Frankreich/Belgien 2020 · 89 min. · FSK: ab 6 Regie: Jeremy Degruson, Ben Stassen Drehbuch: Cal Brunker, Bob Barlen Musik: Puggy |
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Familie mal anders... | ||
(Foto: Splendid/24 Bilder) |
Sieht man den Zustand der Welt aus der Umweltperspektive, ist die Welt eigentlich schon verloren, sieht man die jetzige Politikergeneration und ihre nichtsdestotrotz faulen Kompromisse, kann einen die Wut packen, erst recht, wenn man in seiner Betrachtung noch die unbeirrt weiter sauenden Großkonzerne und die breiten Massen der Bevölkerung hinzuzieht, die erst dann anders wählen werden, wenn nicht nur das Ahrtal überschwemmt wird, sondern halb Deutschland versunken ist.
Doch ganz so hoffnungslos ist die Lage vielleicht doch nicht. Denn sieht man sich die Politisierung des Kinderfilms in den letzten Jahren an, kann es gut sein, dass über diesen film-pädagogischen Umweg eine neue »Generation Widerstand« heranwächst. Denn Filme für die ganz Kleinen wie Latte Igel und der magische Wasserstein oder Die Pfefferkörner und der Fluch des Schwarzen Königs für die Älteren klären nicht nur transparent über Ressourcenknappheit und Umweltsünden auf, sondern vermitteln auch sehr explizit, wie Widerstand gegen übermächtige und uneinsichtige Kräfte möglich ist.
Auch der nun schon zweite Bigfoot-Film, Bigfoot Junior – Ein tierisch verrückter Familientrip, nimmt sich des Themas Umwelt und Widerstand an. Und zwar nicht nur radikaler als im ersten Teil, in Bigfoot Junior, in dem es zentral um die Suche nach dem verlorenen Vater und die Reaktivierung der Kernfamilie ging, sondern auch im Vergleich zu anderen Filmen dieses jungen Genres.
Die französisch-belgische Co-Produktion unter der Regie von Ben Stassen und Jeremy Degruson stellt zwar erneut die Familie ins Zentrum und lässt auch abermals den Vater verschwinden, doch der eigentliche Kern dieser manchmal etwas lieblos oder nachlässig, aber wahrscheinlich nur unterfinanziert animierten Erzählung ist die Konfrontation mit einem Ölkonzern, der unter fadenscheiniger Öko-Werbung verspricht, ein kanadisches Tal umweltschonend von seinen Erdölreserven zu »befreien«. So wie Peter Buwalda in seinem gerade erschienenen Roman Otmars Söhne den Shell-Konzern demaskiert, so scheint Bigfoot Family ebenfalls einen wunden Nerv getroffen zu haben, denn nach der Veröffentlichung des Films auf Netflix in den USA und Kanada griff das Canadian Energy Centre Netflix an und mahnte, dass mit solchen Geschichten Kinder gehirngewaschen würden, da hier bei weitem nicht differenziert genug erzählt sei, die Erdölindustrie tatsächlich nicht der Buhmann sei, als der sie hier abqualifiziert werde.
Das sollte allein schon Grund genug sein, sich den Film anzusehen. Aber auch ohne diese dankbare Werbung erzählt Bigfoot äußerst spannend nicht nur wie Lobby-Arbeit einer Organisation wie des Canadian Energy Centre funktioniert, sondern zeigt sehr drastisch auch die Folgen der unausrottbaren Doppelmoral in Wirtschaft und Politik. Doch statt nur auf die Zerstörung zu fokussieren, bietet Bigfoot über die porträtierte Kleinfamilie und Freunde ein Gegenmodell an, das Hoffnung macht, dass selbst Widerstand im Kleinen das Große ins Wanken bringen kann, dass selbst die kleine Axt den großen Baum fällen kann, so wie das vergangenen Dezember Steve McQueen in seiner Serien-Anthologie Small Axe ebenfalls sehr explizit für ein »erwachsenes« Publikum gezeigt hat und zu dem gleichen Schluss wie auch Bigfoot kam: Widerstand ist nicht nur immer möglich, er lohnt sich auch immer.
Bigfoot erzählt all dies alles andere als platt, sondern gibt sich Mühe, auch wirklich Familienfilm zu sein. Mit Anspielungen auf Klassiker des Zeichentrickfilms wie Ice Age, Tiere in einer »Familienarche« (siehe Ooops! 2 – Land in Sicht) und dysfunktionale Familienverhältnisse, aber mehr noch über eine mit hohem Tempo angetriebene (Öko-)Thriller-Handlung ist dies ohne Zweifel auch ein Film für Erwachsene, was man noch einmal deutlicher sieht, wenn man sich den Film »übersetzt« in einen Real-Film vorstellt. Doch könnte es gerade auch diese Wucht und Unwucht sein, die auch die Kleinen am Ende animiert, nicht nur nach Kompromissen zu suchen, sondern sich in der Not auch zu wehren und mehr noch: damit die Handlungsinitiative zu übernehmen. Und unsere Welt zu retten.