USA 1996 · 84 min. · FSK: ab 16 Regie: Tim Pope Drehbuch: David S. Goyer, James O'Barr Kamera: Jean-Yves Escoffier Darsteller: Vincent Perez, Mia Kirshner, Thomas Jane, Iggy Pop u.a. |
Miramax Records/Hollywood Records hat einen Soundtrack zu verkaufen, und weil dazu nunmal ein Film von Nöten ist, hat man sich entschlossen, diese Fortsetzung von The Crow zu produzieren. Mit der Regie wurde Tim Pope beauftragt, der nach über 30 Videos für The Cure nun sein Spielfilmdebut gibt, tatkräftig unterstützt durch Kamera-Magier Jean Yves Escoffier.
Die schwere Bürde, Brandon Lee in der Titelrolle zu folgen, trägt Vincent Perez, und der hätte der Gesichtsaufhellung durch den Maskenbildner nicht bedarft, so blaß bleibt seine Leistung – was besonders schade ist, da er mehrfach bewiesen hat (Cyrano de Bergerac, La Reine Margot), daß ihm mehr zuzutrauen ist.
Der Rest der Besetzung liefert solides Handwerk – mit zwei Highlights: Iggy Pop (Kommentar überflüssig) und die wunderbare Mia (Exotica) Kirshner.
Die Story wiederholt mit ausgewechselter Besetzung und überfrachtet mit sinnlosen Bibel- und Dante-Zitaten, was schon aus der ersten Verfilmung von James O’Barrs düsterem Kult-Comic bekannt ist:
Typ wird von bösen Menschen umgebracht; Krähe bringt Typen ins Leben zurück; Typ bringt böse Menschen um – The End.
Um fair zu bleiben: stilistisch gesehen ist The Crow: City of Angels atemberaubend. Die Bilder sind großartig komponiert, und in Verbindung mit der kongenial eingesetzten Musik ergeben sie eine atmosphärisch äußerst dichte, traumähnliche Mischung. Den Film nach Story und Charakteren zu bemessen, wäre verfehlt; seine Logik ist eine von Farben, Licht, Formen und Bewegungen, und auf dieser Ebene funktioniert er weitgehend perfekt.
Was mich aber wirklich stört: The Crow: City of Angels ist so verlogen und scheinheilig, daß man ihn für den Bundesttag nominieren möchte. Hinter seiner poserhaften Sub-Culture Fassade verbirgt sich ein prüder Kern, wie ihn Bob Dole nicht stockkonservativer ersinnen hätte können. Der Film lockt mit zünftiger Pseudo-Indipendent Musik, Neo-Gothic Design, schaumgebremsten Splatter-Einlagen und verschämten Blicken auf domestizierte S&M-Spielchen, aber genau jene Menschen, aus denen sich das so anvisierte Publikum zusammensetzt, kommen im Weltbild des Films nicht besonders gut weg. Wer nicht der weißen Mittelstandsnorm entspricht, wer schwarz, asiatisch, sexuell ausgefallen veranlagt, Drogenbenutzer oder Iggy Pop ist, ist BÖSE und wird von Vincent Perez bald aufs gründlichste entsorgt.
Doch mehr noch: der Film ist ein Fest der Bilder; die Bilder machen seinen ganzen Reiz aus, sind seine einzige Existenzberechtigung. Selten hat in letzter Zeit im Kino das bloße Sehen so viel Spaß gemacht. Daß ein solcher Film bewußt obsessiv auch von Bildern handelt, ist mehr als legitim – kaum eine Figur in The Crow: City of Angels, die nicht explizit damit beschäftigt wäre, Bilder herzustellen oder zu konsumieren, und das (übrigens recht enttäuschende) Finale spielt natürlich vor einem Kino, in dem Peeping Tom läuft. Warum aber muß ein solcher Film dann soviel Haß und Angst gegenüber Bildern entwickeln? Wer in The Crow: City of Angels Bilder produziert, darf mit seinem baldigen Ableben rechnen, und Scopophilie, die Lust am Schauen, scheint für den Film überhaupt die schlimmste denkbare Sünde zu sein. Vielleicht soll diese Selbstkasteiung ja einen zusätzlichen masochistischen Kick bringen; ich ziehe es aber vor, wenn ein Film mir nicht dauernd als verwerflich verkaufen will, was er auf anderer Ebene so grandios zelebriert.