Deutschland 2017 · 104 min. · FSK: ab 16 Regie: Jan Henrik Stahlberg Produktion: Saralisa Volm Drehbuch: Jan Henrik Stahlberg, Wolfram Fleischhauer Kamera: Ferhat Yunus Topraklar Darsteller: Jan Henrik Stahlberg, Franz Rogowski, Susanne Bredehöft u.a. |
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Gnadenlose Bestandsaufnahme männlicher Identität? |
»Wir Männen wollen, dass man sich für uns interessiert – als Penis.«
– Franz Rogowski als Thorben in Fikkefuchs»Ich mag junge Frauen. Ich bin mir da treu geblieben.«
– Jan Henrik Stahlberg als Rocky in Fikkefuchs»Patriarchat hört sich immer so an, als ob die Männer die Gewinner wären, aber ich habe im Puff keinen einzigen Mann erlebt, der sich wie ein Gewinner gefühlt hat. Sie fühlten sich abgehängt, verschämt, irgendwie unter Druck, wussten irgendwie auch nicht und hatten darauf gehofft, dass Paula ihnen beim Sex irgendwas wegmacht, damit sie sich auf ihre Arbeit, ihre Kinder und ihre Frau konzentrieren können.«
– Ilan Stephanie im Interview mit Ann-Kathrin Eckardt in der Süddeutschen Zeitung vom 20.10.2017
Wie jede gute Komödie polarisiert auch Jan Henrik Stahlbergs Fikkefuchs bis in die Grundfesten. Als ich nach der Weltpremiere von Fikkefuchs auf dem Münchner Filmfest meine Kollegin Dunja Bialas traf, konnten die Eindrücke nicht unterschiedlicher sein (ihr Verriss siehe unten). Und mit Kollege Leo Mayer ging es mir nicht anders. Der fasste sich nur an den Kopf.
Doch bei Fikkefuchs, einem nur mit Crowdfunding-Geldern, an den üblichen Filmförderungs-Gremien vorbei realisiertem Film, reicht die Polarisierung ein paar Tage vor Filmstart sogar noch weiter als über die gewöhnlichen, inzestuösen Kritikerstreitereien hinaus: In Frankfurt und München dürfen die Werbeplakate für Fikkefuchs nicht an den Bus- und Bahnhaltestellen platziert werden, weil sie den jeweiligen Stadtwerken zu anzüglich sind. »In der U-Bahn kommt die Werbung einem viel näher, man kann ihr schlechter ausweichen – gerade auch mit Kindern. Das hat zu unserer Ablehnung geführt«, erklärte Matthias Korte, Sprecher der Münchner Verkehrsgesellschaft, die Entscheidung gegenüber der »Bild«-Zeitung. Für die Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main ist das Plakat gleich noch mehr, nicht nur anzüglich, sondern auch sexistisch und frauenfeindlich.
Willkommen in einem weiteren Zeitabschnitt menschlich-moralischer Restauration, willkommen in einem Deutschland, das schon lang den Anschluss an die wirklich radikale, weil sich um keinen Deut scherende Komödienkultur verloren hat. Doch zum Glück wird Jan Henrik Stahlbergs Film nicht auch noch gleich verboten, müssen wir also nicht mit Sehnsucht auf thematisch und politisch ähnlich inkorrekt ausgerichtete Komödien wie Judd Appatows The 40 Year Old Virgin blicken.
Wie bei Appatow will auch in Fikkefuchs ein Mann endlich wissen, was es mit Sex und sexualisierter Männlichkeit auf sich hat. Thorben (Franz Rogowski) ist deswegen schon auffällig und straffällig geworden und wendet sich schließlich an seinen mutmaßlichen Vater Rocky (Jan Henrik Stahlberg), von dem er bislang kaum etwas wusste, der aber von sich behauptet, alles über Frauen zu wissen, vor allem über junge Frauen und wie man sie für sich gewinnt.
Was sich in dieser kurzen Zusammenfassung ein wenig plump anhören mag, ist es in Stahlbergs Film allerdings überhaupt nicht. Denn Fikkefuchs geht in seiner gnadenlosen Bestandsaufnahme männlicher Sprachlosigkeit, Sexualität, Sehnsucht und Selbstdefinition über den tiefschwarzen Humor von Stahlbergs Debüt Muxmäuschenstill noch einmal hinaus, werden zwar auch in Fikkefuchs Momente grausamer Peinlichkeit gezeigt und Fremdschämmomente derartig grotesk ins Bewusstsein des Betrachters gemeißelt, dass man kaum mehr weitersehen möchte – würde man nicht gleichzeitig lachen.
Doch gelingt es Stahlberg und seinem Ko-Autor Wolfram Fleischhauer selbst diesen »Point-of-no-return« einfach einzusacken und aus der grotesken Komödie im letzten Drittel des Films in eine zarte Tragödie umzuschwenken. Und auch damit überzeugend zu bleiben und explizit anzudeuten, dass es in Fikkefuchs wie Stahlberg sagt, »nicht um Frauen als Opfer, sondern Männer, die sie zu Opfern machen und eben dabei selbst total arme Würste sind« geht. Und um die Sehnsucht eines jeden Menschen, auf seine wie auch immer verquere Art zu lieben und geliebt zu werden. Damit wird auch deutlich, wie weit der Weg war, den Stahlberg und Fleischhauer gehen mussten, um dieses wilde, raue, ungeschliffene Komödien-Destillat zu brennen – war Fleischhauers eigentliche Inspiration doch Eve Enslers »Vagina-Monologe«, die er nicht auf weiter Flur stehen lassen, sondern ihnen ein paar 'Penis-Monologe' an die Seite stellen wollte.
Das Schöne an Fikkefuchs ist dabei, das Stahlberg und Fleischhauer es ein wenig wie die Farrelly-Brüder in ihren Komödien halten und den Bogen auch mal überspannen, Ekel ausstellen ohne witzig zu sein; sich offensichtliche Timing-Fehler leisten; mal intuitiv, dann wohl bedacht mit einem Ideen- und Geschichtenkonvolut umherschmeissen, das nicht allen gefallen will und auch nicht allen gefallen wird, über dass es sich aber gerade im Rahmen der zwar dringend notwendigen, aber inzwischen hyperventilierenden Me Too-Debatte toll streiten lässt. Dabei war der schon 2015 abgedrehte Film gar nicht als Subkommentar zu dieser Debatte gedacht, aber was damals vielleicht noch nicht auf Promi-Ebene angekommen war, lag zweifelsohne schon damals in den Wunden unseres Alltagsvollzugs bloß und macht Fikkefuchs damit zu einem kongenialen Soundtrack der Empörung unserer Tage.
Manche Filme, zumal deutsche Low-Budget-Produktionen, sind von einem anekdotischen Raunen begleitet. Fikkefuchs, der am heutigen Donnerstag startet, ist so ein Fall. Vier Jahre nach Jakob Lass' Love Steaks (»ganz ohne Fördergelder entstanden«) haben wir es wieder mit einem Film zu tun, der seinen eigenen Weg gesucht und gefunden hat. »Ein Crowdfunding- und Low-Budget-Projekt, das seinen Machern alles abverlangte, soziale Härten inklusive, ihnen dafür aber etwas Großes schenkte: Freiheit«, jubelte am vergangenen Montag »Kultur-Richter« Peter Richter auf Seite drei der »Süddeutschen Zeitung«, die für gefühlige Reportagen reserviert ist. Deswegen fügt er ins Portfolio der Charakteristika auch noch das Empathie weckende Wort »Selbstausbeutung« hinzu.
Hinzu kommt das ganze personale Setting des Films, das zur Legendenbildung beiträgt: Produzentin Saralisa Volm debütierte 2006 in Klaus Lemkes Finale als Schauspielerin. Jetzt hat sie mit Fikkefuchs ihren ersten Film produziert und damit gleich ins ganz und gar unkorrekte Fach gegriffen: Es geht um Sex. Nicht um irgendeinen Sex. Um Brachialsex. Also: ums Ficken. Und wie die Männer damit nicht umgehen können. Mit der Vorstellung davon, aber auch nicht mit dem Aussprechen des Wortes.
Der Film ist ein Phänomen, das muss man sagen. Ich habe selten erlebt, wie etwas zugleich derart frauen- wie männerfeindlich sein kann. Frauen werden hier als eine einzige sexuelle Provokation dargestellt, die »ihre Avocados in die Auslage legen«, und da muss man dann doch danach greifen und gucken, ob sie weich sind! Die beiden Männer, um die es geht, Vater und Sohn, fordern von den Frauen Penisfixierung ein, damit ihnen – oversexed und underfucked – endlich Satisfaktion beschieden sein mag. Grenzdebil und schwanzgesteuert lassen sie sich durch den Film treiben, während sich unter ihren Blicken die Ausschnitte der Frauen entblößen und die Schenkel spreizen. Immer wieder sieht man dann auch das, wonach es sie gelüstet: Sex. Als eingebettete Pornosequenz oder als Realfick im Auto (Anekdote: Dafür hat sich die Casterin höchstpersönlich hergegeben, »das Geld war alle«.)
Stichwort: Degradierung der Frau zum Objekt, um zu zeigen, dass der Mann von heute nicht mehr weiß, wohin mit seiner Sexualität. Bei den ganzen Angeboten unserer Bilderwelt und der allherrschenden Freizügigkeit!
Leute, Männer, all die, mit denen ich sprach und die mir weis machen wollten, dass der Film zeige, wie sie sich fühlen (wie mein Kollege Axel Timo Purr, siehe seine positive Besprechung oben): Echt jetzt? Seid ihr wirklich immer noch so testosterongesteuert wie in der Ära der breiten Schulterpolster, als die »Männer« wie in Doris Dörries gleichnamigem Film in ihrer Sensibilität entdeckt wurden? Fühlt ihr euch wirklich erkannt, wenn so ungelenk darauf hingewiesen wird, dass ihr einen weichen Kern habt, euren harten aber trotzdem reinstecken wollt? Braucht ihr wirklich eine Therapeutin qua Mutterersatz (Susanne Bredehöft), die euch jetzt mal ordentlich die Leviten liest, aber dann sanft (wie auch sonst) den Weg zu euch selbst weist?
Dieser Film ist eine Satire. Ja-ha. Und da geht’s dann auch schon weiter mit den Anekdoten. Eine Berliner Podiumsdiskussion soll den Film als »heteronormativ« und »toxisch« beschimpft haben. »Humor« fordert dagegen Regisseur Jan Henrik Stahlberg. »Ich will darüber [über die Probleme der Männer] lachen.« Wer nicht lacht, hat also keinen Humor? Herrenwitze stehen nicht erst seit Brüderles Dirndl-Anspielung gesellschaftlich schlecht da, also packen wir doch noch eine Ladung Obszönität obendrauf. Und fertig ist die Satire. Wer jetzt nicht lacht beim zwanghaften Sex-Tourette: ist bestimmt eine Frau.
Weil Filmsatire als Disziplin wirklich schwierig ist, zumal wenn aufs Schenkelklopfen gesetzt wird (haha!), ist Fikkefuchs eine Aneinanderreihung von – je nachdem, wie man’s nimmt – komischen Situationen, deren Höhepunkte (haha!) in einer ausgedehnten Kotzszene liegen (selten so gesoffen und gekotzt!), in oben erwähnter Fickszene, und, am Ende, die sexuelle Erfüllung unter einem Baum auf einer griechischen Insel, bevor der Tod des prostatakrebskranken (darf nicht fehlen, die Tragik des Lebens) Vaters eintritt. Läuterung! Liebe!
Einzige Lichtblicke: Susanne Bredehöft, der man das seelenverführerische Wesen zwischen Puffmutter und Naturheilerin sofort abnimmt (demnächst zu sehen in Der Lange Sommer der Theorie), und natürlich Franz Rogowski, der mit bewährter Unerschrockenheit den Sexkranken spielt (eine ähnliche Rolle hatte er bereits in Love Steaks) und immerhin gefühlte 99% im Bild ist.
Und noch etwas: Weder ist der Film eine freizügige Antwort auf Me-too, noch gibt er dem sexuellen Missverständnis zwischen den Geschlechtern oder dem Unwohlsein des Mannes Ausdruck. Der Film ist, seien wir doch mal ehrlich, nur eine unerträglich altbacken grundierte Klischeeinszenierung, dabei gnadenlos deutsch-humorig. Ach, was jetzt: Man wird doch wohl mal lachen dürfen!