Deutschland/Portugal 2016 · 101 min. · FSK: ab 16 Regie: Jonas Rothlaender Drehbuch: Jonas Rothlaender, Sebastian Bleyl Kamera: Alexander Haßkerl Darsteller: Luise Heyer, Golo Euler, Albano Jerónimo, Pirjo Lonka, Duarte Grilo u.a. |
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Eine erotische Passionsgeschichte |
Es beginnt mit dem Tod: Ein junger Arzt, Fabian, kann die Frau nicht retten, die auf seinem Notfalltisch liegt. Er ist schockiert: Denn die schöne Tote erinnert ihn auf fatale Weise an Doro, seine verflossene Liebe. Fabian hatte sie sich schon nach der Trennung ganz aus dem Kopf geschlagen – doch nun ist sie wieder da, und lässt ihn nicht mehr los. Vielleicht war die fremde Frau ja ein Zeichen aus dem Reich der Toten?
Dies ist ein Film über Erinnerung und über die Macht der Phantasie.
Kurzerhand bricht Fabian alle Brücken hinter sich ab, und entschließt sich, nach Lisssbon zu fliegen, wo Doro jetzt lebt und als Architektin arbeitet. Mit allen Mitteln will er um sie kämpfen, es noch einmal mit ihr versuchen. Fabian besorgt sich eine Wohnung, besucht einen Portugiesisch-Sprachkurs und findet eine Stelle.
Auch Doro trifft er bald. Sie ist zunächst zwar höchst irritiert, doch zugleich auch erkennbar geschmeichelt. Obwohl es ihr an Verehrern nicht mangelt, genießt sie Fabians Aufmerksamkeit, sein Interesse, das Spiel seines Liebeswerbens. Und irgendwann ist sie sich sicher, dass Fabian sich tatsächlich geändert hat, und ihre Liebe eine zweite Chance hat. Sie verliebt sich wieder. Doch in Lissabon lauern zugleich die Geister der Vergangenheit und auch wenn wir Zuschauer zuerst noch nicht wissen, warum sich beide damals eigentlich getrennt hatten, erkennt man bald, woran es lag, dass ihre Beziehung einst gescheitert ist: Die Bilder in Fabians Kopf beginnen die Realität zu überlagern, sich mit ihr ununterscheidbar zu mischen. Und die Liebesgeschichte wandelt sich in eine Eifersuchtsgeschichte, aus der etwas Pathologisches wird: Stalking, der geliebte Mensch als Droge, von der man nicht herunter kommt. Dies ist eine Passionsgeschichte, vor allem aber die Tragödie zweier Menschen, die nicht voneinander lassen können, aber sich immer wieder aufs Neue zerfleischen. Weil Fado in Lissabon spielt, sind prachtvolle Bilder garantiert – und sogar das berühmte Erdbeben von 1755 wird im Film zitiert.
Viaggio in Italia heißt jener große Film des Neorealisten Roberto Rossellini, in dem dieser ein mittelaltes Ehepaar auf Italienreise zeigt, und das Fremd-sein in einer Beziehung in der Fremde entfaltet. Dieser Film steht aus dem Hintergrund Pate für dieses so ungewöhnliches wie herausragendes Spielfilmdebüt aus Deutschland
Streckenweise ist dies ein intelligente psychopathologische Studie über krankhafte Eifersucht und deren Facetten: Wir beginnen zu verstehen: Für den, der Eifersucht empfindet, sind alle Bilder wahr. Für ihn ist das alles Realität, auch wenn es imaginiert ist. Eifersucht ist echtes intensives Kino. Kopfkino.
So fragt man sich stellenweise, ob nicht alles, was man hier sieht, eine Phantasie ist? Dann begreift man, dass das zwar nicht stimmt, dass man den Bildern auf der Leinwand aber auch nicht trauen darf. Sein und Schein, Phantastik und Realität überlagern sich bis zur Ununterscheidbarkeit in diesem Beziehungs-Thriller voller Intensität. Was bildet er sich ein, was ist real? Mit dieser Unklarheit spielt der Film.
Wie in seinem sehr persönlichen Dokumentarfilm Familie haben, in dem Jonas Rothlaender, ein Absolvent der »Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin« (dffb) von seiner eigenen Familie, und von unterdrückten Gefühle erzählte, geht es auch hier um abgespaltene Ängste und Emotionen. Rothlaenders Spielfilmdebüt wird mit Golo Euler und Luise Heyer von zwei herausragenden Hauptdarstellern getragen. Der Film verlangt ihnen – im besten Sinn – einiges ab: Die Darstellung intensiver, oft extremer Gefühlszustände, wie sie im gern kontrollierten, oft kühlen, immer säuberlich aufgeräumten und darum so aseptischen deutschen Autorenkino alles andere als alltäglich sind. Dazu gehören auch Sexszenen, die mal die Phantasie darstellen, mal die Realität.
Lissabon, Hauptstadt Portugals und des Fado, der taumelnden, von Melancholie und Sehnsucht erfüllten portugiesischen Tanzmusik, ist der dritte Hauptdarsteller in diesem Beziehungs-Drama, das eine sich ins Extrem steigernde Eifersucht zum Thema der Erzählung macht. Die Stadt ist ein Antagonist, die sich der Hauptfigur Fabian entgegenstellt, zugleich aber auch eine Art Spiegel, die die Gefühlszustände der Protagonisten vervielfacht. In Lissabons malerisch verwinkelten Gassen verlieren sich Doro und Fabian, und finden sich wieder – zwei Schlafwandler der Liebe.
Optisch wie in seiner Inszenierung ist dies ein beeindruckendes Werk, das manchmal an Alfred Hitchcocks Vertigo erinnert – in dem es auch um die Macht der Erinnerung geht, die sich über die Gegenwart legt, um einen Mann, der gewissermaßen in seinen Zwängen und seinen Wahnvorstellungen gefangen ist, und eine Frau trifft, die eine Doppelgängerin ist, oder eben doch nicht.
Aus Liebe wird Suspense – eine fesselnde Geschichte und ein kluger, zwingender Film zwischen Liebesleidenschaft und Todestrieb, zwischen Passion und Wahn. Er ist auf allen Ebenen außergewöhnlich gestaltet: der flirrenden, eine phantastisch-albtraumhafte Ebene integrierenden Kamera, der die Stimmungen intensivierenden Tonspur und der suggestiven Inszenierung. Die sehnsuchtsvollen Melodien des »Fado« erklingen zwar immer mal wieder. Mehr noch aber als zu hören, ist der Fado im Film zu spüren. Seine Lieder handeln meist von unglücklicher Liebe und der Name »Fado« heißt – Schicksal.