Beste Zeit

Deutschland 2007 · 95 min. · FSK: ab 6
Regie: Marcus H. Rosenmüller
Drehbuch:
Kamera: Helmut Pirnat
Darsteller: Anna Maria Sturm, Rosalie Thomass, Ferdinand Schmidt-Modrow, Florian Brückner, Volker Bruch u.a.
Jugend im Voralpenland

Siebzehn Jahr, graues Haar

Im neuen Bieder­meier: Marcus H. Rosen­müller und die Wonnen der Gewöhn­lich­keit

Mit seinem Debütfilm Wer früher stirbt ist länger tot wurde der Münchner Film­hoch­schüler Marcus H. Rosen­müller im Jahr 2006 zum Shooting Star. Zwar war der Film vor allem bei den Zuschauern südlich des »Weiß­wurs­täqua­tors« erfolg­reich, doch wurde er dann bei den diversen Preis­ver­gaben des Jahres – vom Regie­för­der­preis bis zum Deutschen Filmpreis – konse­quent zum kleinsten gemein­samen Nenner und damit zum größten Absahner der Saison.

Wer Kommerz­kino a la Das Parfum nicht mochte und Anspruchs­volles wie Sehnsucht oder Pingpong zu kompli­ziert fand, und wem Vier Minuten zu schwerblütig-geschraubt vorkam, der konnte sich auf den Laus­bu­ben­charme des Newcomers Rosen­müller allemal einigen. Der Regisseur selbst wirkt einst­weilen noch wie einer, der selbst nicht recht weiß, wie ihm gerade geschieht, aber er nutzt seine Chance. Wie ein Berserker dreht er, und nach Schwere Jungs im Winter legt er nun elf Monate nach Start seines Debüts bereits seinen dritten Spielfilm vor. Beste Zeit ist zwar fürs Fernsehen gemacht, wie verlautet als »erster Teil einer Fernseh-Trilogie über das Erwach­sen­werden auf dem Land«, doch nutzen Verleih und Regisseur den Erfolg und bringen den Film ins Kino.

Im Mittel­punkt der leicht und locker erzählten Story stecken Kati (Anna Maria Sturm) und Jo (Rosalie Thomass), zwei 17-Jährige im baye­ri­schen Voral­pen­land. Sie tun, was man so tut in dem Alter, rauchen heimlich, betrinken sich auf der Wiese hinterm Dorf und leben ihren ganz gewöhn­li­chen Alltag zwischen Ausbruch­sträumen, Lange­weile und den Dorf­bur­schen, die sich für sie inter­es­sieren – oder eben gerade nicht. Da gibt es den »Falschen«, in den Kati verknallt ist, und der sich im Laufe der Handlung als Blender entpuppt – weil er im entschei­denden Moment lieber, mit seinen Kumpels herum­hängt, anstatt ihr zu helfen – und den »Richtigen«, einen Unschein­baren mit guter Seele, dessen innere Werte sie schließ­lich doch erkennt, und auf die ersehnte Amerika-Reise verzichtet – eine Wendung ins spießige »Schuster, bleib bei Deinen Leisten«, die der Film als »Erwach­sen­werden« verkaufen will.

Rosen­müller zeigt eine heile, im Grunde zeitlose Welt, in der alle Bayrisch reden, Bier trinken, auf einem Hof leben und sich auf den Sams­tag­abend in der Dorfdisco freuen. Diese Idylle wird nicht wirklich gestört, es gibt die kleinen Krisen von Spät­pu­ber­tie­renden, Ärger mit den Eltern, mit Jungs, und die Unge­wiss­heit, was nach der Schule werden soll, wie man vermeidet, vor Ort zu versacken. Der Verlust der Lieb­lings­jeans ist in soviel banalem – und banal erzähltem – Einerlei schon ein größeres Drama. Gegenwart und Wirk­lich­keit des heutigen Lebens bleiben hingegen in ihren schönen wie häss­li­chen Seiten konse­quent ausge­blendet; die Idylle ist also vor allem behauptet. Wenn die »Brigitte« so etwas »Lustig und lebensnah« findet, erzählt das ja auch eher etwas über die dortigen Redak­teu­rinnen und ihre vermutete Leser­schaft, als über den Film.

Rosen­mül­lers Blick aufs Leben ist die Haltung eines modernen Heimat­fil­mers, der Kino ausschließ­lich als Flucht­ma­schine versteht und im Prinzip nicht viel zu sagen hat, außer dass doch alles nicht so schlimm ist, man nett zuein­ander sein und nicht zuviel träumen sollte. Opas Kino, das vor 40 Jahren schon vom Ober­hau­sener Manifest für tot erklärt worden war, steht bei diesem Enkel wieder auf, glatter und technisch perfekter gemacht, aber kein bisschen inter­es­santer – und getunkt in viel Bieder­meier-Moral. Die Jungen, das gilt für Rosen­müller, wie für seine Figuren, sind viel konser­va­tiver als die Alten.

Dabei merkt man dem hölzernen und eindi­men­sio­nalen Stil der Insze­nie­rung dieses ober­fläch­li­chen Geplän­kels doch immer seine TV-Herkunft an: Wie im Bauern­theater der 50er Jahre hat jede Figur ihre Funktion und bleibt von Anfang bis Ende unver­än­dert gleich. Keine Szene sagt mehr als sie zeigt, kein Bild hat ein Geheimnis.

Ist das nun und Rosen­mül­lers breiter Erfolg der neue »Charme des Regio­nalen«, wie Margret Köhler im Film­dienst behauptet, oder doch eher die Bequem­lich­keit der Kritik und die Phan­ta­sie­lo­sig­keit des Publikums? Absurd jeden­falls, wenn der eine oder andere dies ober­fläch­liche Geplänkel dann mit den Filmen Hans Stein­bich­lers, oder gar mit der »Berliner Schule« gleich­setzen will, wenn nun gleich von einer Renais­sance des Heimat­films schwa­dro­niert wird. Eine leere Behaup­tung, die gut klingt. Münchner Lokal­pa­trioten mögen sich zwar wünschen, dass es hier einen »Neuen Heimat­film« geben würde, aber ihn einfach mal kurz auszu­rufen, genügt dann doch nicht. Und bei Rosen­müller ist es erst mal der ganz alte.