USA/D 2006 · 120 min. Regie: Brian de Palma Drehbuch: Josh Friedman Kamera: Vilmos Zsigmond Darsteller: Josh Hartnett, Aaron Eckhart, Scarlett Johansson, Hilary Swank u.a. |
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»Miss Short, this is a sad scene.« – Elisabeth Short wollte berühmt werden, und sie wurde es, wenn auch nicht so, wie sie es wollte. Als »schwarze Dahlie« ging sie in die Geschichte ein, eines der berühmtesten Mordopfer des 20. Jahrhunderts. Bis heute lässt der Fall nicht los, weniger, weil er als ungelöst gilt, als vielmehr, weil die Umstände der Tat von so grotesker Brutalität sind, dass sie eine Botschaft zu enthalten scheinen, die bis heute nicht entziffert ist. Auf Grundlage von James Ellroys berühmtem Roman hat nun Brian De Palma seine Version der »schwarzen Dahlie« verfilmt – eine grandiose Kinoreflexion über Hollywood und Leiden, über Voyeurismus und Obsession.
Mit Schlägen und einem handfesten Betrug geht sie schon los, diese bitterharte Männerkonkurrenz im Zentrum des Films, nur dürftig versteckt hinter den Masken einer Freundschaft. Dwight »Bucky« Bleichert (Josh Hartnett) heißt der Held, der die Geschichte aus dem Off erzählt, und mit dessen Überleben wir daher rechnen dürfen. Gleich zu Beginn muss er bei einem Boxkampf zwischen »Fire and Ice« einen starken Gegner geben und dann doch zum Schein verlieren – damit das Wahl-Kalkül des Polizeichef aufgeht. Seine Belohnung für den faulen Dienst: Eine Festanstellung beim LAPD. Sein Dienst-Partner dort wird Leland »Lee« Blanchard (Aaron Eckhart), den er zuvor gewinnen lassen musste, und der mit Kay überdies noch die Frau an seiner Seite hat, auf die auch Bucky scharf ist.
Scarlett Johannson spielt diese in einer ganz eigenartig unklaren Mischung als durchtrieben Naive. Weil Kay so blond ist, wie eine Frau nur sein kann, und Brian De Palma den ehernen Gesetzen des Film Noir die Treue hält, ist sie keine wirkliche Femme Fatale – den Part besorgt die Dunkelhaarige: Hilary Swank als zwielichtiges Millionärstöchterchen Madeleine. Kay, die irgendwann natürlich dann doch Madeleines Konkurrentin um Buckys Gunst werden wird, ist eher ein little girl lost, dass eigentlich nur von der bösen Welt erlöst werden will, um zuhause für ihren Liebsten Applepie zu backen.
Überhaupt ist The Black Dahlia eigentlich eine Erlösungsgeschichte: Über den jungen LAPD-Cop Bucky, der seine Karriere mit einem moralischen Fehltritt begann. Von dieser Schuld will er sich nun reinwaschen, indem er einen fürchterlichen Mord aufklärt. Mehr und mehr wird er dabei in einen permanenten inneren Ausnahmezustand geworfen, und von der jungen Frau besessen, die aus Unschuld und Zufall zum Opfer des Verbrechens wurde, und erst, indem er den Fall aufklärt, wird er sich selbst befreien.
»America was never innocent. ... You can’t lose what you lacked at conception.« (James Ellroy) – dass Brian De Palmas neuester Film das Filmprojekt der letzten Jahre ist, das vielleicht mit den meisten Vorschußlorbeeren versehen ist, liegt nicht allein am Regisseur, einem der interessantesten der Gegenwart. Es liegt zunächst einmal am Stoff selbst, James Ellroys Kriminalroman, der die Vorlage des Films bildet. 1987 erschienen wurde er prompt zum Bestseller und machte den Autor zum berühmten düsteren Popstar der US-Krimi-Literatur. Ellroy dessen stylische, brutale, zynische Krimis immer auch ein glänzend recherchiertes Stück Kulturgeschichte seiner Heimatstadt erzählen, bezieht sich darin auf einen realen Fall, eines der spektakulärsten Verbrechen der US-Kriminalgeschichte: Im Januar 1947 wurde eine auf Höhe des Nabels zweigeteilte, und auch sonst schrecklich zugerichtete Frauenleiche mitten in einem belebten Park von Los Angeles gefunden. Es handelte sich um die 22jährige Elisabeth Short, Möchtegernschauspielerin, und eine von tausenden Provinzschönheiten, die in der Umgebung der Traumfabrik gestrandet waren, in der zumeist vergeblichen Hoffnung auf Starruhm. Die Medien stürzten sich auf den Fall, vermarkteten monatelang jedes Detail. Schon am ersten Tag tauften sie die Leiche »die schwarze Dahlie«, ihrer Haare zuliebe und in Anlehnung an George Marshalls phänomenalen Film-Noir-Thriller The Blue Dahlia, der gerade in den Kinos lief. Auch bekannte Hollywoodpersönlichkeiten gehörten und gehören zu den Verdächtigen, sogar Orson Welles der berühmte Regisseur John Huston, der im Leben ein Sadist war und in Polanskis Neo-Noir Chinatown allzu glaubwürdig einen Mann spielt, der mit seiner Tochter ein Verhältnis hat, wird mit gar nicht so unglaubwürdigen Argumenten als potentieller Mitwisser genannt. Bis heute wurde er nicht befriedigend aufgeklärt. Gerade darum fasziniert der Fall noch nach 59 Jahren. Wilde Theorien kursieren bis heute, aber auch glaubhafte, pro Jahr erscheint in den USA ein neues Buch zum Thema.
Der Fall selbst ist also schon eng mit dem Kino und der Geschichte Hollywoods verbunden. Ellroys Roman über den jungen Cop, der zwischen zwei Frauen hin- und hergerissen, in persönlichem Wettbewerb mit seinem Freund und Partner steht, der ihn schließlich verrät, benutzt ihn als Hintergrund, entfaltet seine Facetten und präsentiert eine fiktive Lösung. Zudem beschreibt er Korruption und Gewalt auch innerhalb der Polizei der Stadt der Engel.
Einen zusätzlichen, ganz eigenen,
unvergleichlichen Drive erhält das Buch durch die persönliche Verstrickung Ellroys, dessen Mutter Jean Hilliker am 22. Juni 1958 unter in mancher Hinsicht erstaunlich ähnlichen Umständen ermordet wurde. Ellroy schrieb auch über diesen biografischen Fall: Das Sachbuch »Die Rothaarige«. »Elisabeth und meine Mutter vermischten sich mit den Jahren in meinem Kopf und wurden ein und diesselbe Person.« sagt der Autor heute.
Hinzu kommt nun noch die Vorgeschichte des Films, dem jahrelange
Kämpfe um die Person des Regisseurs – neben DePalma waren auch David Mamet (The Spanish Prisoner, Heist, Spartan) und David Fincher (Se7en, The Game, Fight Club, Panic Room) lange im Gespräch –, und die Verarbeitung des hoch gehandelten, aber ziemlich komplizierten Stoffes vorausgingen. Weil Ellroy mehr ist, als ein
normaler Krimiautor, weil seine Romane mehr bieten, vor allem mehr Details, zugleich auch eine Kulturgeschichte seiner Heimatstadt erzählen, musste ein Weg gefunden werden, diesen Ansatz zu bewahren, und den Stoff doch zugleich zugänglich und in Filmlänge erzählbar zu machen.
Diese Aufgabe ist Brian DePalma glänzend gelungen. Sachte, aber doch prägnant und überaus klug hat der Regisseur die Vorlage umgearbeitet, gestrafft, in Nuancen verändert, und dadurch den Gesamtakzent deutlicher auf die Filmindustrie und den Zustand der US-Gesellschaft nach dem Krieg gelegt. Zudem hat er dem Roman einen neuen, entscheidenden Erzählstrang hinzugefügt: In Rückblicken, auf kurzen Casting-Filmen, die den Ermittlern in die Hände fallen, ersteht die tote Elisabeth
Short wieder auf, gespielt von Mia Kirshner, einst die Peep-Show-Tänzerin in Egoyans Exotica, hier mitleiderregend, anrührend, heißkalt. Sie schaut in die Kamera, schickt sich quasi an, in sie hineinzukriechen, geschminkt, absurd kostümiert, flehend, bettelnd, verletzlich. »Don’t look in the Camera, Miss Short.« Sie verkauft sich, zeigt sich verwundbar, zeigt ihren Körper, und
wird an diesem am Ende tödlich verwundet werden. Ein glänzender Einfall.
Denn durch ihn hebt De Palma die Abstraktion auf, die mit diesem Mord verbunden ist. Auch der Film verschleiert nicht das Stilisierte dieser Tat, im Gegenteil: er betont es noch. Der Mord an der Dahlie war auch ein ästhetischer Akt, gerade in seiner Mischung aus Chirurgie, Zauberei, Stilwillen und Menschenverachtung scheint er etwas aussagen zu wollen, uns bis heute eine Botschaft zu übermitteln. Zumindest
ist er – allen späteren Taten und seiner Ausnahmestellung zum Trotz – »das« Bild für den Sexualmord. Dieser Mord ist eine Botschaft aus Zeichen in einer blutigen Sprache, die bis heute noch keiner befriedigend zu entschlüsseln vermochte. Gerade darum nährt er weiterhin unseren Willen zur Annäherung, zur Entschlüsselung, zur Aufklärung.
Wo die Annäherung aber versagt, ist die Tat selber. Was Elisabeth Short in den letzten Stunden ihres Lebens durchgemacht hat, ist so derart unvorstellbar, dass die Einbildungskraft hier nicht mehr mitgehen kann. Vor ihrem Tod wurde sie tagelang gefoltert, mit Messern, mit brennenden Zigaretten. Ihre Beine waren gebrochen worden, als sie noch lebte, und dann am Fundort merkwürdig gespreizt, wie die Statue eines modernen Künstlers. Daran erinnerte auch ihre Armhaltung, hinter dem
Kopf verschränkt, in der man Parallelen zu Man Rays Bild »Minotaur«, einem Torso mit erhobenen Armen, erkannt hat. Nachdem man sie in zwei Teile geschnitten hatte, hat man sie ausgeweidet wie ein Tier, hatte nur die Nieren im Körper gelassen, durch deren Untersuchung die Polizeiärzte dann feststellen konnten, dass Elisabeth Short keinen Alkohol im Blut hatte, und auch nicht betäubt worden war, während ihrer Tortur. Dann hatte man ihr auch alles Blut aus dem Leib gespült, sodass sich kein
Tropfen mehr im Körper fand, kein Tropfen am Fundort, weswegen die Leiche ganz weiß aussah, und von manchen im ersten Augenblick für eine Schaufensterpuppe gehalten wurde.
Das Schlimmste von allem aber ist ihr grausiges Grinsen. Bis zu beiden Ohren hatte man ihr die Mundwinkel aufgeschnitten, die Zähne zerschlagen, auch das bei lebendigem Leib. Zur Grimasse wirkt sie wie eine Schwester von Joker, dem Gegenspieler Batmans. Eine zersägte Jungfrau, ein fleischgewordener Comic
Realgewordene Ideen.
Machen wir uns klar: Sie ist keine Filmfiktion. Es gab sie wirklich! Es gab eine Frau, die das alles erlebt und erlitten hat. Es gab Elizabeth Short, 1,67 Meter, 53 Kilogramm, geboren am 29. Juli 1924, ermordet vermutlich in der Nacht vom 14. auf den 15. Januar 1947 in Los Angeles, weggelegt am Morgen ins Gras neben den Bürgersteig in Höhe Norton Avenue, Ecke 39. Straße, begraben auf dem Mountain View Friedhof in Oakland, Kalifornien. Und es gab einen Mensch,
der das alles getan hat. Der diese Folterungen vollzogen und mitangesehen hat, und der danach weiterlebte. Der Mörder spielte mit der Polizei. Er schrieb Briefe: »Catch me if you can«. Er rief an und sendete per Post die blutigen Kleidungsstücke der Dahlie. In seinem Wahnsinn und seinem Zynismus, seinem Stilwillen und in der absoluten Zweckfreiheit der Tat, ist es dem Mörder der Dahlie gelungen, dem Bösen Gestalt zu geben, über den Optimismus den Nachkriegszeit einen Schatten zu
werfen, den wir aus den Noir-Filmen kennen, und der bis heute nachwirkt. Ein Täter der ähnlich den Diktaturen des 20. Jahrhunderts versuchte, sein Opfer zu dehumanisieren und zum Objekt zu degradieren. Zumindest das ist ihm nicht gelungen. Elisabeth Short lebt. Sie lebt in unserer Erinnerung. Aber sie lebt durch diese Tat. Sie lebt als sein Werk. Auch eine Dialektik der Aufklärung.
In den fiktiven Casting-Bildern des Films entreißt De Palma Elisabeth Short den Polizeifotos. Er setzt sie in Bewegung, und verleiht ihr ewiges Leben, nicht als zeichenhafte Leiche, sondern als Mensch. Plötzlich kommt Elisabeth Short uns ganz nahe. Immer sehen wir zwar in der lebenden jungen Frau bereits die zukünftige Tote, in ihren Augen das unvorstellbare Martyrium, dass sie erleben wird, doch wir leiden auf eine Weise mit, in der wir dies nicht können, blickten wir nur auf die
entstellte Tote.
Ein Regisseur kommt natürlich auch vor in der Geschichte, und Brian De Palma wäre nicht Brian De Palma, würde er den in diesem Fall nicht selber spielen. Der letzte Geniestreich. Denn er lässt uns damit eintreten in den Film, verbindet den Film, der in den 40-er Jahren spielt, und in dem es einen Film im Film gibt, mit dem Heute. Und zeigt zugleich selten ehrlich die Doppelbödigkeit der Regisseursrolle – den auch De Palma profitiert ja von der Tat, wie das
Opfer.
The Black Dahlia entfaltet in altmodischen Sepiafarben ein fesselndes Panorama des L.A. von 1947. Wenn der Film einen Schwachpunkt hat, sind es die Schauspieler. Johansson macht zwar ein bisschen auf Veronica Lake, aber, mit Verlaub, das haut nicht hin, und Josh Hartnett ist ein nettes Jüngchen, aber als High-School-Beau in The Virgin Suicides
doch besser aufgehoben – er hat im Leben noch nicht in den Abgrund geschaut.
Die Bilder von Vilmos Zsigmond sind satt und elegant, wenn auch für Brian De Palma fast etwas zu elegant. Aber in zwei Momenten – neben den erwähnten Casting-Szenen – bricht er kurz aus den Konventionen eines Hollywood-Period-Picture aus: Zum einen, als er den Besuch Bucky bei Madeleines Familie zeigt: So schrill, dass es schon nicht mehr nur Satire ist. Ellroy hat die Dialoge schon so
geschrieben, das ist es also nicht, aber De Palma mischt hier visuell die groteske Nostalgie aus Sunset Blvd. mit dem klamottigen Horror der Adams-Family. Die zweite Szene ist der Augenblick des Leichenfunds. So wie der Filmschnitt trennt, so verbindet die Kamera. Und eine einzige grandiose Kamerafahrt, die alleine bereits den Besuch des ganzen Films wert ist, verbindet filmisch
überaus lehrreich, emotional wie selbstreflexiv die Ebenen, die Gegenwart von L.A. mit der Zukunft, Realismus mit Fiktion, die engen Straßen mit der weiten Ebene, den Noir mit dem Western, Missbrauch mit Mord, das Kleine mit dem Großen, das Subjekt mit der Geschichte, Bucky mit der Dahlie: Die Kamera fängt unten auf der Straße an, wir folgen den Blicken der beiden Detektive, auf Passanten, Verdächtige, dann erhebt der Blick sich in die Lüfte, zeigt weit in der Entfernung eine Mutter mit
Kinderwagen, irgendwas nicht gut zu erkennendes, doch wir wissen schon, dass es die Leiche ist, dann dreht sich der Blick, kehrt zurück auf die Straße, fängt alles ein, endlos, verbindet es, für immer.
Das einzige, was an dieser perfekten Sequenz überhaupt auszusetzen ist, ist, dass sie schmerzhaft vorführt, was dem Film mitunter fehlt. The Black Dahlia ist ein Meisterwerk, aber es ist visuell kein wirklich typischer Brian-De-Palma-Film. Es fehlt dafür über weite Strecken die entfesselte Virtuosität, die für diesen Regisseur typisch ist, es fehlt den Bildern das Flair des Sardonischen, die zynische Brutalität – den Bildern! Die Story ist
voll davon –, es fehlt das Bad im bösen Vergnügen. Zu trocken, zurückhaltend und blutleer wirkt es zuweilen, und Brian De Palma zeigt hier etwas, was man von ihm, selbst gegenüber Hitchcock, nicht kannte: Respekt.
Als man Elisabeth Short tot auffand, liefen in den Kinos Werke, die man mit den Franzosen »Film noir« nannte. Es waren Schwarzweiß-Filme, düstere Melodramen und Thriller, die Titel hatten wie The Big Sleep oder Born to Kill, gedreht wurde gerade Out of the Past von Jacques Tourneur, und diese Filme waren ein bisschen beeinflusst vom Expressionismus, aber auch der merkwürdig unsicheren Atmosphäre dieser Zwischenzeit, der
Jahre zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem neuen Kalten Krieg. Daher spielt De Palma virtuos mit der Filmgeschichte jener Zeit, dem Film Noir – angefangen mit Otto Premingers frühem Laura (1944), der auch schon davon erzählte, wie sich ein Mann in eine Tote verliebt: »You'd better watch out, or you'll finish up in a psychiatric ward. I doubt they've ever had a patient who fell
in love with a corpse.« Auch Hilary Swanks Madeleine ist deutlich als Zitat dieser Laura angelegt, die damals von Gene Tierney gespielt wurde, es gibt zahlreiche Anspielungen, die hier gar nicht im Einzelnen benannt werden können. So spiegelt sich in De Palmas Film nicht nur der Fall der Dahlie und nicht nur Elloys Buch und nicht nur der Fall von Elloys Mutter, sondern auch die ganze Filmgeschichte, insbesondere die des Genres.
De Palma belebt die Ästhetik des alten Kinos wieder. Aber er ist, und das zeigt er auch hier, kein Realist, sondern Surrealist. Die Werke der Filmgeschichte sind für ihn keine nostalgischen Objekte der Verehrung, sie sind Muster, die unseren Blick lenken, rote Fäden, Räume, in denen man sich bewegen und auch mal die Möbel umstellen oder die Fenster öffnen kann. Insofern liegt man falsch, wenn man seine Filme als eine Verbeugung vor Hollywood versteht, das sind sie nur an der Oberfläche. Tatsächlich nehmen sie Hollywood von der Außenperspektive aus auseinander – und setzen es neu zusammen.
»Ich bin ein 'visual stylist'. Ich mag interesssante Räume, Architektur. Ich photographiere gern Frauen, weil sie ästhetisch interessant sind. Ich bin an Bewegung interessiert, gewaltsame Bewegung manchmal, weil sie im Film ästhetisch funktioniert. Ich mag 'Mysteries' und Plots mit überraschenden Wendungen. Ich habe eine düstere Vorstellung von der Gesellschaft, in der Leute einander manipulieren.« (Brian De Palma, aus anderem Anlaß) Was De Palma liebt, dass sind die
alten Filme und ihr Decors. Nicht notwendig der Film Noir, den findet er im Vergleich zu seinen Filmen zu simpel: »My movies are much too complex visually to be compared to film noir, which is very basic shooting. Except when they had a little more money.« Trotzdem hat er in die Ellroy-Handlung den De Palma-Film gewoben. Kein Wunder, denn diese Story ist auch – obwohl die Produktionsgeschichte etwas anderes erzählt – wie für den glänzenden Regisseur und seine Mischungen aus
Horror, Pop und Märchen geschaffen: Denn alle Lieblingsmotive des Italoamerikaners sind hier versammelt: Das Doppelgänger-Thema – »I slept with her just to find out, what it would be like with someone who looked like me« –, dies sogar zweifach in den beiden Polizisten mit dem fast identischen Namen und der Leidenschaft zu der gleichen Frau, und in Elisabeth Short und ihrem lebenden Zwilling Madeleine Linscott (die auch noch, siehe unten, durch Anspielungen auf
Premingers Laura als Wiedergängerin einer Toten ausgewiesen ist). Dann die Obsession der Hauptfigur, die sich weit über ihre Berufspflichten hinaus in den Fall verbeißt. De Palma ist dabei natürlich nicht so naiv, die Welt in Opfer und Täter zu teilen. Er weiß, dass diejenigen, die von etwas besessen sind, ihre eigenen Opfer sind, dass jedes Objekt auch Subjekt ist – Sex und
Sadismus lassen sich nicht trennen.
Und das letzte Lieblingsthema De Palmas, der Voyeurismus gehört auch hierher – man denke an die oben beschrieben Casting-Bilder. Und De Palma ist selbst ein Voyeur, sein Geschlechtsorgan ist das Auge. Dazu gehört es, dass bei ihm Bilder immer wiederum auf andere Bilder verweisen, und nur auf sie. Darum verweisen Momente des Films selbstverständlich auf andere De-Palma-Filme. Dem entspricht daher auch, dass er hier eine eigene kleine
Kulturgeschichte des Lächelns der Dahlie einwebt: Er erinnert an Gwynplaine, den entstellten Protagonisten von Victor Hugo’s »L’Homme Qui Rit«. Und daran, dass es eine frühe amerikanische, aber deutsch-expressionistisch beeinflusste Verfilmung des Stoffes gab, durch den Emigranten Paul Leni. Bob Kane hat genau diesen Film als Vorbild für seinen Joker benutzt. Der Kreis schließt sich.
Voll vieler weiterer Referenzen ist dies ein intelligenter, dabei überaus kurzweiliger und bis zum Ende überraschender Film über die Saat der Gewalt, über das Böse und die Abgründe der menschlichen Seele – und damit natürlich auch über ihr Spiegelbild, das Kino.