USA 2014 · 125 min. · FSK: ab 16 Regie: Sam Taylor-Johnson Drehbuch: Kelly Marcel Kamera: Seamus McGarvey Darsteller: Jamie Dornan, Dakota Johnson, Jennifer Ehle, Luke Grimes, Marcia Gay Harden u.a. |
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Schlechtes Buch, schlechter Film |
Was ist bloß mit dieser Familie los? Nachdem Grace Kelly Fürstin von Monaco wurde, avancierte Anfang der sechziger Jahre die bis dahin unbekannte Tippi Hedren zu Alfred Hitchcocks neuer Vorzeigeblondine durch ihre Hauptrollen in Die Vögel und Marnie. Man munkelt, dass es daran lag, dass sie sich der persönlichen Avancen des beleibten Masters of Suspense erwehrte, dass Hedren von Hitchcock anschließend wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen wurde. Unvergesslich ist bis heute, wie Hedren in Marnie eine psychisch mehrfach gestörte Frau spielt, die eine ungesunde Beziehung mit einem von Sean Connery verkörperten dominanten Kontrollfreak eingeht.
Tippi Hedren ist die Mutter der Schauspielerin Melanie Griffith. Jene spielte 1984 gleich in zwei Filmen der damals wohl umstrittentsten amerikanischen Regisseure überhaupt mit. Melanie Griffith zeigte vollen Körpereinsatz als Stripperin in Abel Ferraras B-Movie Fear City und als strippende Porno-Darstellerin in Brian de Palmas lustvoll, schmieriger Hitchcock-Hommage Body Double.
Melanie Griffith wiederum hat gemeinsam mit dem Schauspieler Don Johnson die schauspielernde Tochter Dakota Johnson (The Social Network). Die spielt in der Soft-SM-Verfilmung Fifty Shades of Grey die sexuell gänzlich unerfahrene Studentin Anastasia Steele, die von dem jungen dominanten Milliardär Christian Grey (Jamie Dornan) in dessen düstere Welt aus Dominanz und Unterwerfung eingeführt wird.
Zu dem unerwarteten Weltbestseller »Fifty Shades of Grey« wurde bereits mehr als genug geschrieben. Man sollte aber wissen, dass der Roman ursprünglich als Fan-Fiction auf einer Internetseite zur »Twilight«-Trilogie erschienen ist und anschließend für die Buchveröffentlichung nur minimal abgeändert wurde. Die Autorin Erika Leonard hat die Roman-Trilogie »Fifty Shades of Grey« unter dem Pseudonym E. L. James herausgebracht. Dort verarbeitet sie keine eigenen Erfahrungen, sondern ihre Vorstellung davon, was BDSM ist. Ihre kruden Fantasien werden deshalb nicht der ernsthaften Literatur zum Thema Sadomasochismus, sondern dem »Mommy’s Porn« zugerechnet.
Die Fantasiewelt von »E. L. James« ist eine Mischung von Herrenmagazin-Wunschvorstellungen und einer aus Groschenheften für Frauen genährten Romantik. Letztere bestimmen auch das Niveau der Dialoge des Buches, die in der Verfilmung zum großen Teil übernommen wurden. Zum Thema Sadomasochismus liefert der Film Bilder, wie man sie aus der Parfumwerbung kennt und unterfüttert diese mit ein wenig Küchenpsychologie und gängigen Klischees, wie dem, dass ein dominanter Mensch beim sadomasochistischem Spiel psychische Defekte ausagiert.
Christian Grey ist ein gefühlskalter Machtmensch, der jede Menge Geld, aber kein Herz besitzt. Anastasia Steele verkörpert hingegen die herzensgute Unschuld vom Lande, die voller romantischer Gefühle und mit Anfang zwanzig noch immer Jungfrau ist. Damit der Zuschauer diesen komplexen Sachverhalt auch ganz sicher durchschaut, wird dieser in einem kurzen, prägnanten Dialog zur Sprache gebracht: Anastasis: »Wo ist dein Herz?« – Darauf Christian: »Ich habe keins.«
Diese Art von Dialogen verbindet sich mit Bildern, die in ihrer Klischeebeladenheit und in ihrer Plakativität ebenfalls nichts zu wünschen übrig lassen: Da haben die beiden beispielsweise zum ersten Mal gemeinsam Sex und das auch noch ganz kuschelig im Bett (Christian: »Das habe ich vorher noch nie gemacht.«). Als die frisch entjungferte Anastasia anschließend nachts aus ihrem sanften Schlummer erwacht, sitzt Christian nackt am Klavier und spielt ein romantisch-trauriges Stück (Anastasia: »Alles, was du spielst, klingt so traurig.«). Die Szene ist so gelackt wie das Bechstein-Klavier, auf dem Christian spielt. Der schöne Mann am edlen Instrument ist links unten im Bild platziert. Hinter ihm eröffnen sich die raumhohen Panoramafenster seines Luxus-Apartments und gegen einen atemberaubenden Blick auf die Skyline von Seattle frei.
Christian Grey ist ein echter Gewinner: Mit größtmöglicher Lässigkeit und Souveränität bewegt er sich in einer Luxuskarosse, dem firmeneigenen Helikopter oder im Segelflugzeug. Nur zu verständlich, dass er sich da der unbedarften Anastasia gegenüber kaum ein süffisantes Grinsen verkneifen kann. Als er seiner Angebeteten erstmalig sanft den Popo versohlt und Anastasia mit einem leisen lustvollen Stöhnen reagiert, sagt Christian selbstzufrieden: »Welcome to my world!«
Um es kurz zu machen: Fifty Shades of Grey gelingt es, aus einem schlechten Buch einen ebenfalls schlechten Film zu machen. Darüber hinaus offenbart sich der Film als ein herausragender Vertreter der Kategorie »so bad, it’s good!«. Bei der Pressevorführung auf der Berlinale sorgte der Film jedenfalls nicht nur für ein hohes Maß an Erheiterung, sondern provozierte zudem sogar ein ums andere Mal kräftigen Szenenapplaus.
Die Macher der Berlinale haben offensichtlich verstanden, wie man richtig Kasse macht. 2014 gab es den (auch als Hardcore-Version bekannten) Director’s Cut von Lars von Triers Nymphomaniac zu sehen. 2015 folgt Fifty Shades of Grey. Da darf man schon jetzt gespannt sein, was auf der 66. Berinale 2016 folgen wird – Von der 69. Berlinale 2019 einmal ganz zu schweigen...