Frankreich 2013 · 117 min. · FSK: ab 6 Regie: Cédric Klapisch Drehbuch: Cédric Klapisch Kamera: Natasha Braier Darsteller: Romain Duris, Audrey Tautou, Cécile de France, Kelly Reilly, Sandrine Holt u.a. |
||
Kochwaschgang Leben |
Cédric Klapisch ist ein Meister der kleinen Überraschungen. Navigierte er in So ist Paris (2008) erfolgreich gegen so ziemlich alle Stadt- und Sozialklischees, die über Paris in Umlauf sind, führte er in Mein Stück vom Kuchen (2010) völlig verblüffend vor, wie mitreißend moderne Kapitalismuskritik sein kann. Auch in Beziehungsweise New York sperrt sich Klapisch erfolgreich gegen Erwartungshaltungen. Nicht nur hebelt er spielerisch den dämlichen deutschen Titel (im Original Casse-tête chinois) aus, um wie schon in seinem Paris-Film auch New York Seiten abzugewinnen, die nicht unbedingt auf der Mainstream-Agenda stehen, sondern schafft es sogar, die Erwartungshaltungen bezüglich seines eigenen Werks zu unterlaufen.
Denn Beziehungsweise New York ist nicht nur eine mit leichten Slapstickelementen versetzte Beziehungskomödie und New York-Film, sondern auch der dritte Teil von Klapischs auberge espagnole-Filmen. Dort schlug sich Klapischs Held Xavier (Romain Duris) bislang als Erasmusstudent in Barcelona durch (L’Auberge espagnole – Barcelona für ein Jahr) um dann fünf Jahre später in St. Petersburg zu versuchen, seinen Lebens- und Liebeszweifeln erneut Herr zu werden (L’auberge espagnole: Wiedersehen in St. Petersburg). Klapischs bewusst an Truffauts Antoine Doinel-Zyklus angelegten ersten beiden Filme faszinierten bereits durch eine behutsame charakterliche Entwicklung des Personals. Nervt der erste Teil noch durch eine zum Teil unerträgliche Schaulust an der Oberflächlickeit, fragt man sich beim zweiten Teil bereits, ob diese Oberflächlichkeit nicht von Klapisch bewusst als schonungsloses Porträt einer Generation angelegt war, die nach der Schule einfach nicht mehr wollte als oberflächlich zu sein. Nach weiteren acht Jahren und der erneuten Einbeziehung fast des gesamten Personals der Vorgängerfilme kann diese Vermutung nur bestätigt werden – so wie der beschriebene Lebensabschnitt, so sind die Filme. Was Beziehungsweise New York deshalb weit über den gängigen Komödienstatus hinaushebt, denn wie in fast jedem Leben, ist auch bei Xavier nicht absehbar gewesen, was hätte passieren können. Nicht, dass er eine frühere Freundin geheiratet und bald nicht nur eine Beziehung hinter und eigene Kinder um sich, sondern auch beruflich inzwischen einen lebensreifen Werdegang durchlaufen hat.
Klapisch verwebt dabei das im Verlauf der ersten beiden Filme schon feingesponnene Netz der Beziehungen noch weiter, ohne das dabei irgendetwas konstruiert wirkt – im Gegenteil: wie leicht hier postmoderne Beziehungsabgründe abgehandelt und dabei keinesweg eingeflacht werden, sucht seinesgleichen und ist damit gleichzeitig auch ein erquickender Antipode zu Richard Linklaters einen ähnlichen Beziehungszeitraum abdeckender BEFORE-Trilogie (Before Sunrise et al): Xaviers Umzug nach New York – natürlich wegen der Kinder – wirkt dabei ebenso plausibel wie seine Schwierigkeiten sich auf den amerikanischen Lebensstil einzulassen; seine Beziehung zu Wendy (Kelly Reilly) als Ex-, Martine (Audrey Tautou) als Partnerin in spe – sowie Isabelle (Cécile de France) als beste Freundin und Bittstellerin für eine Samenspende mögen auf den ersten Blick allein dem Komödien-Genre geschuldet sein, entpuppen sich aber auf den zweiten Blick als intelligente Analyse gegenwärtiger Geschlechterverhältnisse.
Das schönste Gedankenspiel gelingt Klapisch in Beziehungsweise New York allerdings mit der geschlechterübergreifenden Feststellung, dass es die »Midlife Crisis« so nicht mehr gibt, sondern sie im Gleichschritt mit der Globalisierung durch eine »Wholelife Crisis« ersetzt worden ist.