Österreich/Deutschland 2010 · 109 min. · FSK: ab 16 Regie: Thomas Roth Drehbuch: Thomas Roth Kamera: Jo Molitoris Darsteller: Josef Bierbichler, Angela Gregovic, Denis Moschitto, Andrea Eckert, Franz J. Csentsits u.a. |
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Der Fotograf und das Mädchen |
Sie ähneln sich, jene Männerfiguren, die Josef Bierbichler in den letzten Jahren im Kino verkörpert hat. Am prägnantesten in Winterreise, aber auch in Hierankl, beide von Hans Steinbichler, oder in Der Architekt von Ina Weisse. Es sind Patriarchen, die sich nicht erklären, gar rechtfertigen, es sind Riesen in einer Welt der Zwerge, schweigende Monolithen, die sich so mühsam bewegen, als würden sie eine schwere Last mit sich herumschleppen. Die dicken Limousinen, in denen ihre Regisseure sie fahren lassen, verstärken den Gesamteindruck noch: Schwere Alphatiere aus einer eigentlich schon vergangenen Zeit, voller Wut und Pathos, das ganz und gar ohne Weinerlichkeit auskommt – und man kann nicht anders als die Ausdrücke Urviech und Dinosaurier gebrauchen. Das Physische steht bei Bierbichler erst einmal im Vordergrund, ihm zuzusehen, ist eine körperliche Erfahrung, denn man sieht einem anderen Körper beim Schwitzen zu, beim sich abarbeiten, und dann plötzlich entdeckt man seine zarte Seite, etwas Sensibles, und auch unerwartet Feingliedriges an diesem Körper.
In Brand hat Regisseur Thomas Roth ihm für seine Figur eine Digitalkamera in die Hand gedrückt. Mit der protokolliert er sein Leben und das Sterben seiner Frau, die mit Krebs im Krankenhaus liegt. Die Idee dahinter stammt von seinem Verleger. Brand, ein bekannter Autor soll endlich ein neues Buch schreiben, das Protokoll des Sterbens seiner Frau klingt beiden vielversprechend. Den Erfolg hat Brand bitter nötig, schließlich ist der Vorschuss schon halb verbraucht. Ein Großschriftsteller mit Schreibblockade, Schulden und einer Frau, die er liebt, aber nicht mehr aushält, weil sie seit Jahren stirbt, aber weiterlebt. Das ist die Ausgangssituation. Zu der kommt Angela, die neue Krankenschwester, die so attraktiv wie fragil nicht lange braucht, um sich mit Brand einzulassen. Und es beginnt die Amour Fou zweier Borderline-Existenzen.
Das erste Bild des Films zeigt allzu symbolisch-schwerblütig ein totes Reh, dann sitzt Brand/Bierbichler allein in seinem schweren Wagen und rast durch einen Wald, dazu dräut bedrohliche Thrillermusik, und man denkt, gleich fährt der Mann gegen den nächsten Baum. Aber er fährt nur ins Wiener Krankenhaus, in den Sterbetrakt. Eine Totengeschichte heißt der Film des Österreichers Thomas Roth, der neben diversen Fernseharbeiten alle paar Jahre immer wieder bemerkenswerte Kinofilme gemacht hat, etwa Kaliber Deluxe im Jahr 2000. Und in gewissem Sinn sind sie von Anfang an alle tot, die Hauptfiguren dieses Films: Brand, der seine Kamera immer dabei hat und benutzt, als wolle der Mann sich mithilfe der Bilder seines Lebens versichern, das ihm gerade zwischen den Fingern entgleitet, ist eine vampirische Existenz, die die Mitmenschen aussaugt. Angela, deren Motive schwer zu durchschauen sind, außer dass sie von ihrem brutalen Gatten fortwill. Die sich an Brand klammert wie eine Ertrinkende an ein Stück Holz, sich aber dann auch wieder offen selbstzerstörerisch benimmt. Was sie wirklich treibt, weiß wahrscheinlich noch nicht mal sie selbst. Und Brands sterbende Frau Martha sowieso.
Wenn man sich jetzt nur auf die Geschichte fixiert, in der eine Kriminebenhandlung immer mehr Raum einnimmt, und die Hauptfigur durch die Hölle gehen muss, um am Ende irgendwie geläutet zu werden vom Fegefeuer des Lebens, dann klingt alles recht furchtbar. Das ist es aber nicht, sondern man kann den Film gut ansehen. Die Stärken von Brand sind neben Darstellern, denen man sämtlich gern zusieht, seine düstere Atmosphäre, die genaue Zeichnung des
großbürgerlichen Wiener Künstlermilieus, das naturgemäß schon ein bisschen heruntergekommen ist, einer Welt, in der die Leute mehr scheinen, als sie sind. Auch der schwarze Humor Roths, von dem auch das Drehbuch stammt, ist reizvoll. Alles entwickelt sich böse und pessimistisch zu einem Strudel aus Misstrauen, Lüge, Eifersucht und Gewalt.
Wie gesagt: Die Story ist nicht die Stärke von Brand. Aber wenn ein deutscher Film mal so wäre, so normal und
stimmig im scheinbar Nebensächlichen, dann wären wir schon ganz froh.