A Black Jesus

Deutschland/Italien 2020 · 96 min. · FSK: ab 0
Regie: Luca Lucchesi
Drehbuch: ,
Kamera: Luca Lucchesi
Schnitt: Luca Lucchesi, Edoardo Morabito
Filmszene »A Black Jesus«
Ein Bild der Gesellschaft, das allgemeingültig ist
(Foto: DOK Leipzig)

Schwarzes Holz und schwarze Haut

Druckaufbau: Luca Lucchesis A Black Jesus

Siculiana – in der kleinen sizi­lia­ni­schen Stadt an der südlichen Grenze Europas verehren die Menschen seit vielen Jahr­hun­derten eine schwarze Jesus-Statue.

Alljähr­lich am 3. Mai wird das Kruzifix ehrfürchtig auf Schultern von ausge­wählten Männern in einer feier­li­chen Prozes­sion durch die Straßen der Stadt getragen, die überfüllt ist von Hunderten Gästen, darunter viele, die einst in der Stadt lebten, aber Siculiana seit langem verlassen haben, auf der Suche nach Arbeit und Brot.

Wer kann, berührt den schwarzen Jesus mit einer sanften Hand­be­we­gung. Opfer­gaben werden ihm darge­bracht, Wünsche und Bitten geflüs­tert.

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Sanft, schwebend und fromm gegenüber seinem Gegen­stand ist auch die Kamera des Regis­seurs Luca Lucchesi, der mit »A black Jesus« seinen ersten langen Film gedreht hat. Er stammt aus Siculiana, und ist von der Legende um den schwarzen Jesus faszi­niert.
Fast schwe­relos schwebt die Kamera über die Stadt, blickt in Cine­maS­cope auf die Fülle der Welt und zeigt immer wieder große Panoramen.

Sie zeigt auch die »Villa Sikania«, ein Hotel am Rande des Bankrotts. Es wurde 2014 von den Besitzern in ein Flücht­lings­zen­trum umge­wan­delt. Auf dem Höhepunkt der Flücht­lings­wellen 2015 wurden dort 1000 Flücht­linge unter­ge­bracht, ein Drittel der lokalen Bevöl­ke­rung. Aber kaum einer aus diesem Ort hat jemals ein einziges Wort mit ihnen gespro­chen. Die Einwohner und die Migranten mischen sich nicht, sie sprechen nicht mitein­ander und das nicht nur aus Angst, sondern auch weil die italie­ni­sche Regierung es bewusst vermieden hat, einen Dialog zwischen diesen beiden unter­schied­li­chen Gesich­tern der Armut herzu­stellen.

Die Trägheit dieser Situation wird durch die Ankunft des 19-Jährigen Edward aus Ghana aufge­mischt. Als der 19-Jährige, Bewohner des viel­dis­ku­tierten örtlichen Flücht­lings­zen­trums, darum bittet, gemeinsam mit den Einhei­mi­schen die Jesus-Statue in der großen jähr­li­chen Prozes­sion durch den Ort tragen zu dürfen, spaltet dieser Wunsch die Gemeinde.

Die Flücht­linge resü­mieren bitter: »Die Einhei­mi­schen lieben ein schwarzes Stück Holz, aber sie lieben keine Schwarzen aus Fleisch und Blut.«

Das soll das Thema des Films sein: Warum Menschen, die sich Christen nennen, nicht in der Lage sind, den Anderen als »Nächsten«, als Mensch zu sehen. Als ob die Antwort nicht auf der Hand läge.

A Black Jesus ist gelungen darin, Themen anzu­reißen, und zum Weiter­denken zu moti­vieren: Ist nicht fast jeder in seinem Leben schon mal ein Migrant gewesen? Ist die Bibel nicht ein Buch voller Flücht­lings­ge­schichten? Wurden Maria und Josef nicht als Flücht­linge von Tür zu Tür gewiesen?
Aber stimmt nicht auch die Behaup­tung des Dorf­leh­rers: Dass die italie­ni­sche Regierung die Geflüch­teten nur instru­men­ta­li­siert. Dass sie ihnen keine Chance zur Inte­gra­tion gibt, weil sie »frisches Blut« braucht für Obdach­lo­sig­keit, Krimi­na­lität und Orga­ni­siertes Verbre­chen, um wiederum die Billigung der Mehrheit zur Schaffung eines Poli­zei­staats zu erhalten? Ist dieser Druck­aufbau das geheime Ziel der Flücht­lings­po­litik?

Lucchesi beob­achtet vor allem Gespräche. Aus ihnen formt sich ein Bild der Gesell­schaft, das allge­mein­gültig ist.

Dieser Film zeigt eine Reise, die den Ursprung von Angst und Vorur­teilen gegenüber den anderen erfahren lässt, wenn die Bewohner dieser kleinen euro­päi­schen Stadt aufge­for­dert sind, sich mit ihrer eigenen Identität ausein­an­der­zu­setzen, beginnen mit der Ikone ihres Glaubens: einem schwarzen Jesus.

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Alles in allem ist dies kein wahn­sinnig geglückter Film – fast alle Personen bleiben namenlos, wie auch sonst viel an der Ober­fläche bleibt und der Film der Härte der Fragen nach den Grenzen unserer Offenheit ausweicht.

Rassismus gibt es immer nur bei den Anderen, den Unge­bil­deten, Bornierten – wir Aufge­klärten aber wissen: Es gibt keine Rassen, und darum kann Rassismus gar nicht sein.
Ist es so einfach?

Was ist dann damit gewonnen, es uns so einfach zu machen?

Es geht dann, im Epilog, doch nicht gut aus. Gerade in dem Moment, als einige der Flücht­linge glauben, in der Stadt ange­kommen zu sein, werden sie in ein anderes Lager verlegt.

Ab 20. Mai 2021 startet A Black Jesus digital mit finan­zi­eller Betei­li­gung der Kinos auf www.filmwelt-digital.de (12 Euro pro Ticket, Grup­pen­ti­cket ab 10 Personen à 10 Euro, ab 20 Personen à 8 Euro).