Mekkin Histri |
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Widerstand wird belohnt – unter anderem mit einem Happy End wie in Teil 2 von Small Axe, in Lovers Rock | ||
(Foto: Amazon Prime Video) |
Von Axel Timo Purr
Inglan is a bitch
dere’s no escapin it
Inglan is a bitch
is whey wi a goh dhu ‚bout it?
– Lynton Kwesi Johnson
Es war ein gutes Serienjahr, ein Jahr der ungewöhnlichen, überraschenden Höhepunkte, ein Jahr, das einem das Gefühl gab, dass das Internet wirklich unerschöpflich und einfach nicht leerzugucken ist. Sei es die als Romcom getarnte hochpolitische, koreanische Serie Crash Landing on You, sei es das panafrikanische Wunder Queen Sono oder die den Nahost-Konflikt in neue Dimensionen überführende dritte Staffel von Fauda, das universelle Gesamtpaket von The Queen’s Gambit oder der rohe Diamant Liebe und Anarchie.
Eigentlich kaum zu glauben, dass diese Vielfalt noch überboten werden könnte. Doch als Ende 2020 an fünf Sonntagen auf BBC One die Serien-Anthologie Small Axe ausgestrahlt wurde und gleich darauf ohne Werbung, Prime-Bonus und Untertitel weltweit auf Amazons Streaming-Dienst versenkt wurde, war klar, dass es sehr wohl noch sehr viel besser geht. Was im Grunde kaum überrascht, wenn man weiß, dass der britische Regisseur Steve McQueen für Drehbuch, Produktion und Regie verantwortlich zeichnet. Steve McQueen, wir erinnern uns, hat nicht nur vor zwei Jahren mit seinem ungewöhnlichen Heist-Thriller Widows kongenial Identitäten und die Suche danach hinterfragt, sondern auch in seinem Oscar-prämierten 12 Years a Slave (2013), in Shame (2011) und Hunger (2008) private, politische und nicht zuletzt »schwarze« und »weibliche« Identitätsbildung in all ihren vorder- und abgründigen Nuancen dargestellt.
In Small Axe geht McQueen noch einen Schritt weiter. Oder besser: wirken plötzlich all seine bisherigen Filme wie Handübungen, um endlich die eigene, ganz persönliche Identitätsbildung in den Griff zu bekommen und erzählen zu können, die Geschichte und Lebenslinien afro-karibischer Einwanderer in London zwischen 1968 und 1985, die auch Teil von McQueens eigener Geschichte ist, der 1969 als Sohn afro-karibischer Eltern in London zur Welt kam.
McQueen wählt für seine fünf Filme fünf Perspektiven, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die durch keine weitererzählte Geschichte verbunden werden, sondern durch das titelgebende jamaikanische Sprichwort und dessen Verwendung in Bob Marleys Song Small Axe verschmolzen sind: »If you are the big, big tree, Let me tell you that: we are the small axe, Ready to cut you down.« Also Widerstand. Widerstand in allen Facetten lernen und praktizieren. Sich im Widerstand, und wenn er auch noch so klein ist, gegen eine Übermacht solidarisieren und dabei die eigene, verlorene Identität finden. Das erinnert in Ansätzen an Julia von Heinz' Und morgen die ganze Welt, und ist doch ganz anders.
Denn McQueen lässt einen multiperspektivischen Ansatz zu, der allein schon in der Abfolge und als Inhaltsskizze verblüfft: Der erste und längste Film »Mangrove« erzählt über den Mikrokosmos eines Restaurants vom Kampf der afro-karibischen Einwanderer gegen Polizeigewalt und -willkür; »Lovers Rock«, der einzige Film, der keine historischen Ereignisse thematisiert, begleitet eine junge Frau beim heimlichen Besuch einer Party; »Alex Wheatle« ist das Porträt des gleichnamigen, realen Schriftstellers als junger Mann, »Red, White and Blue« stellt einen afro-karibischen Polizeianwärter in den Mittelpunkt und in »Education« wird das rassistische Schulsystem Englands hinterfragt.
Aber so wie die inhaltlich so diversen Mikrokosmen, über die McQueen eine ganze Gesellschaft erklärt, so divers sind auch die musikalischen und filmästhetischen Blickwinkel, die in Small Axe aufgeboten werden, um so etwas wie historische Authentizität zu erzeugen. So besitzt jeder Film seine eigene musikalische Identität, erzählt »Lovers Rock« nicht nur einen Party-Abend, sondern auch die Geschichte eines ganz eigenen Reggae-Stils, eben Lovers-Rock-Reggae, wird in »Alex Wheatle« das Subgenre Roots-Reggae eingebunden und in »Red, White and Blue« tauchen plötzlich vermehrt Soul-Elemente auf. Zu verdanken ist dieses musikalische Erweckungserlebnis dem Music Supervisor von Small Axe, Ed Bailie, der den Musiker Dennis Bovell mit ins Boot holte, der als in Barbados geborener Gitarrist, Bassist und Plattenproduzent für seine jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dem jamaikanischen Dub-Poeten, Musiker und politischen Aktivisten Linton Kwesi Johnson bekannt ist.
Diese musikalische Identitätsbildung der Filmreihe wird fast genauso akribisch auf die Filmästhetik übertragen, hat auch hier McQueen über die Kollaboration mit einem großen Talent – in diesem Fall mit dem Autodidakten Shabier Kirchner hinter der Kamera – großes geleistet, ist »Mangrove« etwa in einem wundervoll feinkörnigen 35mm gedreht (das sogar auf 6.5 Inch kleinen Bildschirmen brilliert), befand sich die Kamera für die intensiven Partyszenen von »Lovers Rock« in einer an Kirchners Rücken befestigten Aufhängung über seinem Kopf, was ihm im Beinbereich die nötige Bewegungsfreiheit während der Partyszenen und den Schauspielern den unbedingt wichtigen Bewegungsradius für ekstatische und freie Moves ermöglichte. »Red, White and Blue« gibt sich dann in fast elegischen, multiperspektiven Porträt-Kaskaden dem 35mm-Format hin, die dann radikal mit den 16mm von »Education« gebrochen werden, die das BBC-Schulfernsehformat der 1970er Jahre zitieren.
Neben der Musik und Filmästhetik ist die Sprache von Small Axe der vielleicht wichtigste Faktor, der von McQueen ins Spiel gebracht wird, um die afro-karibische Identitätsbildung in London zu charakterisieren. Wie hier mit allen Formen des Jamaican Patois gespielt wird, und den »britisch sozialisierten« Übergängen zum Standard-Englisch, wie der opulente Wortschatz des Patois mit seinen abschließenden, schlangenähnlichen plosiven Zischlauten präsentiert wird, ist schon sprachlich ein Kunstwerk, das eine ganz eigene »Migrationsgeschichte« erzählt, die umso aufregender ist, als es neben das in der Londoner Polizei zu dieser Zeit dominierende Cockney-Englisch gestellt wird und damit durch wenige Dialoge Bildungshorizontwelten aufeinanderprallen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die nicht einmal durch das Hoch-Englisch an den Gerichten wirklich in ihrer Konfrontation befriedet werden können. Damit erzählen auch die gesprochenen Sprachen in Small Axe etwas von den Möglichkeiten und der Tragik des Widerstands, in einer Intensität und Dichte, die so bislang noch nicht zu sehen war. Umso unverständlicher ist Amazons nachlässiges Kuratieren von Small Axe: sind die ersten vier Filme nicht einmal in Standard-Englisch und der fünfte Teil dann völlig falsch untertitelt.
Aber auch ohne die fehlenden Untertitel und Amazons schwer nachvollziehbare Politik, diese Filmreihe eher zu »versenken« statt zu »verkaufen«, bleibt zu hoffen, dass Small Axe das große Publikum findet, das McQueen über die Ausstrahlung auf BBC One immerhin für das englische Publikum erreicht hat, das fünf Filme an fünf Sonntagen hat sehen können, die sich wie eine Pentachoron-Gemäldegruppe über das kleine Einzelne zu einem großen Ganzen fügen, die aber dennoch, jeder Film für sich, ganz eigene und ganz großartige Geschichten erzählen.
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Teil 1 – Mangrove (127 Minuten)
In »Mangrove« ist das die Geschichte des in Trinidad geborenen Frank Crichlow, der gerade im Londoner Stadtteil Notting Hill ein Restaurant, das »Mangrove«, eröffnet hat, aber schon schnell durch willkürliche Polizei-Razzien zur Zusammenarbeit mit politischen Black-Panther-Aktivisten gedrängt wird, obwohl er eigentlich ein Restaurant und keinen »Battle Room« führen wollte
McQueen findet für diese persönliche, politische Erweckung aufregende, unkonventionelle Bilder. Nicht nur über die wachsende, gerade im politischen Kern zerrissene »Community«, das Essen und die Gespräche, sondern auch über eine fast schon kunstvolle, politische Poesie. Sei es das nach einer brutalen Razzia in den Raum geschleuderte und in langsamen Spiralen auf dem Boden rotierende Abtropfsieb aus der Küche, das von Shabier Kirchner in einem langsam erstarrenden Stillleben fixiert wird, oder die architektonische Bildmontage des wachsenden, immer moderner werdenden London, die von Reggae-Beats unterlegt ist und die so wie das Abtropfsieb für Übergänge in eine Moderne steht, die nicht mehr aufzuhalten ist, so wie das legendäre Gerichtsdrama gegen die Mangrove Nine, das McQueen so effizient wie spannend zu einem Identitätsprozess formt wie er das bereits für Widows und die darin beteiligten »Witwen« getan hat.
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Teil 2 – Lovers Rock (70 Minuten)
Auch »Lovers Rock« ist eine Insel, ist eine Mikrowelt, über die die Makroebene, die ganze Gesellschaft erklärt wird. Aber »Lovers Rock« ist auch das Musical, das McQueen nach eigenen Aussagen schon immer machen wollte. Es ist der einzige Film der Reihe, der nicht auf historischen Ereignissen basiert, der aber dennoch Teil von McQueens persönlicher Geschichte ist. McQueen erinnert sich hier an seine Tante Molly als junges Mädchen, die damals nicht zu einer der im Zentrum des Films stehenden Partys gehen durfte, die allein schon deshalb stattfanden, weil Afro-Kariben in den offiziellen Diskos nicht gern gesehen wurden und Anfeindungen ausgesetzt waren.
»Lovers Rock« spielt in einer einzigen Nacht im Jahr 1980 und erzählt nicht nur den heimlichen Besuch seiner Tante einer Lovers Rock-Party, sondern erzählt über die auf der Party gespielten Songs auch von einer Spielart des Reggae, des Lovers Rock, die sich ab Mitte der 1970er Jahre von Großbritannien ausgehend entwickelte und in der Elemente von Soul und R&B mit Reggae-Groves verwoben und romantische Themen besungen wurden, die sich von den politisch-sozialkritischen oder spirituellen Themen der Rastafari-Bewegung abgrenzten.
Gleichzeitig machen McQueen und sein Team über die intensiven Tanz-Porträts auf der Party deutlich, dass selbst ein Lovers-Rock-Klassiker wie Janet Jays Silly Games nicht nur ein Liebeslied ist, sondern auch politisch interpretiert werden kann, es einfach alle satthaben, diese »silly games« nicht nur in der Liebe zu spielen – über eine Fastvergewaltigung ernüchternd illustriert – sondern auch in der gegenwärtigen Politik endlich etwas passieren muss.
Und was passieren muss, passieren kann, zeigt dann die Abschlussszene der Party (bevor Tante Molly wieder ins Fenster ihres elterlichen Hauses steigt), das wirklich fulminante Kunta Kinte von The Revolutionaries, das ohne Text zur Ekstase führt, einer auch gefährlichen Ekstase, einer, die nicht nur zu einem völlig den Kopf verlierenden Tanzen, sondern auch zu so etwas wie das von Ngũgĩ wa Thiong’o proklamierte Decolonising the Mind führen kann. Ein großer Moment, der mit einer Kamera in Szene gesetzt, die Explosion und Implosion zugleich ist, die ganz transzendentale Musik ist, aber dann doch ein Auge ist, das alles sieht, aber auch alles verzeiht.
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Teil 3 – Red, White and Blue (80 Minuten)
In »Red, White and Blue«, der thematisch und stilistisch nicht weiter von »Lovers Rock« entfernt sein könnte, spielt ein großartiger John Boyega den historischen Polizisten Leroy Logan, der für die London Metropolitan Police tätig war und die von Rassismen geprägte Einheit von innen heraus verändern wollte, nachdem er gesehen hatte, wie sein Vater von zwei Polizisten willkürlich zusammengeschlagen worden war. McQueen verschmilzt Logans Biografie jedoch mit der seines Bruders, der nach seinem Universitätsabschluss ebenfalls zur Metropolitan Police ging, um etwas zu verändern, den Polizeidienst jedoch zwei Jahre später frustriert wieder quittierte.
McQueen führt diese Lebenslinienpartikel zu einem unheimlichen, kaum zu ertragenden Ganzen zusammen. Denn er zeigt nicht nur die Rassismen, die auf die karibische Community einwirken, sondern porträtiert eine fast schon tragische Überassimilierung der Gemeinschaft, die über Wohnzimmereinrichtungen bis zur gespielten Musik und einer puritanischen, sehr britischen Sexualmoral versucht, verzweifelt Teil der englischen Gesellschaft zu sein und doch gleichzeitig eine gesunde Distanz zu wahren. Aber mit dem Ausscheren der eigenen Kinder aus diesem Konzept kaum umgehen kann, so wie Logans Vater, der sich zwar versucht anzupassen, in seinen Abgrenzungsbestrebungen jedoch radikaler als der eigene Sohn ist und ihm lange nicht verzeihen kann, »überzulaufen« und Polizist werden zu wollen.
Wie es Logans Vater dann doch gelingt, auf den Sohn zuzugehen, wie er ihn bis zur Ausbildungsakademie begleitet und wie die Kamera aus dem Auto heraus die beiden Männer umfasst, in einer fast so distanziert wie intimen Einstellung, und einem Song, der diese Szene noch einmal intensiviert, ist so überraschend wie großartig und schön, ist ein Bild, das wie ein Kunstwerk Geschichten neben der Geschichte erzählt. So wie auch die poetische Abschlussszene des Films, nachdem Logan nach bittersten Erfahrungen von polizeiinternem, institutionellem Rassismus ein Jugendzentrum besucht und die Autos klauenden Jugendlichen dort Jugendliche sein lässt und stattdessen mit seinen Blicken einem Vogelschwarm über einem Wald folgt, immer wieder, und immer länger.
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Teil 4 – Alex Wheatle (66 Minuten)
Institutionellem Rassismus ist auch der spätere Schriftsteller Alex Wheatle in einem Kinderheim ausgesetzt. Fehlende Impulskontrolle wird mit Zwangsjacke und einsamer Verbannung in einer leeren Turnhalle bestraft. Auch hier nimmt sich die Kamera Zeit, um die Zurückweisung von Person und Hautfarbe vor allem gegen das Leben zu positionieren, was dann folgt, ein Leben in Brixton, ein Leben für die Musik, und die Literatur, die allerdings erst über einen Gefängnisaufenthalt und einen Rastafari-Zellengenossen zu Wheatle kommt, der ihm klar macht, dass Bildung die einzige Chance ist, die er in diesem Leben hat und zwar eine Bildung, die sich auch der Wurzeln afro-karibischer Kultur annimmt und Bücher wie C. L. R. James The Black Jacobins auf den Kanon setzt.
Doch neben kurzen Buchzitaten porträtiert McQueen afro-karibische Kultur in diesem Teil vor allem über Musik und gesprochene Sprache, und das mit einer Lust und »Fabulierfreude«, die sich nicht nur auf sprachliche Initiationsriten oder audiovisuelles »Auskosten« von Blacker Dread’s legendärem Reggae-Plattenladen beschränken, sondern auch eine Fotocollage über das New Cross Fire von 1981 integriert, die mit einer gesprochenen Version von Lynton Kwesi Johnsons New Crass Massahkah unterlegt ist und so wie es hier präsentiert ist, eine große Videoinstallation in jedem renommierten Museum sein könnte, weil sie auf ambivalente Weise deutlich macht, wie sehr diese Tragödie letztendlich zur Identitätsbildung der so zerrissenen afro-karibischen Gemeinschaft beigetragen hat.
Und einmal mehr deutlich wird, dass wir in Small Axe einem Prozess selbstermächtigter Geschichtsschreibung beiwohnen, um Gegenwart und Zukunft in einem zu retten, ganz so wie es Alex »Rastafari-Zellengenosse Simeon erklärt und einfordert: ›You see if you don’t know your past you won’t know your future...‹.«
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Teil 5 – Education (63 Minuten)
Wie schwer es allerdings ist, diesen Anspruch nach selbstermächtigter Geschichtsschreibung in einem ganz normalen Arbeitsalltag und ohne einen gebildeten Zellengenossen überhaupt nur in Ansätzen zu realisieren, davon erzählt der kürzeste und emotionalste Film dieser Anthologie. Auch hier hat McQueen autobiografische Elemente verarbeitet, denn so wie McQueen leidet auch der 12-jährige Kingsley an einer Lese-Rechtschreibschwäche, die ihm zusammen mit einem Intelligenztest zum Verhängnis wird – und er kurzum auf eine Schule geschickt wird, die sich seiner Probleme besser annehmen kann.
Kingsley realisiert zwar schnell, dass es sich hier eher um eine Abschiebung handelt, aber seine von der Arbeit gestressten Eltern wollen nichts davon wissen. Erst über eine pädagogische Eigeninitiative des Black Education Movement ist Kingsleys Mutter bereit zu verstehen, dass nicht nur der Intelligenztest rassistisch konnotiert war, sondern es sich bei Kingsleys Schule um nichts anderes als eine sogenannte Educational Subnormal School handelt, eine Schulform, die alles andere als reformpädagogisch arbeitet, sondern Kinder mit migrantischem Hintergrund auf ein einfaches Leben im Niedriglohnbereich vorbereiten soll und von denen man nur dann eine Chance hatte wieder zu wechseln, wenn man sich über einen schriftlichen Einspruch gegen die Umschulung an die damalige Bildungsministerin Margaret Thatcher wandte.
Der Moment, in dem Kingsleys Mutter begreift, was mit Kingsley passiert und ihm zum ersten Mal bei seinen Vorleseversuchen zuhört und dabei versteht, dass nur Eigeninitiative und Widerstand ihren Sohn und ihre Familie retten können, ist dicht und »wortlos« und voll geballter, unterdrückter Emotionalität inszeniert, die die kommende Erweckung umso erlösender erscheinen lässt.
McQueen zeigt hier, was Widerstand auf kleinster Ebene bedeutet, beobachtet Kingsley in der Eigeninitiative »Samstagsschule«, in der neben faktischem vor allem Selbstbewusstsein und Widerstand gegen ein ignorantes Bildungssystem trainiert wird und im Fall der afro-karibischen Community auch die eigene Geschichte erläutert wird, die wir bereits in »Alex Wheatle« angedeutet bekommen hatten.
Indem McQueen in einer Badewannenszene mit Kingsley ganz offensichtlich eine fast identische Szene aus Barry Jenkins' Moonlight zitiert, wird allerdings auch deutlich, dass McQueen über das England der 1960er, 1970er und 1980er hinausweisen will, dass schwarze Selbstermächtigung und Identitätsbildung, Widerstand hier wir dort, ja eigentlich überall, notwendig ist, um Dinge zu ändern. Immer wieder. Und dann noch einmal. Ein Widerstandgeist, der so stark ist, dass McQueen auch gleich die klassische Dichotomie zwischen Kino und Fernsehen, zwischen Film und Serie sprengt.
Zum Abschluss zeigt McQueen in einer der vielleicht berührendsten Szenen dieser Filmreihe, dass dieser Widerstand gegenüber alten gesellschaftlichen Ritualen und neuen Ritualisierungen des Lebens aber auch belohnt wird, und sei die Axt, mit der er geleistet wird, auch noch so klein. Dass Belohnung nicht immer gleich die ganze Geschichte sein muss, so wie es Lynton Kwesi Johnson in Mekkin Histri (Making History) besang – It is noh mistri / Wi mekkin histri / It is noh mistri / Wi winnin victri – sondern einfach auch »nur« bedeuten kann, dass das eigene Kind plötzlich lesen kann. Ein Moment, der schöner, präziser und subtiler nicht hätte sein können und McQueens Small Axe nicht besser hätte beschließen können.
Small Axe ist auf Amazon Prime und Google Play abrufbar.