Brasilien 2019 · 75 min. Regie: Bárbara Paz Drehbuch: Bárbara Paz Kamera: Stefan Ciupek Schnitt: Marilia Moraes |
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Kopfstand vor dem Tod: Héctor Babenco, und wie ihn seine Frau sieht | ||
(Foto: Bárbara Paz / DOK.fest@home 2020) |
Für Der Kuß der Spinnenfrau (1985) erhielt der argentinisch-brasilianische Filmemacher Héctor Babenco (1946-2016) als erster lateinamerikanischer Regisseur eine Oscarnominierung. Kurz nach Abschluss der Dreharbeiten erkrankte Babenco im Alter von 38 Jahren an Krebs. Babenco – Tell me when I die zeigt den erneut erkrankten Babenco am Ende seines Lebens. Gedreht wurde der schwarzweiße Film von Babencos Frau, der Schauspielerin Bárbara Paz; die mit diesem nach dem Kurzfilm Conversa com ele (2018) ihren ersten Langfilm vorlegt.
Im Film sagt Héctor Babenco: »Ich weiß nicht, was zuerst kam, Filmen oder lebendig sein.« Ganz in diesem Geist bebildert Bárbara Paz in Babenco – Tell me when I die das Leben ihres Ehemanns anhand von dessen Filmen. Nur dass Leben in diesem Fall Sterben heißt. Wir sehen den kahlköpfigen Filmemacher mit klarem Blick in die Kamera gucken. Dann kommt eine Montage-Reihe zu Babencos Filmen. Diese beginnt mit einem kleinen Jungen, der vor einem Auto davonläuft. Es folgt ein Mann, der zwei ihn mit Pistolen verfolgenden Männern zu entfliehen versucht. Dann ein Mann, der vor einem Feuer über eine Treppe flieht. Alle diese Bilder zeigen, wie Menschen dem Tod zu entkommen versuchen. Sie liefern einen Kommentar zu Héctor Babencos Situation zur Zeit des Filmdrehs.
Immer wieder werden die Dreharbeiten auch innerhalb des Films thematisiert. An einer Stelle gibt Babenco seiner Frau Anweisungen zu Brennweiten und zur richtigen Fokussierung der Kamera. Dass Babenco sich bereits im Sterben befindet, wird anhand zahlreicher in Krankenhäusern spielender Szenen deutlich. In Unterwasseraufnahmen wirbeln dann Fotos mit Menschen vor der Kamera entlang. Dazu hören wir im Off Babenco mit Frau und Ärzten über die Dosierung starker Schmerzmedikamente diskutieren. Babenco erzählt auch, wie sehr seine Kräfte bereits seit Monaten schwinden. Die Frage eines Arztes, ob er Ereignisse vergesse, beantwortet er mit einem »ja«. Er sagt auch, dass er nun eine andere Denkgeschwindigkeit habe, aber dass das Leben weitergehe.
Immer wieder entsteht ein Dialog zwischen Babenco und seinen Filmen. An einer Stelle äußerst sich ein Darsteller in einem seiner Filme zum Thema Krebs. Und als Babenco gefragt wird, was dazu nötig ist, um ein Filmemacher zu werden, kommt eine Antwort in Form einer Filmszene, bei der ein Junge eine Apparatur geschenkt bekommt, mit der man einen gewünschten Bildausschnitt festlegen kann. Diese Reflexion von Leben und Film geht jedoch nicht nur in eine Richtung. Immer wieder sehen wir auch Aufnahmen von Dreharbeiten, bei denen Aspekte des Drehs besprochen werden. Besonders komplex wird dieses Spiel bei den Dreharbeiten zu My Hindu Friend (2016). In diesem letzten Film Babencos spielt Willem Dafoe einen Filmregisseur, der kurz vor seinem Tod steht. Dafoe lässt sich einen Kahlkopf rasieren, bespricht seine Rolle mit dem gleichfalls kahlköpfigen Babenco. Dazwischen immer wieder Filmszenen, wie die, bei der Dafoe im Krankenbett den Tubus aus dem Mund nimmt und anfängt zu singen.
So betreibt Babenco – Tell me when I die ein vielschichtiges Spiel mit der gegenseitigen Spiegelung von Kunst und Leben. Wer mit dem Werk des Filmemachers nicht allzu vertraut ist, wird es oftmals schwer finden zu entscheiden, welche Szenen aus Filmen Babencos stammen und welche von Bárbara Paz für ihren Dokumentarfilm über das Sterben ihres Mannes gedreht wurden. Hinzu kommt, dass auch diese Ebenen immer wieder verschränkt werden. Einmal zeigt Babenco – Tell me when I die Ausschnitte aus Der Kuß der Spinnenfrau. Dann sehen wir das Werk als Film im Film auf der Leinwand eines leeren Kinos, in dem als einziger Besucher Babenco sitzt und eine Zigarre raucht. Den Genüssen ist der Filmemacher auch gegen Ende seines Lebens nicht abgeneigt. Zu einer Strandszene erzählt Babenco, wie er sich den idealen letzten Tag seines Lebens vorstellt: mit einem sehr guten und ausgiebigen Essen!
Auch Bárbara Paz, die Regisseurin, tritt in dem Film als Darstellerin in Erscheinung. Bei einem Dreh mit Willem Dafoe schwimmt sie erst nackt durch das Wasser und tanzt anschließend nur mit einem dünnen Gaze-Schleier umhüllt ausgelassen zu »Singing in the Rain« im Garten. Wir sehen, wie Dafoe sich das Spektakel anguckt, und wir sehen, wie Babenco seine Frau beim Tanzen betrachtet. Anschließend läuft Bárbara Paz zu ihrem Mann und fragt, ob sie sich nicht wie ein Clown aufgeführt habe. Héctor Babenco gibt ihr einen Kuss. Dabei sieht man deutlich die Liebe in seinem Blick. Auch Babenco – Tell me when I die ist eine Liebeserklärung. Sie ist umso berührender, als sie dem Sterben des Manns der Regisseurin gewidmet ist.
DOK.fest München
6. bis 24. Mai 2020
@home
Babenco – Tell me when I die, DOK.international, Link zum Screening
Filme mieten: 4,50 € (5,50 € mit Soli-Beitrag für die Kinos)
Zeitfenster: 24 Stunden
Festivalflatrate: 50 € (davon gehen 3 € an die Kinos)
Hotline – technische Soforthilfe: 0800 / 5565136