Frankreich 2018 · 99 min. · FSK: ab 6 Regie: Agnès Jaoui Drehbuch: Jean-Pierre Bacri, Agnès Jaoui Kamera: Yves Angelo Darsteller: Agnès Jaoui, Jean-Pierre Bacri, Léa Drucker, Kévin Azaïs, Nina Meurisse u.a. |
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Was du liebst, musst du auch hassen können. |
Agnès Jaoui hat mit Jean-Pierre Bacri großartige Drehbücher verfasst. Man denke nur an Smoking/No Smoking und Das Leben ist ein Chanson für Alain Resnais. Einige der Drehbücher hat Jaoui auch gleich selbst verfilmt, etwa die wunderschönen, klugen und melancholischen Komödien Lust auf Anderes und Schau mich an!, in denen Bacri stets auch an Jaouis Seite eine der Hauptrollen übernahm.
In ihrer neuesten Produktion Champagner & Macarons – Ein unvergessliches Gartenfest (OT: Place publique) ist es nicht anders. Und damit befinden wir uns auch in dem unverwechselbaren Gefühlskosmos tragikomischer Momente, den Bacri und Jaoui in den letzten Jahren etabliert haben: Scharfe, überraschende und bösartige Dialoge stehen neben banalem Geschwätz, die Leichtigkeit des Lebens neben der unerträglichen Schwere des Daseins. Dieses Spektrum wird auch in Champagner & Macarons bestens bedient und schauspielerisch bis in die letzten Nebenrollen kongenial umgesetzt.
Schauplatz für ihre Anamnese unserer modernen Gesellschaft ist dieses Mal ein Gartenfest der Pariser intellektuellen Oberschicht, auf der so ziemlich alles verhandelt wird, was im Moment hoch im Diskurs steht: die Vergänglichkeit des Lebens und körperlicher Schönheit, der Umgang mit Anerkennung und Ruhm und die grundsätzliche Entscheidung, ob Sarkasmus oder Idealismus die bessere Wahl ist, um mit den unvereinbaren Gegensätzen kapitalistischer Realität umzugehen. Jaoui und Bacri bilden in ihren Rollen als geschiedenes Ehepaar in völlig unterschiedlichen Lebenswelten die dementsprechenden Antagonismen, darüber hinaus aber auch ein Beispiel dafür, wie schwer es für Eltern und ihre erwachsenen Kinder ist, eine gemeinsame Schnittmenge zu finden, umso mehr noch, da jeder die gemeinsame Familienvergangenheit völlig anders rezipiert.
Doch Jaoui und Bacri interessieren sich in »Champagner & Macarons« nicht nur für die familiären und beruflichen Inhalte, die dem »Film-Fest-Genre« schon immer gut standen, sie thematisieren in einem weiteren Seitenstrang auch die moderne Medienwelt. Das geschieht nicht nur über ein weiteres antagonistisches Rollenspiel – gealterter Fernsehmoderator trifft auf jungen Youtube-Star – sondern auch über die frappierenden Wechselspiele zwischen digitaler Realität und gelebter Wirklichkeit. Wie Jaoui und Bacri mit diesen Wirklichkeiten jonglieren, ist eine der großen Stärken des Films und tröstet darüber hinweg, dass man vor lauter eingeschobenen Mini-Episoden und minimalistischen Ideen zu Allem und Nichts dann und wann den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.
Gleichzeitig könnte den, der erst vor kurzem Eric Toledanos und Olivier Nakaches Das Leben ist ein Fest gesehen hat, Bacris dortige Rolle als Hochzeitsplaner, also auf der anderen Seite der gesellschaftlichen Hierarchie kämpfend, noch mehr ins Schwindeln bringen. Überhaupt bieten sich diese Filme als fast ideales Double Feature an. Kratzt »Champagner & Macarons« nur hin und wieder an den gesellschaftlichen Hierarchien der französischen Gesellschaft, versucht es Das Leben ist ein Fest genau andersherum. Dort stehen die Bediensteten im Zentrum eines ganz ähnlichen Festes. Doch anders als bei Toledano und Nakache, bei denen diese Idee dann auch schon der Kern des ganzen Films ist und sich recht schnell erschöpft, ist es bei Champagner & Macarons ein weiteres mal andersherum – jede Idee erzeugt eine weitere, die manchmal besser und manchmal schlechter ist, so wie auch das Figurenpersonal – dem »wahren« Leben angemessen – immer ambivalent bleibt; denn was du liebst, musst du schließlich auch hassen können.