebensgefährten seiner Mutter. Der (ein offenbar nicht
übertrieben erfolgreicher Magier) ist zugegebenermaßen ein etwas eigenwilliger Kerl, aber zwischen den Zeilen ist deutlich genug zu lesen, dass das nicht das wahre Problem ist, dass Stéphane mit ihm hat. Das Problem ist schlicht, dass die alternde Mutter inzwischen ein selbständiger Mensch geworden ist, mit eigenen Wünschen und eigener Sexualität, und sie besseres zu tun hat, als jetzt noch einmal Stéphane zu umsorgen. Ihr Partner ist einfach nur das greifbarste Zeichen
dafür.
Und so drängt sich auch am Ende des Films mehr als nur der Verdacht auf, dass selbst Stéphanes Interesse an Stéphanie nur in zweiter Linie sexueller Natur war. Dass er in ihr eigentlich einerseits die kindliche Spielkameradin gesucht hat, andererseits eine neue Mutter.
Man kann jetzt selbstverständlich mosern und meckern darüber, dass dieser Film ja somit nur den Regress feiere, dass er eine mutwillige Verweigerung des Erwachsenwerdens darstelle und es ihm also an solch wesentlichen Dingen wie Reife und Realitätsgefühl mangele.
Je nun... Zu widerlegen sind solche Einwände schwerlich. Aber wie müssen die Träume aussehen von Menschen, die sich durch sie allen Ernstes das Vergnügen an diesem Film verderben ließen? Denn The
Science of Sleep ist nunmal ein Film über und voller Träume, und ein Traum von einem Film, und wenn es einen Ort gibt, um die reife, erwachsene Tagesvernunft in die Essenspause zu verabschieden und sich ganz dem Unbewussten, Unreifen, Ursprünglichen hinzugeben, dann ja wohl die Träume.
Und ganz banal, klischeehaft und abgeschmackt (und ohne jetzt auch nur zu versuchen, Banalität, Klischee und Abgeschmacktheit hinter hochgestochenen Wörtern wie »oneirisch« zu
verstecken, damit es klüger klingt): Das Kino ist ein Ort der Träume, des Träumens. Da kann es noch so dokumentarisch oder vernünftig tun: Das Rationale ist seine ureigene Sache nicht. Im Dunklen zu sitzen, körpervergessen, und sich von nicht zu steuernden Bildern und Klängen überschwemmen zu lassen, das erinnert nunmal eher an den Zustand eines Babys, eines Träumers.
Und lange hat kein Film diesen Zustand mehr so schön, so witzig und sympathisch gefeiert wie The
Science of Sleep.