Blade II

USA 2002 · 100 min. · FSK: ab 18
Regie: Guillermo Del Toro
Drehbuch: , ,
Kamera: Gabriel Beristan
Darsteller: Wesley Snipes, Kris Kristofferson, Norman Reedus, Leonor Varela u.a.
Wesley Snipes

Prag. Die tiefste Nacht. Und darum der Tod des Lebens

Blade 2 – Ein inner­li­cher Film, Ausdruck von Gefühlen

Drivin' thru darkness / Durch die Dunkel­heit fahren... fast den ganzen Film hindurch, doch zu Beginn auch auf Motor­rä­dern. Wesley Snipes' Blade – er ist noch immer der daywalker, also ein dem Tages­licht trot­zender Vampir­jäger, der doch selber ein halber Vampir ist... – Blade schlägt von solchen die reinen Vampire herunter. Ein Ballett auf engem Raum ist das geworden, in den Gassen von Prag, wo in Mission: Impos­sible II noch die Weite war und das Motor­rad­duell an einem kali­for­ni­schen Strand stattfand.
Über John Carpen­ters klas­si­zis­ti­schen Dramen­film Vampires hat Michael Althen geschrieben, es gäbe da »eine Ruhe und Klarheit der Bewe­gungen«, »entschlos­sene(s), kundige(s) Handeln der Vampir­jäger, die Präzision ihrer Arbeit«. Diese Formu­lie­rungen, die damals zu Howard Hawks hin wollten (wie der Profis filmte bei der Erle­di­gung eines Jobs), treffen auch bei Guillermo del Toros Film. Schon in der ersten Ausein­an­der­set­zung (aller­dings in einem schnel­leren Kontext): Blades Tanz in dem Ballett, in dem er der Star ist und allein er weiß, wo seine vampi­ri­schen Mitspieler sich im nächsten Augen­blick befinden werden. Eine Zirkel­be­we­gung später: Schon steckt in ihnen die silberne Klinge des Samu­rai­schwertes, zerfallen sie – im hellen Licht des letzten Lebens­hauchs – zu Asche und zu Staub.

Hell is inside them / Die Hölle ist in ihnen... und aus Blades Vater­freund Whistler (gespielt von Kris Kristof­ferson) muss sie erst heraus­ge­trieben werden. Er war unter die Vampire gefallen, ohne je der Errettung zu harren, die Blade ihm dann beschied. Jetzt, da er wieder unter den Menschen ist, sollen die Vampire plötzlich nicht mehr die Gegner sein: Sie, die doch eigent­lich nur Leidende an einem Virus sind, haben in den Reapern einen neuen Feind gefunden, der, wenn er mit ihnen fertig ist, über die Menschen kommen wird. Deren Retter ist Blade – so sieht er sich uner­wartet an der Seite der Blut­trinker gegen die Reaper kämpfen.
Das blood pack neben ihm ist Kreation der Film­ge­schichte. Eine bunte Schar von Vampiren: isolierte Helden ihrer Welt wie die glor­rei­chen Sieben, und wie diese durch die Verschie­den­ar­tig­keit gekenn­zeichnet (daher sind sie Super­helden); Arbeiter gegen den Feind wie die Jäger in Vampires; und sowieso ein dreckiges Dutzend – das heißt, sie werden weniger von Mal zu Mal. Zwei Jahre sind sie für den Ernstfall trainiert worden. Doch der sah zunächst Blade als Ziel vor. Das bedeutet den Konflikt.
Seinen eigenen Leuten kann er jedoch bald eben­so­wenig trauen – zwei Bilder: Whistler hält sich die Hand ganz besonders vors Gesicht, als er an den im gleißenden Licht des Schweiß­gerätes stehenden Scud heran­tritt; dieser widmet dem Blut, daß er gerade gespuckt hat, wohl etwas zuviel Aufmerk­sam­keit.
Sie alle sind schön anzusehen, im Gegensatz zu den Reapers, die mir vorge­kommen sind, als wäre vom alten Nosferatu noch eine Zombie­ver­sion denkbar. Den Welt­ver­schie­bern der Dark City sind sie nicht ganz unähnlich (das war ein anderes dunkles Drehbuch von David S. Goyer, der auch The Crow geschrieben hat). Sie sind außerdem alle gekleidet wie Penner – die kläglich Mächtigen. Ein reiner Nosferatu, das ist das Oberhaupt der Vampire: Er hat die pure weiße Haut, die Glatze und die demuts­vollen Bewe­gungen. Sein Darsteller – del Toro treibt weiter Kino­spiele mit uns – ist Deutscher wie Max Schreck (in Murnaus Klassiker) und Kinski (in Werner Herzogs Film).

more than ever / mehr als jemals... Auf Körper­in­halte haben wir gefasst sein müssen. Aber nicht allein das Blut des ersten Films, nein: Die schlimmsten Innereien aus Alien, Species und den Mangas. Ich glaube, das Fachwort ist »gore«. Doch zurück zum Schönen –
Die Vampire, die sich küssen, haben zuvor eine Rasier­klinge in den Mund genommen.
Dann nimmt die Tragödie ihren Lauf. Der Vater, der gleichsam Oberhaupt seiner Familie wie der gesamten Vampir­welt ist. Seine Tochter, die eine Rebellion gegen ihn anfängt, weil ihre Liebe dessen gefähr­lichstem Gegner gilt. Ihr Bruder, der ebenso rebel­liert, nachdem er vom Vater hinter­gangen wurde, weil dieser – um allen Vampiren zu helfen – das Wohl seiner Familie aufs Spiel setzte und ein gefähr­li­ches Expe­ri­ment wagte. Das Schicksal, das sie alle zusam­men­führt, so dass dieser Film – Blade 2 von Guillermo del Toro – entstehen konnte. Eine Intrige, die geführt wird gegen den, der doch nur helfen wollte: Der böse Geist greift, von hinten, den guten an. Und schließ­lich Verrat an allen Fronten.
Um die mutter­lose Familie mit dem Götter­vater herum gibt es auch die Schergen (wie eben die Helden), so wie es berichtet wird vom alten Grie­chen­land. Dennoch springen die Vampire umher gleich dem neuen Spider-Man und bewegen sich die Reaper nach Art der Affen auf Tim Burtons neuem Affen­planet.
Eine weit­ge­fächerte Ästhetik, ein einzig­ar­tiger Film. Bilder, die dem Comic entsprungen sein könnten, der den Film inspi­rierte. Drehs in den Kata­komben der – wer weiß? – welt­wun­der­schönsten Stadt Prag (man weiß, hier lebte und kämpfte der Golem). Die Schnitte sind gegen die Bewegung geführt und in diese hinein: Es entsteht – wie eben schon vermeldet – Dynamik auf engstem Raum – reine Implosion: Ein verti­kales Ereignis. So kickt der Film sich selber in die Höhe. Und immer (es ist mir beim Sehen so gegangen), wenn ich denke – z.B.: Hey, da fehlt doch Kristof­ferson! Ein Schnitt und er ist im Bild. Wunder?

Blade out of blood / Blade aus dem Blut... Er taucht auf, wie die Monstren zu Tage treten in Apoca­lypse Now oder gleichsam in The Cell: Ästhe­tisch. Ein Held, gewaschen wie einst Siegfried, doch da war kein Eichen­blatt.
Und –
Lässt er sie vom Blute kosten,
Dass davor sein eignes war, doch –
Kann nichts tun und kann nichts wenden:
Die Liebe er ans Licht verliert.

O wunder­voller Patho­s­krieg! Und ach: Einmal – in diesem Dunkel überall! – ist die Leinwand weiß
Das noch – Der Film ist der Kick; er enthält drei der trau­er­schönsten Liebes­tode des Kinos, jemals.