USA 2017 · 134 min. · FSK: ab 16 Regie: Scott Cooper Drehbuch: Scott Cooper Kamera: Masanobu Takayanagi Darsteller: Christian Bale, Rosamund Pike, Wes Studi, Adam Beach, Ben Foster u.a. |
||
Zeit zu reden. |
»Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.« – Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, 5.6
Nach den so düsteren wie großartigen Bestandsaufnahmen indianischer Gegenwart in Taylor Sheridans Wind River (2017) und Chloé Zhaos The Rider (2017), in denen indigene, indianische Kultur sowohl durch wirtschaftliche Interessen als auch durch amerikanische Populärkultur stark unter Druck geschildert wird, ist es an der Zeit, das Bild auch mal wieder durch einen historischen Exkurs komplettiert zu sehen.
Doch Scott Coopers Hostiles als schlichten »Exkurs« zu bezeichnen, greift sicherlich zu kurz, denn was Cooper in Hostiles erzählt, ist tatsächlich mehr als die Geschichte der bis an die äußerste Peripherie zurückgedrängten Kultur indianischen Lebens des Jahres 1892. Es gibt zwar immer noch Angriffe der Komantschen auf Farmen und Militärstützpunkte, doch der Krieg ist im Grunde verloren. Streunende Apachen-Familien werden gejagt und eingefangen, einer der großen Häuptlinge der Cheyenne, Yellow Hawk (Wes Studi), sitzt in Haft, seinem Bezwinger, Captain Joseph J. Blocker (Christian Bale), geht es jedoch nicht viel besser. Ausgebrannt wie viele seiner Mitsoldaten vollzieht er Dienst nach Pflicht, sind es die Mauern seines inneren Gefängnisses, das ihn ähnlich dahinsiechen lässt wie seinen großen Erzfeind Yellow Hawk. Als der amerikanische Präsident im Zuge einer neuen Versöhnungspolitik anweist, dass der an Krebs erkrankte Yellow Hawk in die Heimat seiner Ahnen überführt werden soll, geht der Auftrag an Blocker, der als einer der wenigen auch die Sprache des Feindes spricht. Blocker wehrt sich, geht dann aber doch.
Ist Hostiles bis hier ein fast klassischer Western, in dem Gut und Böse mehr oder weniger klar definiert sind und damit fast so etwas wie eine Erinnerung daran, was der Western für lange Zeit war, bindet Cooper mit der erzählerischen Wende die vielen Wege ein, die der Western seit den 1980ern gegangen ist. Mit Hilfe der wuchtigen, brutal-schönen Bilderwelten von Masanobu Takayanagi, Max Richters schwermütiger Musik und einer pessimistischen Erzählhaltung, die trotz kleiner Verschnaufpausen ungeahnte Tiefen passiert und immer wieder von einem fast zärtlichen Pathos durchdrungen wird, lässt Cooper fast alle großen Western der letzten Jahrzehnte anklingen: mal ist es die historische und tragische Maßlosigkeit von Michael Ciminos Heaven’s Gate, dann die ethnografische Alltagspräzision und das akkurate Frauenbild von Kelly Reichardts Meek’s Cutoff oder die hereinbrechende Moderne von Andrew Dominiks Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford.
Gleichzeitig findet Cooper mit jeder weiteren Minute seines 133 Minuten langen Films mehr zu sich, bettet eine Liebesgeschichte in die Erzählung ein, die an sich nicht nur schon ungewöhnlich ist, sondern die auch noch Grundlage dafür ist, eine der faszinierendsten Frauenfiguren der letzten Jahre zu zeichnen, denn wie Rosalee Quaid (Rosamund Pike) vom Opfer zur charakterstarken Frau reift, ist nicht nur aufregend, sondern auch psychologisch so fein gezeichnet, wie man es nur selten sieht. Auch bei den anderen Protagonisten, allen voran Christian Bale, zeigt sich Coopers Talent, aus Schauspielern, die in den letzten Jahren kaum mehr überrascht haben, völlig neue Facetten zu triggern, so wie bei Jeff Bridges in Crazy Heart oder Johnny Depp in Coopers Black Mass.
Die schauspielerische Raffinesse, die den Film bis in die letzten Momente trägt, wird allerdings auch durch Coopers präzise Details nicht nur in der historischen Ausstattung verstärkt, sondern vor allem auch durch Coopers überraschend komplexe ethnologische Recherchen. Denn in Hostiles sind Indianer nicht wie sonst üblich einfach nur Indianer (so wie im eurozentristischen Kontext alle Afrikaner gemeinhin Afrikaner sind), sondern korrekterweise Apachen, Cheyenne oder Komantschen, die alle ihre eigene Sprache sprechen. Und Christian Bale nach intensivem Sprachtraining durch einen indigenen Cheyenne in Cheyenne sprechen zu hören, ist es an sich schon wert, Hostiles anzusehen. Doch Cooper reicht das nicht, er bemüht sich um weitere Differenzierungen dieser historischen Epoche, zeichnet sowohl die indianischen Ethnien als auch die weißen Gruppen in vielen Facetten. Auf beiden Seiten gibt es weniger klare Schwarz-Weiss-Schattierungen als diffuse Grauzonen und das Gute ist vom Bösen nur selten zu trennen. So präzise ist sein Bild, dass sogar der ansonsten sehr kritische National Congress of American Indians (NCAI) Hostiles für seine authentische Repräsentation indianischer Kultur und indianischer Sprachen lobte.
Mag Coopers fast grimmiger Fokus auf die Sprache und das Miteinander-Sprechen für die einen vielleicht eine allzu simple Lösung der Krisenüberwindung sich feindlich gesinnter Kulturen sein, bestechend ist sie allemal und sicherlich viel zu wenig angewandt. Denn sieht man sich etwa die erschütternd-grotesken Szenen der Sprachlosigkeit in Samuel Maoszs FOXTROT an, befreit sich Hostiles sofort aus seinem historischen Korsett und wird zur Blaupause unserer immer sprachloser werdenden Gegenwart.