Aus Liebe zum Spiel

For Love of the Game

USA 1999 · 137 min. · FSK: ab 6
Regie: Sam Raimi
Drehbuch: ,
Darsteller: Kevin Costner, Kelly Preston, John C. Reilly, Jena Malone u.a.
Wunderbar roman­tisch und melan­cho­lisch

Gespens­ter­ge­schichte

Ein Arenafilm, auch das ist For Love of the Game. Als schöner, ruhiger Auftakt und Einstim­mung sozusagen zu dem gigan­ti­schen Gladia­to­ren­spek­takel, das uns ab nächster Woche ins Haus steht.

Natürlich ist der Sport ein letztes, ein wenn nicht gerade zivi­li­siertes so doch zivi­li­sa­to­ri­sches Relikt der Brot-und-Spiele-Tradition. An den beiden urame­ri­ka­ni­schen Sport­arten Foot- und Baseball sieht man das am besten, wo es immer irgendwie auch darum geht, Distanzen zurück­zu­legen und seinen claim abzu­ste­cken, sich Terri­to­rien zu erobern und unter dem Jubel der Menge zu vertei­digen. Im Baseball hat sich dazu noch ein beson­derer ameri­ka­ni­scher Traum verwirk­licht: der von der Versöh­nung zwischen Indi­vi­duum und Gesell­schaft, zwischen dem Zusam­men­spiel im Team und dem strah­lenden Helden, der immer ein »loner« sein muss, ein einsamer Wolf. Diese verfüh­re­ri­sche Einsam­keit des Langstre­cken­läu­fers steckt im home run, aber auch die Möglich­keit der Nieder­lage, des Versagens.

Kevin Costner hat auf diesem Spielfeld, nach Field of Dreams und Bull Durham, reichlich Erfahrung gesammelt. Dennoch ist For Love of the Game nicht allein ein Film über das Baseball, den Sport. Er ist vielmehr ein Film über das Erreichen der homebase im über­tra­genen Sinn, eine wunder­bare, melan­cho­li­sche und pathe­ti­sche Liebes­ge­schichte, und ein Geschichte vom Altwerden.

Die große ameri­ka­ni­sche Sehnsucht, so hat Nicholas Ray einmal gesagt, der uns mit die schönsten B-pictures beschert hat, die es zu sehen gibt, die große ameri­ka­ni­sche Sehnsucht wäre die nach dem eigenen Zuhause, dem home. Das sind andere, fast traurige Töne, ganz und gar ungewohnt von den Pionieren mit ihrem kämp­fe­ri­schen »Go west, young man« – aber auch nach­hal­tige, wahre Töne.

Costner ist Billy Chapell, einer der ganz großen, umschwärmten Base­ball­stars. Aber jetzt ist er in die Jahre gekommen, hat den Zenit seines Ruhmes über­schritten, und das Manage­ment will ihn nach Saison­ende abstoßen. Gefallen lassen freilich will sich Billy das nicht so einfach, da ist er direkt ein Seelen­ver­wandter von Al Pacino, der gerade in Oliver Stones Any Given Sunday mit demselben Problem zu kämpfen hatte. Da er aber nicht ganz so besessen ist wie Pacino, nicht so aufgeht in der einen, großen Lebens­auf­gabe, sucht er nach der anderen homebase: der Liebe, der Familie.

Die Einsam­keit des Langstre­cken­läu­fers: Nach dem Spiel hat er eine Suite reser­viert in einem Nobel­hotel, hat Dinner und Cham­pa­gner bereit­stellen lassen für den großen Auftritt, den Heirats­an­trag, den er seiner Jane machen will. Die aber kommt nicht, versetzt ihn, und der Film beginnt in dieser Trost­lo­sig­keit, diesem Verlo­ren­sein inmitten von Glanz und Gloria, von Luxus und Komfort. Am nächsten Morgen in aller Frühe wird sie ihn treffen, bei einem Spielfeld im Central Park und ihm erklären, dass sie nach London gehen wird, eines Jobs wegen. Man spürt, wie kühl es ist, draußen, zwischen Nacht und Tag, und wie kompli­ziert die Beziehung zwischen Bill und Jane ist, wie wenig wir über sie und sie selbst vonein­ander wissen, und – das ist ein großes Thema dieses Films – wie wenig Trost, wie wenig Heimat der Ruhm ist, der Erfolg.

For Love of the Game ist ein Film, den vor 50 Jahren Howard Hawks hätte machen können, der immer auf wunder­barste Weise die Männ­er­freund­schaften und die Liebe zwischen Mann und Frau mitein­ander zu versöhnen wusste. Keine Riva­litäten, keine Konflikte gab es da, keinen Zwang sich zu entscheiden für das eine oder das andere. Und während Bill Chapel seine verzwickte Liebes­ge­schichte Revue passieren lässt, bereitet er sich auch auf seine Rache vor, auf sein perfect game, das er als pitcher zusammen mit seinem Freund Gus, dem catcher, in seiner Abschieds­vor­stel­lung durch­ziehen wird. Arena-, und Gladia­to­ren­stim­mung also, zwei gegen die grölende Meute im Stadion und gegen jedes bessere Wissen. Eine Bekenntnis ist das dann am Ende für das Team, das ganz kleine, Mann und Mann, Mann und Frau, ein home run im sport­li­chen und im emotio­nalen Sinn.

Kevin Costner wird immer gerne als All-American-Boy dekla­riert, obwohl er meist eher an John Wayne in The Searchers erinnert: einer der sich abkapselt, der verstockt, maulfaul und irgendwie menschen­feind­lich ist. Seine Charak­tere klinken sich gerne aus der Gesell­schaft aus, drehen ihr eigenes Ding und wollen dann auch nicht mehr gestört werden dabei. Ein bisschen Todes­sehn­sucht steckt dahinter, oder die Sehnsucht nach einer Toten wie in seinem letzten Film Message in a Bottle. Das schönste Bild hat wieder einmal Tony Scott gefunden in Revenge, ein Film, der selbst nicht ganz von dieser Welt zu sein scheint, sondern im Irgendwo zwischen Leben und Tod ange­sie­delt ist. Da ist Costner ein Ex-Kampf­pilot, der seinen Abschied nimmt von der Army (er hat alles gelernt, was Tom Cruise in Topgun noch vor sich hat, man kann sich aber ausmalen, wo Cruise später landen könnte, wenn er richtig erwachsen geworden ist). Bei Tony Scott gibt es immer diese wunder­schön unauf­dring­li­chen Verqui­ckungen zwischen den Filmen, er ist einer der letzten Autoren im Hollywood-Kino, was viel zu wenige nur wahrhaben möchten, man müsste ganz ausführ­lich einmal nur über Tony Scott sprechen und schreiben.
Revenge also, ein Film von Abschied­nehmen von der Freund­schaft, vom Leben (bei Raimi ist es dann ein Abschied vom Ruhm, von der Jugend, gar nicht so weit weg von Scott). Wir sind am Anfang ganz oben – der einzige Ausgangs­punkt für jeden Abschied. Bei Raimi wird Costner auf dem Gipfel seines Ruhmes angelangt sein, bei Scott braust er noch mal in seinem Jet über die Land­schaft. Später wird er hinab­steigen als eiskalter Rache­engel (und von hier aus könnte man jetzt wieder voraus­schauen, Richtung Gladiator). Auf dem Helm, den Costner in seinem Cockpit trägt, steht »Ghost« zu lesen, und Scott denkt sich schon etwas bei den Namen, die er seinen Piloten verpasst, sie sind Minia­turen, kleine Charak­ter­stu­dien. Revenge ist eine Geis­ter­ge­schichte, in unwirk­li­ches, surreales, manchmal schon para­die­si­sches Licht getaucht, und wer Kevin Costner am Anfang seiner Filme als Geist begreift, kommt ganz gut klar mit seinen Charak­teren, denke ich.

Außerdem sind Gespens­ter­ge­schichten natürlich auch so etwas wie Sam Raimis filmische homebase, von der aus er startet. Er verletzt zunehmend die Spiel­re­geln, weil er sich weigert, im Kreis zu laufen, vielmehr auf dem Kino-Feld der Träume herum­geis­tert und hier und dort einen Ball in die Menge schlägt. Richtige screw­balls, und For Love of the Game kommt dabei als Melodrama heraus. Viele nehmen ihm das übel. The Quick and the Dead hat man nicht nur hier­zu­lande mit Verach­tung gestraft. »Welcome back, killer«, sagt da übrigens Gene Hackman zu Russell Crowe, bevor er in die Arena tritt. Mann gegen Mann und bis zum Tod, wie gesagt ab nächster Woche (aber davon wollten wir ja jetzt nicht mehr reden). Wer darauf beharrt, den Evil Dead oder Army of Darkness Raimi wieder und wieder zu sehen, der wird leicht säuerlich reagieren, weil der Grusel in For Love of the Game so ganz anders ist (aber er ist da, immerhin). Wir dagegen, als echte Cinéphile, wollen natürlich nicht auf die Erhaltung des status quo pochen, was ja unerhört dumm wäre, sondern sind neugierig auf neue Spiel­felder und Spiel­re­geln und freuen uns darüber, dass Raimi uns jetzt diese wunderbar roman­ti­sche und melan­cho­li­sche Geschichte erzählt.

Leder im Kopf

Kevin Kostners quälend mißglückte One-man-Show

Für europäi­sche Augen ist Baseball vor allem lang­weilig. Den größten Teil der Zeit stehen komisch ange­zo­gene Männer ziemlich teil­nahmslos auf einem abge­wetzten Rasen herum und tun – nichts. Wenn man sich auskennt, dann gewinnt dieser Sport, denn Baseball ist ein Spiel der Konzen­tra­tion und der kleinen Fein­heiten – sagt man jeden­falls.

Schon zum dritten Mal hat Kevin Kostner, der vor zehn bis fünfzehn Jahren einmal zu den großen Schau­spiel-Hoff­nungen des US-Kinos zählte, jetzt mit Aus Liebe zum Spiel einen Baseball-Film gedreht.
Doch im Gegensatz zu Annies Männer und Feld der Träume ist diesmal der Sport nur ein Vorwand. Zwischen den langen Leer­lauf­phasen des Spiels nimmt sich Haupt­figur Billy Chapel (Kostner) einfach einmal richtig Zeit, um zurück­zu­denken. Kurz vor dem letzten Saison­spiel hatte er noch ein Gespräch mit dem Club­prä­si­denten. Der erinnerte melan­cho­lisch an die schönen alten Zeiten, als die bösen Medien noch nicht den guten reinen Sport besudelt hatten (alles banaler kultur­pes­si­mis­ti­scher Schmodder, dies nur nebenbei) und gestand Billy, daß er ihn selbst und den Verein verkauft hatte. Noch wichtiger: Er riet auch seinem einstigen Superstar, den Spät­herbst seiner Karriere endlich abzu­schließen, und in den Ruhestand zu gehen.

So schaut man diesem nun zwei­ein­halb Stunden auf dem Feld bei der Erin­ne­rung an sein bishe­riges Leben zu: Da ist der Vater, der Klein-Billy schon früh die besten Tricks antrai­niert hatte, der Karrie­reweg, und jedem Zuschauer wird per Base­ball­schläger endlich mal wieder das lang­ver­misste Lied einge­bleut: in corpore sana ... Sport als Persön­lich­keits­ver­bes­se­rung, ... das Leben ist Kampf, usf.
Neben dem Baseball gibt es für Billy allen­falls noch Jane (Kelly Preston), aber nicht so richtig. Im Zwei­fels­fall sind Spieler, Trainer, Männer­bund wichtiger als Frauen. Dummer­weise – es ist wirklich nicht sein Tag – hat seine Freundin gerade vor dem Spiel mit ihm Schluß gemacht – vers­tänd­lich, denn der Mann hat nur die kleine Leder­kugel im Kopf.
Über eine Stunde braucht der Film, um alles das zu erzählen, was der Zuschauer schon längst weiß: Das Billy ein Star ist, dass er irgend­wann auf die allein­er­zie­hende Mutter Jane traf, die zwar berufs­tätig ist, aber eigent­lich am liebsten zuhause Applepie-backend auf den Gatten und Versorger warten würde. Dass die beiden sich verliebt haben, und ihre Beziehung jetzt am Schei­deweg steht.

Die einzige bemer­kens­werte Szene von alldem ist die, in der Chapel/Kostner Jane/Preston kennen­lernt. Da hat sie (natürlich nicht er) eine Autopanne und er dreht schlau­meie­risch ein wenig an der Zündkerze, schon funk­tio­niert alles wieder. Warum das bemer­kens­wert ist? Chapell/Kostner fährt Porsche. Und nichts gegen das Auto, aber wie er das tut, wie er darin aussieht, ließ mich einmal wieder denken, was ich sonst nur denke, wenn mich gerade einer von ihnen auf der Leopold­straße geschnitten hat. So wie in diesem Moment ist Kostner im ganzen Film.

Regisseur Sam Raimi sollte man für all das nicht allein verant­wort­lich machen. Schon wahr: Der Mann hat ein paar dritt­klas­sige Filme gemacht, aber auch zwei, drei sehr gute. Zuletzt A Simple Plan. Einfach ausge­zeichnet. Und er hat das Script für The Hudsucker Proxy geschrieben, den (neben Miller´s crossing) unter­schätz­testen Film der Coen-Bros. All das zeigt: Der Mann mag hier seine Seele ganz schön ans Kommerz­kino verkauft haben – das hätte uns selber auch passieren können, keine Frage –, aber er hat jeden­falls ein Minimum an Geschmack. Die Ursache für diese einzige riesige Geschmack­lo­sig­keit muss also woanders liegen.

Das Problem ist Kostner. Es schmerzt, ihm zuzu­schauen. Jeden Augen­blick dieses allzu­langen Films. Nicht aus Mitleid für Billy, nicht, weil sich hier einer zum letzten Mal quält, dessen Körper schon längst so verbraucht ist, dass er nur im weichen Leib der Preston vorm knis­ternden Kamin noch Rast findet. Sondern es schmerzt, weil Kostner so erbärm­lich bedeu­tungs­voll spielen möchte, dass er Anstren­gung aus jeder Pore schwitzt. Weil er seine Rolle mit einem Ernst angeht, wie er schon in den 50er Jahren kaum noch üblich war, weil er seiner wich­tig­tue­ri­schen Bedeu­tungs­schwere, mit der er die here Kampf­moral des Sports und die Heim+Herd-Werte der US-Bilder­buch­fa­milie predigt, ohne jeden Gedanken (geschweige denn Ironie) daher­kommen läßt, und ohne allen Charme – mit dem man Kostners gele­gent­li­ches Augen­blin­zeln und seine Sonnen­stu­dio­bräumne nicht verwech­seln sollte.
Und weil er sich mit Vorliebe – und völlig unan­ge­messen – als ein Typ insze­niert, dem jede Frau, die ihm über den Weg läuft, quasi zwanghaft verfallen muss. In solch tumber Selbst­ge­fäl­lig­keit ist der Mann, der gerne der Gary Cooper seiner Gene­ra­tion wäre, fast schon unfrei­willig komisch. Kelly Preston kann einem an seiner Seite einfach nur leid tun.

Das Kostner tatsäch­lich glauben kann, dies könnte funk­tio­nieren, ist beinahe schon wieder rührend. Es wird nicht, denn die – geistige, gesell­schaft­liche – Basis für solchen Heroismus fehlt (glück­li­cher­weise) auch in den USA.

Schade. Postman war nicht weniger heroisch, und wahr­schein­lich ähnlich dumm, aber wenigs­tens gut über­trieben. For Love of the Game ist spießig, nicht weil der Film »family values« predigt, sondern weil er die Eitelkeit jener Leute prak­ti­ziert, die jeden Samstag ihren Wagen waschen und auch die Politur nie vergessen. Darum muss Kostner/Chapell am Ende auch das »perfect game« gelingen. Wahr­schein­lich könnte er als Loser seine Karriere gar nicht aufgeben, könnte er nicht seiner Jane hinter­her­laufen, weil es dann im Bett bei ihm auch nicht mehr klappen würde. (Pardon, LeserIn, aber es geht hier tatsäch­lich um dumm-prolliges Potenz­ge­habe, das viel schlimmer, weil doofer ist, als zehn Arma­geddon-Folgen).
Moral: Erst der Beruf, dann das Weib, Liebe ist nur wichtig, wenn das »Perfect Game« gelang.

Wäre dieser mißglückte, unnötig melo­dra­ma­ti­sche, vorher­seh­bare Romantic-Comedy-Kitsch wenigs­tens noch leidlich unter­haltsam, gäbe es weniger Grund zum Ärger. Aber überall dominiert schwam­mige Senti­men­ta­lität wie lange nicht. Keine Geste, kein Bild, kein Satz ist des Erinnerns wert, und man erlebt For Love of the Game wie einen dieser Abende, an denen einem Freunde ältere Urlaubs-Dias, oder Bilder aus Schul­zeiten vorführen. Die Geschichte wurde uns schon x-Mal erzählt, das Ergebnis ist längst bekannt. Aber da gibt es zumindest Wein.