USA 1998 · 150 min. · FSK: ab 12 Regie: Michael Bay Drehbuch: Jonathan Hensleigh, J.J. Abrams Kamera: John Schwartzman Darsteller: Bruce Willis, Billy Bob Thornton, Ben Affleck, Liv Tyler u.a. |
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Treffer! Versenkt! |
KRACH! BÄNG! WUMM! RUMMS! – das war’s für ein paar Häuserblocks in New York, schon bevor der Film überhaupt richtig angefangen hat. Und für ein paar Minuten sieht’s tatsächlich noch so aus, als könnte Armageddon zwar dummes und rassistisches, aber dennoch höchst amüsantes Kino der Attraktionen sein. Explosionen, einstürzende Häuser, umherfliegende Autos haben ja durchaus ihren cineastischen Eigenwert.
Aber leider hat Armageddon auch eine Laufzeit von zweieinhalb Stunden.
RUMMS! KRACH! BÄNG! WUMM! – tösend verabschiedet sich eine asiatische Hafenstadt aus dieser Welt.
BÄNG! WUMM! RUMMS! KRACH! – au jamais-revoir, Paris.
WUMM! RUMMS! KRACH! BÄNG! – viel hat die gute, alte Mir eh' nicht mehr getaugt.
BUMM! – ein Space Shuttle hin; macht nichts, wofür hat man zwei. SCHEPPER! – Notlandung. WUSCH! – Gaseruption. Und KLIRR! und KA-RANG! und RA-TA-TA-TA-TA! und PENG! und SCHREMP! und PUFF! und hin ist der böse
Asteroid.
Das alles als Ersatz für die eine, große Explosion, die uns Armageddon selbstverständlich vorenthalten muß: Denn daß der heranrasende Asteroid die Erde vernichtet, darf freilich nicht geschehen.
Deshalb gibt es Bruce in der Rolle von Harry Stamper – denn wenn die Kacke so richtig am Dampfen ist, hilft halt nur ein reaktionärer Macho. »Mutti, Mutti, er hat überhaupt nicht gebohrt« ist ein Satz, den er bestimmt noch nie zu hören bekam. Denn keiner bohrt so gut und tief wie er. Eigentlich nach Öl und so – aber wenn’s denn sein muß und dem Wohl der versammelten Menschheit frommt auch auf bösen, bösen Asteroiden, denen ein Atombomben-Einlauf zu verpassen
ist.
Ganz der Jüngste ist Stamper allerdings nicht mehr – er muß sich schon langsam Sorgen um den Generationswechsel machen. Nicht so leicht für ein Auslaufexemplar wie ihn – aber letzlich auch kein Problem, denn Harry Stamper ist nebenbei auch Vater: Irgendwo hat er eine Tochter her (Liv »Tochter von Steve ›Ich hab' dickere Lippen als Mick Jagger‹ Tyler« Tyler), was recht praktisch ist, denn so haben diese faulen, jungen Slacker einen echten Grund, sich
mal ein bißchen anzustrengen. Begatten darf Töchterchen nämlich selbstverständlich nur der richtige Mann: Und Stamper schuf ihn sich nach seinem Bilde...
Weil das Urbild des amerikanischen Helden das des individualistischen Freeman ist (vor den Gefahren des eklen Föderalismus hat uns Bruce ja bereits unlängst in Mercury Rising hinreichend gewarnt), tritt er die Mission natürlich
nicht mit regierungshörigen Astronauten an, sondern mit seinem eingeschworenen, gemäßigt multikulturellen Bohr-Team – gestandene Kerle, allesamt. Und so kommt es denn, daß eine Art butche Version der Village People die Welt rettet.
Die Welt – das sind selbstverständlich die USA. Da Hollywood-Blockbuster mittlerweile über die Hälfte des Gewinns auf Auslandsmärkten einfahren, dürfen in Armageddon immerhin Klischee-Franzosen und Moslems ein paar Sekunden lang für die Helden beten, aber das gesteht der Film ihnen auch nur in der Hoffnung zu, daß sie dann einsehen, wer die wahren Herren der Welt sind: »Freedom« und »Independence« heißen nicht umsonst die zur Rettung eilenden
Raumschiffe.
Aber es ist ein seltsames Amerika, das hier vor dem Untergang bewahrt werden muß: wie ein Geist aus der Vergangenheit wirkt die Norman Rockwell-Vision des Smalltown America, in dem man noch Katastrophenschutzkeller im Haus hat und Kennedy von den Plakatwänden strahlt. Die stete Beschwörung nationaler Symbole (lustiges Suchspiel: in jedem zweiten Bild ist die US-Flagge versteckt) gemahnt zuweilen an die Hysterie eines Kampfes auf längst verlorenem Posten.
So
penetrant wird der klebrige Nationalismus stellenweise, daß man sich in einem Remake von Triumph des Willens wähnen könnte – nur daß Leni Riefenstahl nie derart plump, langweilig und ästhetisch uninteressant inszeniert hat. Michael Bays filmisches Repertoire beschränkt sich im wesentlichen darauf, daß er die Kamera heftig wackeln läßt, wann immer er uns Action, Spannung und Gefahr
bedeuten möchte – hektischer Schnitt und dröhnende Soundkulisse sorgen dafür, daß die geistige und emotionale Leere überdeckt wird; die (Gott sei’s geklagt nicht unberechtigte) Hoffnung der Filmemacher scheint zu sein, daß sich das Publikum durch hohles Dauerbombardement Unterhaltungswert vorgaukeln läßt.
Armageddon – von einem guten Dutzend Drehbuchautoren in offensichtlicher Arbeitsteilung (einer für die Lovestory, einer für die Gags; einer für die Action, einer für den Patriotismus...) zusammengeschustert und in hektischem Post-Production-Wettlauf gerade noch zum Starttermin schlampig zu unbefriedigender Form gekleistert – ist nicht einfach nur ein grottenschlechter Film: Er ist perfektes Symptom für die ganze Malaise des zeitgenössischen Blockbuster-Kinos. Selten nur kam obendrein die Mentalität eines Films dem Ursprung des Begriffs so nahe: »Blockbuster« hieß im Zweiten Weltkrieg ein Bombentyp, der ganze Häuserblocks ausradieren konnte. Da kann Michael Bays Machwerk in seiner Wirkung gottseidank aber noch nicht mithalten: Was nach Armageddon bleibt, sind einfach heftige Kopfschmerzen.
Meteore sind die Kino-Mode dieses Sommers. Nachdem Mimi Leders Deep Impact in den Kinos ein Schlag ins Wasser war, hagelt es nun in Armageddon wiederum allerorten Weltallbrocken auf die Leinwände.
Psychologisch läßt sich daran manches aus der offenbar tiefverwurzelten Lust moderner Gesellschaften an Szenarien der Selbstvernichtung erklären. Zudem passen Meteore
auch insofern gut in die Zeit, als das sie ein Außen verkörpern, daß sich in keine noch so multikulturelle Gesellschaft integrieren läßt, und niemals Deutsch lernen wird das Fremde an sich sozusagen. Denn in Wahrheit geht es in derartigen Filmen ja immer um uns selber. Die Bedrohung zeigt, worauf es wirklich ankommt, und inszeniert die Versöhnung des Heterogenen.
Vielleicht ist es aber am allerbesten, derartige Filme einfach als mehr oder weniger schlichte Unterhaltung zu betrachten. Auch wenn man mit solcher Reduktion eigener Erwartungen Armageddon am Besten gerecht wird, kann in diesem Fall doch von guter Unterhaltung mitnichten die Rede sein. Klar: Wo ein Meteor von der Größe Texas' auf die Erde zurast, und Bruce Willis mit 8 Ölbohrexperten die Welt retten soll, kann es um Glaubwürdigkeit nicht gehen. Um Dramaturgie dagegen schon: Doch das gigantische Thema der drohenden Weltzerstörung scheint auch zu filmischem Größenwahn verleitet zu haben. Ergebnis: Der Film hat kein Thema mehr, er erzählt 8einhalb Storys zugleich und keine davon auch nur ein bißchen richtig. Seine entscheidende Schwäche liegt – um es kurz zu machen – darin, daß er sich niemals entscheidet, ob er Thriller, Fantasy oder Komödie sein möchte. Und ein Mischmasch aus allem funktioniert spätestens dann nicht mehr, wenn mitten in der hochdramatischen Aufgabe der Weltrettung der Held plötzlich dumme Witze reißt. Vielleicht waren die 6-12 Drehbuchautoren (so ganz genau ist das nicht zu ermitteln) schuld, vielleicht liegt es daran, daß den Machern einfach jeder Sinn für Rhythmus und Maß fehlt.
Nicht weniger unangenehm ist ein zweiter Aspekt: Zwar ist Armageddon besser als Deep Impact, und weniger ideologisch. Gleichwohl wird auch hier ein american way of life auf denkbar niedrigstem Niveau zelebriert, in einer Bildsprache, die direkt aus dem letzten Pepsi-Cola-Spot übernommen sein könnte. Dabei ist gegen Werbeästhetik noch nicht einmal etwas einzuwenden, wenn sie gut gemacht ist. Michael Bays Reklame für NASA, Air Force und die United Colours of Amerika ist aber eine Beleidigung des Geschmacks und des Verstandes der Zuschauer. Auch amerikanischer versteht sich.