USA/GB 2007 · 122 min. · FSK: ab 12 Regie: Marc Forster Drehbuch: David Benioff Kamera: Roberto Schaefer Darsteller: Khalid Abdalla, Atossa Leoni, Shaun Toub, Homayoun Ershadi u.a. |
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Freunde: Amir und Hassan |
Eine Wiese in Amerika. Über ihr stehen in kunterbuntem, wildem Durcheinander Drachen am Himmel. Dann ein Zeitsprung in die Vergangenheit, und dasselbe Motiv erscheint wieder, diesmal in Afghanistan: Vor der Kulisse der satten, bunt belebten Märkte Kabuls springen Knaben hinter den Himmelreitern her, die sie zuvor geschnitten haben. Es handelt sich um einen Wettkampf, der darin besteht, den Drachen anderer Kinder durch geschicktes Manövrieren mit dem eigenen vom Himmel zu holen. Stundenlang tänzeln an diesem Tag die bunten Papierflieger über Kabul, greifen ineinander, verfolgen sich hektisch, drehen aufeinander zu, verhaken sich, bis einer zu Boden sinkt. Der Knabe Hassan holt für seinen Freund Amir einen geschnittenen Drachen herbei: Für Dich noch tausendmal, sagt er – ein Beweis unverbrüchlicher Kameradschaft. Doch das kämpferische Spiel mündet unversehens in ein schreckliches Verbrechen, das das Leben der beiden Jungen prägen soll und die Freundschaft jäh beendet.
Schuld und Sühne, das sind die zentralen Thmen dieses Films, sind untrennbar mit dieser zunächst unerschütterlich scheinenden Freundschaft verbunden: Amir wird Zeuge, als sein Busenfreund Hassan von einer Horde Straßenjungen eine Abreibung erhält – sie vergewaltigen den Jungen. Sein eigenes untätiges Zusehen erzeugt in Amir ein tiefes, schwer lastendes Gefühl der Schuld. Er verstrickt sich noch tiefer in seinen Verrat am Freund, als er Hassan eines Verbrechens bezichtigt, das sein Vater als das schlimmste aller Vergehen gebrandmarkt hatte: Diebstahl. Erst viele Jahre später, als Amir in Amerika lebt, sieht er die Chance, seine Schuld zu sühnen eine Schuld, die er in der Ferne scheinbar vergessen hatte.
Die Geschichte von Amir und Hassan liefert die Projektionsfläche für eine zwanzigjährige Zeitgeschichte Afghanistans. Es ist eine Geschichte von Gewalt, schwelender Angst und sinnloser Aggression. Der Film zeigt ein unglaubliches Maß an Grausamkeit, die als völlig selbstverständlich hingenommen wird. Männer halten hier bedenkenlos die Macht in Händen. Nur vordergründig scheinen sie ethischen Grundsätzen zu folgen – gerade einer der Anführer ist ein verkappter Kinderschänder.
Die schneebedeckten Gebirge, von denen Kabul umgeben ist, stehen als malerische Kulisse im krassen Widerspruch zu den unglaublichen Verbrechen, die sich in den von ihnen eingeschlossenen Tälern abspielen. Viel später, mittlerweile hat das Taliban-Regime in Afghanistan Einzug gehalten, wirkt die Landschaft längst nicht mehr einladend: Die Kamera schwenkt mehrfach in karges Ödlandein – Spiegel der Menschenunwürdigkeit und Verrohung durch das Regime.
Drachenläufer ist ein Film mit zahlreichen Facetten – und ein Film, der unter die Haut geht. Auf der einen Seite steht die tief empfundene Freundschaft, zugleich manifestiert sich aber die schwere und scheinbar nicht zu überwindende Tat, die letztlich die engen Bande zerstört. Auf der anderen Seite steht die Schuld, derer sich Amir erst spät wieder bewusst wird und auch die Sühne, nach der er sich sehnt. Die Versöhnung mit seiner Vergangenheit kann er kaum deutlicher zum Ausdruck bringen, als dass er für den wiedergefundenen Neffen, seinem einzigen Anknüpfungspunkt zu Hassan, hinter einem geschnittenenen Drachen hinterherläuft und dabei jenen Satz Hassans aufgreift, den dieser einst in tiefer Freundschaft zu Amir gesagt hatte: Für Dich noch tausendmal.