Frankreich 2018 · 122 min. · FSK: ab 6 Regie: Gilles Lellouche Drehbuch: Gilles Lellouche, Ahmed Hamidi, Julien Lambroschini Kamera: Laurent Tangy Darsteller: Mathieu Amalric, Guillaume Canet, Benoît Poelvoorde, Jean-Hugues Anglade, Virginie Efira u.a. |
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Akzeptiere dich, so wie du bist |
England, 1997. Eine Handvoll arbeitsloser, verzweifelter Männer reißt sich lasziv die Klamotten vom Leib und startet eine Karriere als Stripper. Die Komödie Ganz oder gar nicht war ein Blockbuster und berechtigt für vier Oscars nominiert.
Schweden, 2008. Neun nicht besser gelaunte Männer, denen das Schicksal übel mitgespielt hat, versuchen ihr Glück als Synchronschwimmer. Männer im Wasser wird ein Beachtungserfolg. Wieder berechtigterweise.
2018 und schon ein wenig lustloser gehen erneut Männer baden, in Swimming with Men.
Fast zeitgleich, nur ein paar Monate später, ist es wieder so weit.
Im Jahr 2019 ist der Schauplatz allerdings Frankreich. Neun Männern, die in einer
schweren Lebenskrise stecken, fällt nichts Besseres mehr ein, als sich in eine Badehose zu zwängen und im Hallenbad Synchronschwimmen zu üben.
Was sich anhört, wie ein einfallsloser, neuer Aufguss, entpuppt sich als mitreißendes Vergnügen, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Einzige vertretbare Entschuldigung: Man hat einen Trainingstermin mit seiner Synchronschwimmgruppe.
Denn der großartige Schauspieler Gilles Lelouche (Das Leben ist ein Fest), der das Drehbuch mitgeschrieben und zum ersten Mal
alleine Regie geführt hat, hat das bisher unterentwickelte Sub-Genre »Männer-ziehen-sich-aus« zur Hochblüte gebracht.
Natürlich geht es weniger um schlecht sitzende Badehosen, Schwabbelbäuche, behaarte Rücken oder kreideweiße Beine. Obwohl es nicht schadet, daran zu erinnern. Ohne Solarium, extensiven Fitnessstudio-Besuch oder Photoshop sind Bäuche schwabbelig. Rücken behaart und Beine weiß. Die mehr oder weniger gravierenden Unterschiede zwischen natürlich gewachsenen Plauzen und Waschbrettbäuchen in der Werbung oder bei Instagram lassen einen schon mal schmunzeln. Für quietschendes
Vergnügen jedoch sorgen die neun Figuren. Wie das Schicksal ihnen mitspielt und wie sie versuchen, durchs Leben zu kommen und dabei ihre Würde zu bewahren.
Bertrand (Mathieu Amalric) ist arbeitslos und leidet unter Depressionen. Laurent (Guillaume Canet) hat eine Ehekrise und eine bipolare Mutter. Der schüchterne Thierry (Philippe Katerine) arbeitet im Schwimmbad. Trotzdem hat er wahrscheinlich noch nie seinen Zeh ins Wasser gesteckt. Genau so wenig hat er schon mal eine Frau geküsst.
Marcus (Benoît Poelvoorde) geriert sich wie ein erfolgreicher, gewiefter Geschäftsmann, obwohl seine Firma, die Swimming-Pools verkauft, längst den Bach runtergegangen ist. Simon (Jean-Hugues Anglade) schuftet in einer Kantine und träumt von einer Karriere als Rockstar...
Wer halbwegs genau mitgezählt hat, könnte ins Grübeln kommen. Bisher fünf traurige Gestalten und das ist noch nicht mal der vollständige Cast. Ist das ein Drama? Wird der Kinobesuch einen runterziehen? Sollte
man Tempotücher mitnehmen für die Tränen? Die Antworten lauten ein klares »Nein«, noch ein klares »Nein« und auf die dritte Frage, da gibt’s nichts zu beschönigen, ein klares »Ja«! Tränen könnten durchaus fließen. Allerdings nicht beim Weinen, sondern beim Lachen.
Gilles Lelouche gelingt das Meisterstück, jeden Mann des Ensembles schonungslos mit seinen Schwächen zu zeigen und ihm dann noch eine hoffnungsvolle, vollkommen glaubwürdige Entwicklung zu schenken.
In den meisten Feel-Good-Filmen müsste der Protagonist dafür über sich selbst hinauswachsen, eine Frau kennenlernen, einen besseren Job finden, sich mit seinem schlimmsten Feind vertragen oder zumindest 10 Kilo abnehmen. Gemäß diesem Film könnte man fast sagen, versuch’s
gar nicht erst! Seine Lektion lautet: Akzeptiere und liebe dich selbst, genau so wie du ist. Und auch die Situation, unter der du leidest. – Das war’s schon.
Die überwältigende Macht dieser Einsicht wird übrigens nicht nur am Beispiel von Männern illustriert. Denn trainiert werden die Synchronschwimmer von zwei Frauen. Delphine (Virginia Efira) und Amanda (Leïla Bekhti) sind auch nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens unterwegs. Um es mal schonend
auszudrücken.
So wie die Figuren gemeinsam haben, dass sie verdammt verkorkst sind, haben auch die Schauspieler eine Gemeinsamkeit. Alle spielen grandios.
Ein paar Zeilen weiter oben hieß es, die Teilnahme an einem Training fürs Synchronschwimmen wäre eine vertretbare Entschuldigung dafür, den Film zu verpassen. Das stimmt eigentlich gar nicht. Auch Synchronschwimmer und Synchronschwimmerinnen sollten das Training sausen lassen und sich Ein Becken voller Männer ansehen.