USA 1999 · 137 min. · FSK: ab 6 Regie: Sam Raimi Drehbuch: Michael Shaara, Dana Stevens Darsteller: Kevin Costner, Kelly Preston, John C. Reilly, Jena Malone u.a. |
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Wunderbar romantisch und melancholisch |
Ein Arenafilm, auch das ist For Love of the Game. Als schöner, ruhiger Auftakt und Einstimmung sozusagen zu dem gigantischen Gladiatorenspektakel, das uns ab nächster Woche ins Haus steht.
Natürlich ist der Sport ein letztes, ein wenn nicht gerade zivilisiertes so doch zivilisatorisches Relikt der Brot-und-Spiele-Tradition. An den beiden uramerikanischen Sportarten Foot- und Baseball sieht man das am besten, wo es immer irgendwie auch darum geht, Distanzen zurückzulegen und seinen claim abzustecken, sich Territorien zu erobern und unter dem Jubel der Menge zu verteidigen. Im Baseball hat sich dazu noch ein besonderer amerikanischer Traum verwirklicht: der von der Versöhnung zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen dem Zusammenspiel im Team und dem strahlenden Helden, der immer ein »loner« sein muss, ein einsamer Wolf. Diese verführerische Einsamkeit des Langstreckenläufers steckt im home run, aber auch die Möglichkeit der Niederlage, des Versagens.
Kevin Costner hat auf diesem Spielfeld, nach Field of Dreams und Bull Durham, reichlich Erfahrung gesammelt. Dennoch ist For Love of the Game nicht allein ein Film über das Baseball, den Sport. Er ist vielmehr ein Film über das Erreichen der homebase im übertragenen Sinn, eine wunderbare, melancholische und pathetische Liebesgeschichte, und ein Geschichte vom Altwerden.
Die große amerikanische Sehnsucht, so hat Nicholas Ray einmal gesagt, der uns mit die schönsten B-pictures beschert hat, die es zu sehen gibt, die große amerikanische Sehnsucht wäre die nach dem eigenen Zuhause, dem home. Das sind andere, fast traurige Töne, ganz und gar ungewohnt von den Pionieren mit ihrem kämpferischen »Go west, young man« – aber auch nachhaltige, wahre Töne.
Costner ist Billy Chapell, einer der ganz großen, umschwärmten Baseballstars. Aber jetzt ist er in die Jahre gekommen, hat den Zenit seines Ruhmes überschritten, und das Management will ihn nach Saisonende abstoßen. Gefallen lassen freilich will sich Billy das nicht so einfach, da ist er direkt ein Seelenverwandter von Al Pacino, der gerade in Oliver Stones Any Given Sunday mit demselben Problem zu kämpfen hatte. Da er aber nicht ganz so besessen ist wie Pacino, nicht so aufgeht in der einen, großen Lebensaufgabe, sucht er nach der anderen homebase: der Liebe, der Familie.
Die Einsamkeit des Langstreckenläufers: Nach dem Spiel hat er eine Suite reserviert in einem Nobelhotel, hat Dinner und Champagner bereitstellen lassen für den großen Auftritt, den Heiratsantrag, den er seiner Jane machen will. Die aber kommt nicht, versetzt ihn, und der Film beginnt in dieser Trostlosigkeit, diesem Verlorensein inmitten von Glanz und Gloria, von Luxus und Komfort. Am nächsten Morgen in aller Frühe wird sie ihn treffen, bei einem Spielfeld im Central Park und ihm erklären, dass sie nach London gehen wird, eines Jobs wegen. Man spürt, wie kühl es ist, draußen, zwischen Nacht und Tag, und wie kompliziert die Beziehung zwischen Bill und Jane ist, wie wenig wir über sie und sie selbst voneinander wissen, und – das ist ein großes Thema dieses Films – wie wenig Trost, wie wenig Heimat der Ruhm ist, der Erfolg.
For Love of the Game ist ein Film, den vor 50 Jahren Howard Hawks hätte machen können, der immer auf wunderbarste Weise die Männerfreundschaften und die Liebe zwischen Mann und Frau miteinander zu versöhnen wusste. Keine Rivalitäten, keine Konflikte gab es da, keinen Zwang sich zu entscheiden für das eine oder das andere. Und während Bill Chapel seine verzwickte Liebesgeschichte Revue passieren lässt, bereitet er sich auch auf seine Rache vor, auf sein perfect game, das er als pitcher zusammen mit seinem Freund Gus, dem catcher, in seiner Abschiedsvorstellung durchziehen wird. Arena-, und Gladiatorenstimmung also, zwei gegen die grölende Meute im Stadion und gegen jedes bessere Wissen. Eine Bekenntnis ist das dann am Ende für das Team, das ganz kleine, Mann und Mann, Mann und Frau, ein home run im sportlichen und im emotionalen Sinn.
Kevin Costner wird immer gerne als All-American-Boy deklariert, obwohl er meist eher an John Wayne in The Searchers erinnert: einer der sich abkapselt, der verstockt, maulfaul und irgendwie menschenfeindlich ist. Seine Charaktere klinken sich gerne aus der Gesellschaft aus, drehen ihr eigenes Ding und wollen dann auch nicht mehr gestört werden dabei. Ein bisschen Todessehnsucht steckt dahinter, oder die Sehnsucht nach einer Toten wie in seinem letzten Film Message in a Bottle. Das schönste Bild hat wieder einmal Tony Scott gefunden in Revenge, ein Film, der selbst nicht ganz von dieser Welt zu sein scheint, sondern im Irgendwo zwischen Leben und Tod angesiedelt ist. Da ist Costner ein Ex-Kampfpilot, der seinen Abschied nimmt von der Army (er hat alles gelernt, was Tom Cruise in Topgun noch
vor sich hat, man kann sich aber ausmalen, wo Cruise später landen könnte, wenn er richtig erwachsen geworden ist). Bei Tony Scott gibt es immer diese wunderschön unaufdringlichen Verquickungen zwischen den Filmen, er ist einer der letzten Autoren im Hollywood-Kino, was viel zu wenige nur wahrhaben möchten, man müsste ganz ausführlich einmal nur über Tony Scott sprechen und schreiben.
Revenge also, ein Film von Abschiednehmen von der Freundschaft, vom Leben
(bei Raimi ist es dann ein Abschied vom Ruhm, von der Jugend, gar nicht so weit weg von Scott). Wir sind am Anfang ganz oben – der einzige Ausgangspunkt für jeden Abschied. Bei Raimi wird Costner auf dem Gipfel seines Ruhmes angelangt sein, bei Scott braust er noch mal in seinem Jet über die Landschaft. Später wird er hinabsteigen als eiskalter Racheengel (und von hier aus könnte man jetzt wieder vorausschauen, Richtung Gladiator). Auf dem Helm, den Costner in seinem Cockpit trägt, steht »Ghost« zu lesen, und Scott denkt sich schon etwas bei den Namen, die er seinen Piloten verpasst, sie sind Miniaturen, kleine Charakterstudien. Revenge ist eine Geistergeschichte, in unwirkliches, surreales, manchmal schon paradiesisches Licht getaucht, und wer Kevin Costner am Anfang seiner Filme als Geist
begreift, kommt ganz gut klar mit seinen Charakteren, denke ich.
Außerdem sind Gespenstergeschichten natürlich auch so etwas wie Sam Raimis filmische homebase, von der aus er startet. Er verletzt zunehmend die Spielregeln, weil er sich weigert, im Kreis zu laufen, vielmehr auf dem Kino-Feld der Träume herumgeistert und hier und dort einen Ball in die Menge schlägt. Richtige screwballs, und For Love of the Game kommt dabei als Melodrama heraus. Viele nehmen ihm das übel. The Quick and the Dead hat man nicht nur hierzulande mit Verachtung gestraft. »Welcome back, killer«, sagt da übrigens Gene Hackman zu Russell Crowe, bevor er in die Arena tritt. Mann gegen Mann und bis zum Tod, wie gesagt ab nächster Woche (aber davon wollten wir ja jetzt nicht mehr reden). Wer darauf beharrt, den Evil Dead oder Army of Darkness Raimi wieder und wieder zu sehen, der wird leicht säuerlich reagieren, weil der Grusel in For Love of the Game so ganz anders ist (aber er ist da, immerhin). Wir dagegen, als echte Cinéphile, wollen natürlich nicht auf die Erhaltung des status quo pochen, was ja unerhört dumm wäre, sondern sind neugierig auf neue Spielfelder und Spielregeln und freuen uns darüber, dass Raimi uns jetzt diese wunderbar romantische und melancholische Geschichte erzählt.
Für europäische Augen ist Baseball vor allem langweilig. Den größten Teil der Zeit stehen komisch angezogene Männer ziemlich teilnahmslos auf einem abgewetzten Rasen herum und tun – nichts. Wenn man sich auskennt, dann gewinnt dieser Sport, denn Baseball ist ein Spiel der Konzentration und der kleinen Feinheiten – sagt man jedenfalls.
Schon zum dritten Mal hat Kevin Kostner, der vor zehn bis fünfzehn Jahren einmal zu den großen Schauspiel-Hoffnungen des US-Kinos zählte, jetzt mit Aus Liebe zum Spiel einen Baseball-Film gedreht.
Doch im Gegensatz zu Annies Männer und Feld der Träume ist diesmal der Sport nur ein Vorwand. Zwischen den langen Leerlaufphasen des Spiels nimmt sich Hauptfigur Billy Chapel (Kostner) einfach einmal richtig Zeit, um
zurückzudenken. Kurz vor dem letzten Saisonspiel hatte er noch ein Gespräch mit dem Clubpräsidenten. Der erinnerte melancholisch an die schönen alten Zeiten, als die bösen Medien noch nicht den guten reinen Sport besudelt hatten (alles banaler kulturpessimistischer Schmodder, dies nur nebenbei) und gestand Billy, daß er ihn selbst und den Verein verkauft hatte. Noch wichtiger: Er riet auch seinem einstigen Superstar, den Spätherbst seiner Karriere endlich abzuschließen, und in
den Ruhestand zu gehen.
So schaut man diesem nun zweieinhalb Stunden auf dem Feld bei der Erinnerung an sein bisheriges Leben zu: Da ist der Vater, der Klein-Billy schon früh die besten Tricks antrainiert hatte, der Karriereweg, und jedem Zuschauer wird per Baseballschläger endlich mal wieder das langvermisste Lied eingebleut: in corpore sana ... Sport als Persönlichkeitsverbesserung, ... das Leben ist Kampf, usf.
Neben dem Baseball gibt es für Billy allenfalls noch Jane (Kelly Preston), aber
nicht so richtig. Im Zweifelsfall sind Spieler, Trainer, Männerbund wichtiger als Frauen. Dummerweise – es ist wirklich nicht sein Tag – hat seine Freundin gerade vor dem Spiel mit ihm Schluß gemacht – verständlich, denn der Mann hat nur die kleine Lederkugel im Kopf.
Über eine Stunde braucht der Film, um alles das zu erzählen, was der Zuschauer schon längst weiß: Das Billy ein Star ist, dass er irgendwann auf die alleinerziehende Mutter Jane traf, die zwar
berufstätig ist, aber eigentlich am liebsten zuhause Applepie-backend auf den Gatten und Versorger warten würde. Dass die beiden sich verliebt haben, und ihre Beziehung jetzt am Scheideweg steht.
Die einzige bemerkenswerte Szene von alldem ist die, in der Chapel/Kostner Jane/Preston kennenlernt. Da hat sie (natürlich nicht er) eine Autopanne und er dreht schlaumeierisch ein wenig an der Zündkerze, schon funktioniert alles wieder. Warum das bemerkenswert ist? Chapell/Kostner fährt Porsche. Und nichts gegen das Auto, aber wie er das tut, wie er darin aussieht, ließ mich einmal wieder denken, was ich sonst nur denke, wenn mich gerade einer von ihnen auf der Leopoldstraße geschnitten hat. So wie in diesem Moment ist Kostner im ganzen Film.
Regisseur Sam Raimi sollte man für all das nicht allein verantwortlich machen. Schon wahr: Der Mann hat ein paar drittklassige Filme gemacht, aber auch zwei, drei sehr gute. Zuletzt A Simple Plan. Einfach ausgezeichnet. Und er hat das Script für The Hudsucker Proxy geschrieben, den (neben Miller´s crossing) unterschätztesten Film der Coen-Bros. All das zeigt: Der Mann mag hier seine Seele ganz schön ans Kommerzkino verkauft haben – das hätte uns selber auch passieren können, keine Frage –, aber er hat jedenfalls ein Minimum an Geschmack. Die Ursache für diese einzige riesige Geschmacklosigkeit muss also woanders liegen.
Das Problem ist Kostner. Es schmerzt, ihm zuzuschauen. Jeden Augenblick dieses allzulangen Films. Nicht aus Mitleid für Billy, nicht, weil sich hier einer zum letzten Mal quält, dessen Körper schon längst so verbraucht ist, dass er nur im weichen Leib der Preston vorm knisternden Kamin noch Rast findet. Sondern es schmerzt, weil Kostner so erbärmlich bedeutungsvoll spielen möchte, dass er Anstrengung aus jeder Pore schwitzt. Weil er seine Rolle mit einem Ernst angeht, wie er schon in
den 50er Jahren kaum noch üblich war, weil er seiner wichtigtuerischen Bedeutungsschwere, mit der er die here Kampfmoral des Sports und die Heim+Herd-Werte der US-Bilderbuchfamilie predigt, ohne jeden Gedanken (geschweige denn Ironie) daherkommen läßt, und ohne allen Charme – mit dem man Kostners gelegentliches Augenblinzeln und seine Sonnenstudiobräumne nicht verwechseln sollte.
Und weil er sich mit Vorliebe – und völlig unangemessen – als ein Typ
inszeniert, dem jede Frau, die ihm über den Weg läuft, quasi zwanghaft verfallen muss. In solch tumber Selbstgefälligkeit ist der Mann, der gerne der Gary Cooper seiner Generation wäre, fast schon unfreiwillig komisch. Kelly Preston kann einem an seiner Seite einfach nur leid tun.
Das Kostner tatsächlich glauben kann, dies könnte funktionieren, ist beinahe schon wieder rührend. Es wird nicht, denn die – geistige, gesellschaftliche – Basis für solchen Heroismus fehlt (glücklicherweise) auch in den USA.
Schade. Postman war nicht weniger heroisch, und wahrscheinlich ähnlich dumm, aber wenigstens gut übertrieben. For Love of the Game ist spießig, nicht weil der Film »family values« predigt, sondern weil er die Eitelkeit jener Leute praktiziert, die jeden Samstag ihren Wagen waschen und auch die Politur nie vergessen. Darum muss Kostner/Chapell am Ende auch das »perfect
game« gelingen. Wahrscheinlich könnte er als Loser seine Karriere gar nicht aufgeben, könnte er nicht seiner Jane hinterherlaufen, weil es dann im Bett bei ihm auch nicht mehr klappen würde. (Pardon, LeserIn, aber es geht hier tatsächlich um dumm-prolliges Potenzgehabe, das viel schlimmer, weil doofer ist, als zehn Armageddon-Folgen).
Moral: Erst der Beruf, dann das Weib, Liebe ist nur wichtig, wenn das »Perfect Game« gelang.
Wäre dieser mißglückte, unnötig melodramatische, vorhersehbare Romantic-Comedy-Kitsch wenigstens noch leidlich unterhaltsam, gäbe es weniger Grund zum Ärger. Aber überall dominiert schwammige Sentimentalität wie lange nicht. Keine Geste, kein Bild, kein Satz ist des Erinnerns wert, und man erlebt For Love of the Game wie einen dieser Abende, an denen einem Freunde ältere Urlaubs-Dias, oder Bilder aus Schulzeiten vorführen. Die Geschichte wurde uns schon x-Mal erzählt, das Ergebnis ist längst bekannt. Aber da gibt es zumindest Wein.