Deutschland 2006 · 92 min. · FSK: ab 12 Regie: Jan Henrik Stahlberg Drehbuch: Jan Henrik Stahlberg, Lucia Chiarla Kamera: Nicolas Joray Darsteller: Maurizio Antonini, Lucia Chiarla, Pierro Bontempo, Pietro Ragusa, Tul u.a. |
||
Topolino |
Irgendwie ist Italien wie Entenhausen. Seit mit Silvio Berlusconi in Rom eine Koalition aus Ein-Mann-Partei, Neofaschisten und Europagegnern regiert und der Medientycoon das Land führt, wie seinen Privatbetrieb, gibt es zwar in Bezug auf Italien nicht mehr viel zu lachen, in eine Comicwelt hat man sich aber schon öfters versetzt gefühlt. In seinem Regiedebüt Bye bye Berlusconi! setzt der Schauspieler Jan Henrik Stahlberg diese Idee jetzt in die Tat um: Sein Berlusconi heißt nämlich »Topolino«, wie die italienische Mickey Maus, handelt statt mit Medien mit Melonen und bringt seine Polit-Propaganda durchs »Melonen-TV« unters Volk. Dafür gibt es persönlichkeitsrechtliche Gründe: Denn Bye bye Berlusconi! ist eine scharfe Polit-Satire über den italienischen Ministerpräsidenten. Der sagt darin Sachen wie »Ich hab gestohlen wie ein Rabe, und diese Idioten wählen mich trotzdem.« Im Gegensatz zu einer Dokumentation, in der auch kontroverse Meinungsäußerungen über »Personen der Zeitgeschichte« erlaubt sind, kann man sich gegen eine Satire, also Kunst, gerichtlich wehren.
Aber jeder weiß natürlich, dass mit »Topolino« eigentlich Berlusconi gemeint ist, zumal Hauptdarsteller Maurizio Antonini ein fast perfekter Doppelgänger Berlusconis ist. Glänzend imitiert er dessen Gesten, sein gefrorenes Lachen, seine Posen. Außerdem macht Stahlberg, der in der Rolle des Herrn Mux in dem Film Muxmäuschenstill bekannt wurde, aus der Not eine Tugend, und baut die Unmöglichkeit, eine Satire über Berlusconi zu drehen, geschickt in den Film mit ein – genauso, wie die Versuche Berlusconis, den Film im Vorfeld der Wahlen im April den Filmemachern hinter den Kulissen Steine in den Weg zu legen, sie einzuschüchtern, zu schikanieren und zu bedrohen. So ist Bye bye Berlusconi! quasi ein Making-off über sich selbst geworden, eine Fake-Doku darüber, wie aus einem geplanten Film etwas ganz anderes wurde.
Insofern ist die Geschichte der Produktion dieses Film nicht weniger interessant, als der Film selbst, in dem »Topolino« entführt wird, und ihm im Internet der Prozess gemacht wird. Nebenbei erfährt man viel über die Karriere Berlusconis, der als Sänger und Alleinunterhalter auf Kreuzfahrtschiffen begann, und zum Multimilliardär wurde. Je länger der Film dauert, um so mehr vermischen sich die verschiedenen Ebenen des Films. Der Zuschauer verliert ein wenig die Orientierung – allerdings mit Absicht, denn Stahlberg möchte auf den Kern seines Themas, die tatsächlichen politischen Verhältnisse zurückführen. Was ist wahr, was ist Betrug? Wer so fragt, denkt bereits kritisch, und lässt sich nicht von Politikern aufs Glatteis führen.
Stahlberg sprengt mit seinem Regiedebüt die Grenzen der Genres, und provoziert sogar höchste politische Kreise. Bye bye Berlusconi! ist ein Film, wie man ihn noch nicht gesehen hat. Ein Minuspunkt ist nur die missglückte Synchronisation. Ein Film wie dieser lebt nicht zuletzt von der Direktheit seiner Sprache. Insofern wäre es besser gewesen, man hätte dem italienischen Original vertraut, und den Film nur untertitelt ins Kino gebracht.