IL/D/PL/B 2013 · 122 min. · FSK: ab 12 Regie: Ari Folman Drehbuchvorlage: Stanislaw Lem Drehbuch: Ari Folman Kamera: Michal Englert Darsteller: Robin Wright, Harvey Keitel, Jon Hamm, Paul Giamatti, Danny Huston u.a. |
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Psychedelischer Wahnwitz |
Bekannt geworden ist der israelische Regisseur Ari Folman mit seiner Animationsdoku Waltz With Bashir 2008. Jetzt kommt sein neuer Film The Congress in die deutschen Kinos – eine sehr eigenwillige und in die Gegenwart und nahe Zukunft versetzte Verfilmung von Stanislav Lems Roman »Der futurologische Kongress«. Zur Hälfte ist dies ein mit bekannten Stars – Robin Wright Penn, Harvey Keitel und Danny Huston – besetzter Spielfilm, zur anderen Hälfte ist dies ein kunterbunter Trip aus Animationsbildern, so in etwa wie der LSD-Traum eines israelischen Soldaten aus Folmans Waltz With Bashir und im aus diesem Film bekannten Stil, nur mit grellen, psychodelischen Farben und Effekten. Robin Wright spielt sich selbst: einen alternden Hollywoodfilmstar, der ihren Namen trägt. In einer nahegelegenen Zukunft, in der Virtualität und Realität sich kaum noch unterscheidbar vermischt haben, verkauft sie ihren Körper, um zumindest auf der virtuellen Ebene nicht mehr zu altern. Als »Rebel Robot Robin« wird sie so noch einmal zum Superheldenstar.
Es ist also das im Grunde uralte Motiv des Schauspielstars, der nicht altern kann, des Menschheits-Traums von der ewigen Jugend und des Teufelspakts, der ihm zugrundeliegt. Bezogen aufs Kino ist er sogar gleich ein doppelter – so wie die Unterhaltungsindustrie die lebenden Stars jung halten will, will sie ja auch die Toten immer wieder zum Leben erwecken – wäre es nicht toll, Elisabeth Taylor könnte mit Leonardo di Carpio auf der Leinwand stehen, Marilyn Monroe in einem Film von Ari Folman spielen? Zuende gedacht ist das Ergebnis von alldem natürlich der reine Wahnwitz, aber die Techniken dazu werden gerade konstruiert, und so ist ein realer Wahnwitz das Thema von Folmans Film.
Auf der Bildebene konfrontiert der Film eine reale, analoge, schmutzig-depressive Zukunft aus Lumpen, Zeppelinen und Bauhaus-Moderne mit einer bunten Gegenwelt der Halluzination, die erscheint wie der Wunschtraum eines Comiczeichners. The Congress ist am besten als Parodie des Filmbusiness voller kluger Verweise auf Stanley Kubrick, Film-Noir und Science-Fiction-Kino. Keitel hat ein paar sehr gute Szenen als der Agent der Schauspielerin. Und auch die Animation schafft begeisternde poetische Momente. Denn hier darf der Film völlig losgelöst sein, vom Zwang sich mit unserer Wirklichkeit zu arrangieren, darf fröhliches Schindluder mit ihr treiben: Darum hat der Wetteransager im Fernsehen (dass es das noch gibt!) die Stimme von Ronald Reagan, und der Kellner sieht aus wie Michael Jackson. Auch Berlin kommt vor: Tempelhof ist da wieder der Hauptstadtflughafen, von BER keine Rede, Zeppeline schweben am Himmel als Erweiterungsbauten und eine Art Steuerungszentrale für Realitätsverhältnisse.
Demgegenüber ermüdet Folmans Moralisieren gegen die Entertainment-Kultur und die Alternative zwischem falschem Glück und unglücklichem. Darin geht der Film weit über Lems Vorlage hinaus. Im tatsächlichen Leben wirkt dies nicht nur etwas angestaubt, es scheint auch als falsche Alternative. Denn schon Lem wusste, das es für virtuell manipulierte Menschen weniger klar ist, wie man sie sich hier entscheiden möchten. Matrix lässt grüßen: Die Alternative Freiheit oder blutiges Steak ist nicht immer eindeutig entscheidbar. Und an der Selbstverwirklichung stört bekanntlich vor allem das Selbst.
Man kann jetzt natürlich Ari Folmans Film leicht damit verteidigen, dass die Illusionen, von denen er handelt, ja auch die Illusionen des Kinos sind, dass er also das Kino als Traumfabrik feiert und dies in einer Form, die selbst träumerisch-schwelgerisch ist. Ganz so stimmt das zwar nicht, aber man könnte es so sehen. Denn nur das Kino kann von Virtualität auch in virtuellen Mitteln erzählen.
Die Gegenthese gegen Folmans Interpretation liegt aber darin, dass er sich um das
Hauptproblem herumdrückt: Das liegt immer noch in der alten existentiellen Frage nach dem Tod. Wo sterben wir, wenn wir sterben. Ridley Scotts Blade Runner hat das gewusst. Folman weiß es auch, aber er hilft dem Zuschauer fortwährend, sich darum eskapistisch herumzudrücken und bequem zu machen. Und dafür ist seine Cyberspace-Matrix einfach nicht schön genug, und viel zu anstrengend.