USA 2023 · 134 min. · FSK: ab 12 Regie: Gareth Edwards Drehbuch: Gareth Edwards, Chris Weitz Kamera: Greig Fraser, Oren Soffer Darsteller: John David Washington, Gemma Chan, Ken Watanabe, Sturgill Simpson, Madeleine Yuna Voyles u.a. |
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Poesie der Zukunft... | ||
(Foto: Disney) |
In was für Zeiten leben wir eigentlich? Sieht man sich Gareth Edwards The Creator an, kann man jedenfalls einmal mehr das Fürchten kriegen. Mehr noch, als vor unserer an sich ja schon äußerst furchteinflößenden, disparaten Realität.
Edwards, der bislang eher mit geradliniger, konform-politisch ausgerichteter Action wie Godzilla (2014) oder Rogue One: A Star Wars Story (2016) auffiel, positioniert sich in seinem neuen Film The Creator überraschend deutlich gegen die Konstrukte westlicher Moral, allerdings erneut innerhalb des Genres der Science Fiction. Und wie so oft in Science-Fiction-Geschichten, ist auch bei Edwards die skizzierte Zukunft eine geradlinig erweiterte Gegenwart. Unsere heutige Angst vor KI-Modellen ist in Edwards Welt zu einem Krieg zwischen der Menschheit ohne und der Menschheit mit künstlichen Intelligenz mutiert. Auf der einen Seite die westliche Welt mit einem starken Amerika, das die KI-geführte und modifizierte Welt in Asien bekämpft. Und mittendrin, zwischen den Fronten, steht Joshua (John David Washington), ein hartgesottener Ex-Spezialeinheitsagent, der jahrelang über den mutmaßlichen Tod seiner schwangeren, asiatischen Frau Maya (Gemma Chan) trauert, bis er erneut angeworben wird, um den schwer fassbaren Architekten der fortgeschrittenen KI zu jagen, weil der inzwischen eine Waffe entwickelt hat, die das Ende der Menschheit bedeuten könnte.
Das von Edwards mit Chris Weitz entwickelte Drehbuch überrascht vor allem im ersten Teil, denn statt den üblichen, inzwischen gähnend langweiligen moralischen Pattern, die sich seit James Camerons Terminator fast schon felsenfest etabliert haben, schlägt sich The Creator nicht nur auf die Seite der KI-dominierten asiatischen Minderheit, sondern stellt sehr schnell die Frage in den Raum, ob die KI nicht der bessere Mensch ist, so wie das ja auch ein weiterer früher „KI“-Filmklassiker, Ridley Scotts Blade Runner andeutet. Auch Edwards Held ist sich seiner Herkunft und Sozialisierung schon sehr bald nicht mehr sicher und entwickelt sich wie Jake Sully in James Camerons Avatar: The Way of Water zu einem Abtrünnigen der eigenen Kultur.
Dieser Absprung wird in ein Kriegsszenario eingebettet, das gerade durch den Kampf einer „USA Army“ gegen asiatische Guerilla-Einheiten an zahlreiche Vietnamfilme und natürlich Apocalypse Now erinnert. Edwards Entscheidung, mit einer kleinen Crew an Originalschauplätzen in Vietnam, Kambodscha, Japan, Indonesien, Thailand und Nepal zu drehen, verstärkt diesen Eindruck genauso, wie die exzellente »Guerilla-Kameraarbeit« von Greig Fraser und Oren Soffer, die mit einer Sony FX3, eigentlich einer klassischen Prosumer-Kamera, das Budget des Films signifikant reduzieren konnten und mit nachträglicher Greenscreen- und StageCraft-Technik dem Film einen SF-Look verschaffen, der in vielen Momenten an die innovative Kraft von Blade Runner erinnert – dazu gehören Häuserschluchten und Fabrikhallen genauso wie Gewehre, Menschmaschinen, fast schon poetisch technisierte Natur und Panzer – oft unterlegt mit Anspielungen auf Filme wie Star Wars (R2-D2, der hier allerdings eine tödliche Waffe ist) und auch ein wenig Spielberg (E.T. – Der Außerirdische) ist mit dabei.
Dieses faszinierende Production-Design und die Moral der Geschichte helfen dann allerdings der eigentlichen Geschichte nicht wirklich weiter, die so vorhersehbar wie platt und pathetisch ist. Platt, weil nicht einmal in Ansätzen durchdekliniert wird, wie denn die Beziehung zwischen der KI und den KI-modifizierten Menschen überhaupt funktioniert uns sich entwickelt hat, ein schwammiges Etwas, das noch einmal schwammiger wird, da die die KI-Menschen sich bis auf ein paar Äußerlichkeiten eigentlich kaum von ihren westlichen Gegenübern unterscheiden. Mit diesem Defizit an charakterlicher und kultureller Feinzeichnung geht ein Pathos einher, der so nah an der Propaganda vorbeischrammt, dass es fast schon weh tut. Vor allem, wenn die Gewalt und Hinterhältigkeit westlicher Politik dezidiert kritisiert wird.
Man könnte in diesen Momenten fast meinen, dass The Creator für den (groß-)asiatischen, insbesondere den chinesischen Markt produziert worden ist. Denn was hier in Ansätzen als asiatische Lösung gezeigt wird, erinnert dann doch sehr stark an die „saubere“ und effektive Kontrolle und die weitreichenden Visionen des chinesischen Partei- und Staatenmodells, vor der die Sinologin Janka Oertel in ihrem gerade erschienenen Buch Ende der China-Illusion und im Interview im Tagesspiegel am 26.09.2023 warnte: »Es geht Peking nicht darum, lauter kleine Chinas zu schaffen, aber es ist eine Illusion, zu glauben, wenn die chinesische Führung ihren globalen Einfluss ausbaut, gehe das vor Ort mit keiner systemischen Veränderung einher. Im multilateralen Rahmen übt Chinas Fokus neuen Druck aus, aber auch bei der Technologieentwicklung und Standardsetzung von Überwachungskameras bis hin zu Elektroautos. Dass das, was in China passiert, mit Blick auf den Ausbau von Kontrolle, Überwachung, Sicherheit und Industriepolitik auf China beschränkt bleiben werde, der Umgang mit dem Rest der Welt davon nicht betroffen sei, bleibt ein Märchen«
Das Endprodukt dieser Vision sehen wir in Edwards Film in allen nur erdenklichen Details und mit einer moralischen Selbstverständlichkeit und Ausschließlichkeit, die auch in einem der großen chinesischen Filmerfolge der letzten Jahre, in Frant Gwos Die wandernde Erde sehr gut nachzuvollziehen ist.
Dass diese Vision aus chinesischer Perspektive und mit historischer Kontextualisierung durchaus ihre Berechtigung hat, ist so falsch nicht, dass Edwards allerdings nur die eine Seite hinterfragt, ist jedoch bedenklich, ist es fast so, als wären seit Korea- und Vietnamkrieg bzw. dem Ausrufen der Dominotheorie 1954 nur ein paar Monate und nicht Jahrzehnte vergangen. Das ist ein furchteinflößender Gedanke, der durch die gerade real-eskalierende politische Situation im südchinesischen Meer und die dementsprechende Reaktionen des Westens Edwards Film eine fast schon prophetische Note verleiht.