Das Ende ist mein Anfang

Deutschland 2009 · 98 min. · FSK: ab 0
Regie: Jo Baier
Drehbuch: ,
Kamera: Judith Kaufmann
Darsteller: Bruno Ganz, Elio Germano, Erika Pluhar, Andrea Osvárt, Nicolò Fitz-William Lay u.a.
Vater und Sohn im Gespräch

Die Lehre eines Lebens

Tiziano Terzani hatte ein aufre­gendes Leben. Der lang­jäh­rige Südost­asien-Korre­spon­dent des Spiegel entging im Viet­nam­krieg und in Kambo­dscha nur knapp dem Tode, wurde in China wegen konter­re­vo­lu­ti­onärer Akti­vitäten verhaftet und zog sich drei Jahre lang als Eremit in den Himalaya zurück. Der Italiener lebte mit seiner Familie in Tokio, Singapur, Hongkong, Bangkok und Neu Delhi bis er 2004 im Alter von 65 Jahren in seinem Haus in der Toskana an Krebs starb. Terzani hinter­lässt zahl­reiche Repor­tagen und Bücher. Sein letztes, das sein Sohn Folco nach Gesprächen aufzeich­nete, wurde mit Bruno Ganz (Der Untergang) in der Haupt­rolle verfilmt.

In Das Ende ist mein Anfang erzählt Tiziano Terzani seine Lebens­ge­schichte seinem Sohn. Er möchte, dass dieser ein Buch daraus macht, es soll sein Vermächtnis sein. Terzani ist unheilbar an Krebs erkrankt und will die wenige Zeit, die er vor seinem »letzten Abenteuer« hat, dazu nutzen, seine spiri­tu­ellen Erfah­rungen weiter­zu­geben und das distan­zierte Verhältnis zu seinem Sohn aufzu­ar­beiten. Drei Monate blieben den beiden für das „Interview“ des Sohnes mit dem Vater.

Der Film von Regisseur Jo Baier (Henri 4, Stauf­fen­berg) orien­tiert sich streng an der Buch­vor­lage von Folco Terzani, der auch am Drehbuch mitar­bei­tete. Das Besondere dabei: die 98-minütige Handlung beschränkt sich ausschließ­lich auf die Gespräche zwischen Vater und Sohn. Baier verzichtet voll­kommen darauf, Szenen aus dem aben­teu­er­li­chen Werdegang Terzanis zu zeigen. Seine Geschichte wird nur in Worten, nicht in Rück­blenden erzählt. Anfangs befremdet das. Der Zuschauer würde gerne sehen, wie der Jour­na­list noch aus Saigon berichtet, obwohl der Vietcong die Stadt bereits besetzt hatte. Wie er seine Familie nach den Vorstel­lungen Mao Tse Tungs in China leben lässt, bis er sich von dem Diktator abkehrt und verhaftet wird. Wie er einer Wahr­sa­gung folgend ein Jahr lang kein Flugzeug besteigt und über Wasser oder Land durch Asien reist. Nichts davon. So bewegend das Leben Terzanis war, so still ist der Film konzi­piert. Der Zuschauer befindet sich dabei in der gleichen Situation wie Folco Terzani. Er kann nur zuhören, nichts miter­leben.

Hat man sich aber erst an die Statik der Handlung und des Schau­platzes gewöhnt, ziehen das beein­dru­ckende Schau­spiel von Bruno Ganz, die wunder­schöne Land­schaft und das ernste Thema den Zuschauer in Bann. Das Ende ist iein Anfang will kein einfaches Biopic sein, sondern ein lehr­rei­cher Erfah­rungs­be­richt. Folco Tezani ging es vor allem um die philo­so­phi­schen Gedanken seines Vaters. »Eine histo­ri­sche Rekon­struk­tion hat mich nicht inter­es­siert«, sagte er. »Sicher, es waren tolle Geschichten, die mein Vater erlebt hat, aber jeder hat solche Geschichten. Was mich inter­es­sierte waren seine Schluss­fol­ge­rungen. Wenn er sein ganzes Leben hier verbracht hätte, wenn er mir erzählt hätte, wie er Pilze gesucht oder die Schafe auf die Weiden in den Bergen gebracht hätte, und er aus diesen Geschichten seine Schluss­fol­ge­rungen gezogen hätte, für mich wäre es das Gleiche gewesen.«

Die Ausein­an­der­set­zung mit dem Tod ist das zentrale Thema der Geschichte. Wie bereitet man sich darauf vor? Was macht ein zufrie­denes Leben aus? Die philo­so­phi­sche Diskus­sion um den bevor­ste­henden Abschied zwischen Vater und Sohn hebt schließ­lich auch deren Beziehung auf eine andere Ebene. Eindrucks­voll schaffen es Bruno Ganz und der italie­ni­sche Schau­spieler Elio Germano (Mein Bruder ist ein Einzel­kind) das reser­vierte, aber dennoch liebe­volle Verhältnis der beiden darzu­stellen. Dass Germano gar kein deutsch spricht und lediglich auf Schlüs­sel­wörter reagiert, merkt man seinem Spiel nicht an. Leider wirkt die deutsche Synchro­ni­sa­tion sehr befremd­lich, wenn er spricht.

Gedreht wurde im Haus der Terzanis in der Toskana. Das macht den Film noch authen­ti­scher. Das Drama bringt den Figuren und ihrer Geschichte viel Respekt entgegen und verzichtet auf Ausschmü­ckungen und künst­liche Spannung. Das Ende ist mein Anfang ist ein gedan­ken­voller, ruhiger Film, der den Zuschauer nach­denk­lich das Kino verlassen lässt. Eine ansehn­liche Philo­so­phie­stunde und dabei eine ergrei­fende Fami­li­en­ge­schichte.