USA/Kanada 2002 · 120 min. · FSK: ab 12 Regie: Michael Moore Drehbuch: Michael Moore Kamera: Brian Danitz Darsteller: Michael Moore, George W. Bush, Dick Clark, Charlton Heston u.a. |
»Finden Sie das nicht ein bisschen heikel, so viele Waffen in einer Bank zu lagern?« fragt Michael Moore. Soeben hat der Regisseur in der Kleinstadtfiliale ein Konto eröffnet. Als kleines Willkommenspräsent wird hier jedem Neukunden ein Gewehr überreicht. – Nur ein Beispiel dafür, wie die in den USA allerorts grassierende Waffenvernarrtheit mitunter skurrile Blüten treibt. Die Bank liegt unweit von Columbine, jenem Ort, der 1996 traurige Berühmtheit erlangte, als zwei Jugendliche nach einem morgendlichen Bowlingpartie in ihrer Highschool ein Blutbad anrichteten. 18 Schüler starben, unter ihnen auch die beiden Amokkids.
Michel Moore spürt der Frage nach, wie es dazu kommen konnte und warum jedes Jahr rund 11.000 Menschen im nationalen Kugelhagel sterben, während es im ebenso waffenverrückten Kanada nur 60 sind. Dazu verquirlt er Archivbilder, Interviews und Trickfilmsequenzen zu einem kaleidoskopischen Rundumschlag. Er spricht mit Mitgliedern einer Bürgerwehr, für die die Knarre im Haus erste Bürgerpflicht ist, schnipselt ballernde Bikinischönheiten aus einem Waffenwerbefilm dazwischen, spricht mit einem Mann, der des Bombenanschlags auf das World Trade Center verdächtigt wurde und der von je her mit einem Revolver unter dem Kopfkissen schläft. In teils schockierenden, teils amüsanten Sequenzen arbeitet das Entfant terrible der US-amerikanischen Satireszene seine provokative These heraus: Ein Gespenst geht um in Amerika und sein Name ist Angst. Angst vor dem schwarzen Mann, Angst vor der Rasierklinge im Halloweenapfel, Angst vor Sadam Hussein, Angst sogar vor den eigenen Kindern, die in aller Stille zu Monstern mutiert sind, wie Gremlins, die man nach Mitternacht füttert.
Moore entwirft das Porträt einer Nation von Angstbeißern, die auf externe Feinde mit Cruise Missiles schießt und auf den Feind im Inneren mit Munition, die es in jedem Supermarkt gibt. Eine Angst, die geschürt wird von den Medien, denen jede Schießerei allemal eine Nachricht wert ist, während es für Berichte über die Umweltverschmutzung keine Sendplätze gibt. Geschürt von den Politikern, die ihre außenpolitischen Ziele lieber mit Waffengewalt als im Dialog erreichen wollen. Geschürt von Organisationen wie der National Rifle Association, deren Vorsitzender Charlton Heston wenige Tage nach dem Massaker von Columbine seinen Anhängern zuruft, man werde ihm die Waffe einst aus den kalten Händen nehmen müssen. Die USA: eine paranoide, bis an die Zähne bewaffnete Gesellschaft, die sich in ihren Vororthäuschen verbarrikadiert hat.
Um seine Botschaft rüberzubringen scheut Moore vor nichts zurück: Nicht vor Polemik, nicht vor gewagten Montagen und schon gar nicht vor direkter Konfrontation. Und so steht er eines Tages bei Hesten vor der Tür, in der Tasche das Bild einer Sechsjährigen, die von einem gleichaltrigen Mitschüler erschossen wurde. Auch an damals hielt der einstige Hollywoodheld wenige Tage nach der Tragödie eine flammende Rede für die private Aufrüstung.
Moores Masche hat Erfolg, denn ihm ist klar, dass mit staubtrockener Rhetorik in der Heimat des Entertainment kein Blumentopf zu gewinnen ist. Und so gestaltet er seine gefürchteten Feldzügen gegen den Wahnwitz immer unterhaltsam. Sein erster Film Roger And Me, in dem er dem Boss von General Motors auf den korrupten Pelz rückt, spielte 25 Millionen Dollar ein – das beste Ergebnis das ein Dokumentarfilm je erzielte. Sein Bestseller »Stupid White Men« hat sich zum Renner der Saison gemausert. Und Bowling for Columbine, seit 46 Jahren erster Dokumentarfilm im Wettbewerb von Cannes, erhielt nicht nur nicht nur Standing Ovations, er räumte auch noch den Spezialpreis der Jury ab.
Auf der Homepage von Michel Moores Filmproduktion DOG EAT DOGS ist ein knuddeliges gelbes Hündchen zu sehen, das von einem viel größeren, zähnefletschendem Köter bedroht wird. Plötzlich macht das Hündchen kurz schnapp und weg ist der fiese Köter. Michael Mores Klappe ist ebenfalls groß genug, um die Bonzen das Fürchten zu lehren. Seine preisgekrönte TV-Satire »The Awfull Truth« wurde nach Protesten der Werbekunden abgesetzt. Das soeben auch in Deutschland herausgekommene »Stupid White Men« erschien in den USA erst nach massiven Protesten der Fans. »He’s a dangerous man«, urteilte einst auch der Sprecher von Bill Clinton. Vermutlich das größte Kompliment, das man einem medialen Robin Hood wie Moore machen kann.