Deutschland 2015 · 99 min. · FSK: ab 12 Regie: Frieder Wittich Drehbuch: Oliver Ziegenbalg, Frieder Wittich Kamera: Christian Rein Darsteller: Christian Ulmen, Nahuel Pérez Biscayart, Eugene Boateng, Friederike Becht, Fabian Hinrichs u.a. |
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Klaviatur der seichten Komödie |
Thematische Schwerpunkte können ein genauso großer Fluch sein wie der ewige Kompromiss im Leben. In Frieder Wittichs Becks letzter Sommer kollidiert gleich beides. Und das nicht nur im Film.
Wittich hatte sich bereits mit seiner Studentenkomödie 13 Semester für späte Entscheidungen im Leben interessiert. Diesen Schwerpunkt wählt er auch für seine neuen Film, einer Verfilmung des Debütromans von Benedict Wells, der damit 2008 zum jüngsten Autor des Diogenes Verlags avancierte und solange als literarisches Wunderkind gehandelt wurde, bis seine zwei Folgeromane für einen fast genauso überraschenden Absturz aus dem literarischen Pantheon sorgten. Wells überraschte damals zum einen mit seinem Talent, als 24-Jähriger überzeugend die Lebenskrise eines Musiklehrers zu erfassen, der mit Ende 30 realisiert, dass es die falsche Entscheidung war, seine Punkrock-Karriere für den Lehrerberuf aufgegeben zu haben. Um die Krise zu eskalieren, setzte Wells seinem Hauptprotagonisten Beck nicht nur einen musikalisch talentierten Schüler an die Seite, sondern auch eine junge Freundin, einen manisch-depressiven Freund und eine Menge Bob Dylan, alles zusammen mehr als genug Stoff für eine Katharsis und erst recht für einen Film.
Bis auf Dylan und einige biografische Details hat Wittich einen Großteil aus Wells Roman übernommen und in eine tragikkomische Filmnarration überführt, die immer wieder ein wenig zu kompromissbereit auf bekannte Stereotype vertraut. Das beginnt bei der Skizzierung des Lehreralltags, wird fortgeführt mit der klassischen Alter-Knacker-junge-Freundin-Beziehung und endet schließlich mit etwas altbackenen Roadmovie-Szenen auf dem Balkan und in Istanbul. Das Christian Ulmen den verbitterten Lehrer verkörpern darf, passt irgendwie ins Konzept des zweiten Aufgusses, denn auch für Ulmen ist das (wie für Wittich) die Fortschreibung eines bereits einmal erfolgreichen Konzepts, denn Ulmens Rolle als Herr Lehmann, einem anderen Spätstarter, ist stark an die Rolle des Lehrers Beck angelehnt.
Dennoch sieht man den Protagonisten gerne zu, verfolgt mit Interesse die Geschichte und denkt noch einige Tage darüber nach, ob das eigene Leben nicht auch noch mal einen Umkehrschub vertragen könnte. Aber wirklich berühren, irritieren, aufwühlen, begeistern – das alles tut Becks letzter Sommer nicht. Stattdessen nimmt der Film seinen eigenen Titel zu ernst, verheddert er sich in dem Gefühl, neben Coming-of-Age-Film, Liebesfilm, Roadmovie, auch ein Sommerfilm sein zu wollen. Und das bedeutet in Deutschland leider auch immer, dass die Klaviatur der seichten Komödie bedient wird, die jedes auch nur in Ansätzen authentische Gefühl von Leid, Wut und Aufbegehren im Keim erstickt – gerade für diese Thematik essentielle Attribute.
Doch am Ende bleibt wie schon gesagt, die eigentliche Geschichte, die es immer wieder wert ist, erzählt zu werden: dass es wichtig ist, Widerstand gegen das Leben und das vermeintliche Schicksal zu leisten, die zweite Chance in unseren reichen industriellen Gesellschaften tatsächlich real ist und die Entscheidung für einen »sicheren« Beruf nicht mehr als das Pflaster auf einer Wunde ist, die eigentlich anders behandelt werden müsste. Und sei es so, wie Dylan es vor genau 50 Jahren, lange vor Becks letzter Sommer bereits in Maggies Farm formulierte:
»Well, I try my best«
To be just like I am,
But everybody wants you
To be just like them.
They sing while you slave and I just get bored.
I ain’t gonna work on Maggie’s farm no more.