USA 2022 · 125 min. · FSK: ab 12 Regie: Jaume Collet-Serra Drehbuch: Adam Sztykiel, Rory Haines, Sohrab Noshirvani Kamera: Lawrence Sher Darsteller: Dwayne Johnson, Sarah Shahi, Viola Davis, Pierce Brosnan, Noah Centineo u.a. |
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Superheld mit Selbsterkenntnispotential | ||
(Foto: Warner Bros.) |
„Ein schlechter Plan ist besser als keiner.“
– Hawkman in Black Adam»I see a red door
And I want it painted black
No colors anymore
I want them to turn black«
– Paint it black, The Rolling Stones
Wer ein wenig genervt vom Heldenkosmos Marvels ist, weil er als Neueinsteiger bei all den Anspielungen und aufeinander referenzierenden Filmen nur noch in Ansätzen versteht, was da eigentlich passiert, kann aufatmen. Im DC Extended Universe, das von Warner ein wenig vernachlässigend kuratiert wird und träge dahindümpelt, gab es zwar mal den Man of Steel, und ein wenig erratisch Aquaman, Justice League, The Suicide Squad und ein paar andere und vor kurzem den schon fertigen Batwoman 3-Film, der dann aber sang- und klanglos nach Fertigstellung eingestampft wurde. Und natürlich den großen Erfolg der Captain Marvel-Geschichte Shazam! (2019), die ja eigentlich mit dem großen Widersacher von Captain Marvel, dem großen, 1945 erstmals als Comic erschienenen Black Adam aufbereitet werden sollte. Einem der widersprüchlichsten Helden, weil er seine Amoralität genüsslich und ganz in Goethes Sinn auslebt, weil er ein Teil von jener Kraft ist, die stets das Böse will und dann doch irgendwie das Gute schafft.
Dieser Gedanke war natürlich gerade nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen Dämonen, die gerade nicht das Gute geschaffen haben, eine willkommene Neuschreibung der Geschichte und passt gerade in heutigen Zeiten mit ihren autokratisch-populistischen Tendenzen wie die Faust aufs Auge, weil sie die Hoffnung weckt, das Böse mit den eigenen Waffen schlagen zu können. Kein Wunder also, dass Dwayne Johnson, der ehemalige Wrestler und in seinen späteren Filmen stets angenehm selbstironisch auftretende Action-Held, schon sehr früh eine Affinität für diese Rolle entwickelte und dann auch durchsetzte, die Geschichte von Captain Marvel und Black Adam getrennt zu erzählen, weshalb man Black Adam nun also als Spin-off von Shazam! verstehen kann.
Doch anders als bei ähnlich konzipierten Marvel-Filmen, ist hier kein Vorwissen notwendig, muss man also Shazam! nicht gesehen haben, um Black Adam zu verstehen.
Das liegt zum einen an der doch recht vorhersehbaren und klar gestrickten Story, die sich keine doppelten Böden leistet und eben nicht in das in den letzten Jahren schon fast inflationäre Überlängesymptom ausartet. Denn in nur zwei Stunden erzählt Regisseur Jaume Collet-Serra (Jungle Cruise, The Commuter) die »Wiederauferstehung« eines vor 5000 Jahren einkerkerten Anti-Helden, der sich mit der Ungerechtigkeit der Gegenwart auseinandersetzen muss, die komplizierter nicht sein könnte. Denn seine alte Heimat ist vielleicht kein Sklavenstaat mehr, gegen den sich der ehemalige Sklave damals aufgelehnt hatte, wird aber nun von einem multinationalen Konzern auf andere Weise »versklavt«. Teth-Adam (so sein indigener Name) hat diese Erkenntnis schnell verdaut, schwieriger ist es allerdings für Adam zu verstehen, dass in unserer Gegenwart mit anderen Waffen und Werten gekämpft wird, böse Konzerne selbst von der legendären Justice Society of America nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Das ist natürlich offensichtlichste Kritik an heutigen politischen Strukturen und wird auch im übrigen Plot demonstrativ verhandelt.
Zu Anfang ist es noch Black Adam, der sich wie einst Antonionis Held in Identifikation einer Frau zwischen zwei »Persönlichkeiten« entscheiden muss, dem Gut oder dem Böse, der lernen muss, zu richten ohne zu töten, der seine Verletzungen in einem anderen Leben erst therapeutisch aufarbeiten muss, um am Ende eine neue Identität zu finden, mit der sich dann sogar der ihm zugestandene Thron »falsch« anfühlt. In seiner Verwandlung hilft ihm allerdings, dass selbst die gegen ihn ausgesandten Helden der Justice Society Suchende, tumbe Superhelden sind, die alles andere als sicher sind, ob sie sich auf dem richtigen Weg befinden und die so wie Black Adam in diesem Film ein großes Coming-of-Age-Fest erleben, von dem keiner ausgenommen ist, nicht einmal der altersweise Doctor Fate (Pierce Brosnan), der immer wieder Dechiffrierungsprobleme mit Adams Sarkasmus hat, und nicht nur dadurch deutlich wird, dass tatsächlich nicht jeder Mensch zum Superhelden taugt.
Zwar wird dies immer wieder gelungen komödiantisch und grotesk aufbereitet, und wer Dwayne Johnson in seinem letzten Fast & Furious-Installment F9 oder Jumanji: Willkommen im Dschungel gesehen hat, ahnt, was das bedeutet. Doch im Kern schwingt hier ein ungeahnter Pessimismus mit, den wir ja auch aus der Politik kennen, dass letztendlich jeder Mensch, kaum dass er die Macht hat, korrumpiert werden kann, egal in welcher Position er ist, als Politiker ebenso wie als Vorsitzender eines Vereins wie der FIFA. Und es Helden nun mal nicht anders geht, und sie das, so wie Politiker, nur allzu ungern zugeben. Bis auf Adam, der sich diese Schwäche nicht nur eingesteht, sondern sogar auf dieser Erkenntnis besteht und zum Helden erst überredet werden muss. Der sogar in seiner Körpersprache, seinen im Schweben linkisch trippelnden, suchenden Schrittfolgen aus der Balance zu geraten droht.
Auch sonst wartet der auf der Oberfläche mit Superheldenkonfrontationen nur so explodierende Film immer wieder mit überraschend stillen und einsichtigen Momenten auf, wird gefragt, warum Menschen behaupten, von Göttern geschaffen worden zu sein, um sie dann umzubringen, wird angedeutet, dass anarchistischer Widerstand letztendlich die einzige Waffe ist, die Menschen irgendwann bleibt, um das korrupte, politische System neu zu starten. Und der vor allem das Gutsein in unserer postmodernen, technokratischen Welt hinterfragt, in der es nicht mehr ausreicht, gut zu sein, um die Welt zu retten. Und deshalb nicht nur Superhelden umdenken und einen Paradigmenwechsel anstreben müssen, sondern auch die Menschen, die ihre Superhelden auf den erstbesten Thron hieven wollen.
Und dann ist da natürlich noch der Tribut an die DC-Comic-Welt, die bei weitem nicht so liebevoll manisch ausfällt wie in Marvels animiertem Meisterwerk Spider-Man: A New Universe (2018), aber dennoch: wie die erste Kampfszene Adams in den Bergen mit Paint it Black von den Rolling Stones unterlegt wird und Schraffuren, Schnitte und Bewegungen dem Stil der alten Comics nachempfunden und gleichzeitig Referenzräume zum Wahnsinn des Vietnamkriegs geöffnet werden und damit dem Film seine Grundierung geben und wie dann auch noch in der üblichen Mid-Credit-Sequenz ein ganz anderes Kapitel eröffnet wird, bekommt man eine Ahnung davon, dass der Film noch viel mehr hätte sein können.