Österreich/Deutschland 2013 · 115 min. · FSK: ab 12 Regie: Andreas Prochaska Drehbuchvorlage: Thomas Willmann Drehbuch: Martin Ambrosch, Andreas Prochaska Kamera: Thomas W. Kienast Darsteller: Sam Riley, Paula Beer, Tobias Moretti, Clemens Schick, Helmuth A. Häusler u.a. |
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Seine stahlblauen Blicke können töten: Tobias Moretti |
So nennen sie im Das finstere Tal die Daguerreotypie-Kamera, mit der im Gepäck der Fremde in ihr abgeschiedenes Dorf einreitet: Ein »Spiegel mit Gedächtnis«. Ein Apparat, der die Dinge aufnimmt, sie reflektiert, transformiert und doch auch bewahrt, der Vorbild und eigene Perspektive auf einer Silberschicht verschmilzt.
Und für mich ist das auch eine schöne Metapher geworden für das Verhältnis der Kino-Adaption zu meinem literarischen
Erstgeborenen.
Zu oft sind Romanverfilmungen nicht viel mehr als bewegte Illustrationen: Sie entspringen diesem seltsamen, uralten Drang, die Kopfbilder der Lektüre dingfest zu machen, zu veräußerlichen. Und je buchstabengetreuer sie das tun, je größer ist meist die Gefahr, dass sie enttäuschen.
Das Glück von Das finstere Tal ist in meinen Augen, dass es nicht einfach eine gelungene Verfilmung sein will und ist. Sondern ein großartiger Film.
Der Wunsch, einen Western zu drehen – einen heimischen, in den Alpen – war bei Andreas Prochaska schon da, bevor er meinen Roman »Das Finstere Tal« zufällig durch eine Zeitungskritik entdeckte. Und dass der Roman ihm in gewisser Hinsicht Mittel zum Zweck war, ist das Beste, was ihm passieren konnte.
Andreas Prochaska und Drehbuchautor Martin Ambrosch haben sich dem Buch mit ruchlosem Respekt statt in Ehrfurchtsstarre genähert. Und in dem Bewusstsein, dass man oft genau
dem Buchstaben untreu werden muss, um den Geist einzufangen.
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Dieses Einfangen des Geists freilich war deutlich auch ein Ziel – der Roman diente nicht als bloßes Geschichten-Gerüst oder Ideen-Steinbruch wie bei manch klassischem Film z.B. von Hitchcock. Andreas Prochaskas Das finstere Tal hat das Grundsätzliche des Buchs begriffen und erfasst:
Wie das Buch schämt sich der Film nicht seiner/s Genres. Mich hat beim Schreiben weder das Ironisieren interessiert, noch das überraschende Spiel mit den, das Brechen
der Regeln. Meine Faszination war die des Genres als Ritual, der Kraft des Archetyps – wo fast wie bei einem Gottesdienst bekannte Elemente, urvertrauter Text zur Aufführung gebracht werden, jedoch, wenn’s gelingt, mit Präsenz und Magie im Moment der Aktualisierung. Ähnlich geht es dem Film darum, die Muster und Bilder des Genres mit Wucht zu erfüllen, statt sie zu brechen.
Wie im Buch ist die Landschaft omnipräsent und alles prägend, aber nicht dekorativ oder romantisch – ein harter, bedrückender Hintergrund, keine Postkarte. (Ein automatisches K.O.-Kriterium bei der Filmrechtevergabe war für mich stets, die Befürchtung zu spüren, dass es im Film Hubschrauberpanoramen der Berge geben könnte.)
Beim Schreiben war es zudem immer wieder das spezielle Licht, das für mich die Vorstellung einer Szene lebendig gemacht hat. Und es ist geradezu unheimlich, wie sehr die Bilder des Kameramanns Thomas Kienast das für mich widerspiegeln, wie sehr er die mal bleiche, mal harte Sonne des Winters, den Lampen-, Feuer-, Fackelschein, die Schatten des finsteren Tals, die einst nur durch meine Fantasie leuchteten und zuckten und spukten, eingefangen hat. Wie sehr dieses Licht, diese Farben
im Zusammenspiel mit der Ausstattung von Claus Amler und den Kostümen von Natascha Curtius-Noss exakt das Gefühl in mir wachrufen, das dieser fiktiven Welt schon beim Schreiben eigen war und sie durchdrang. Wie sehr dieser Film in seiner visuellen Textur für mich diese Welt in einem wirklich geradezu taktilen Sinn spürbar, greifbar macht. Wie sehr er nach jener Welt klingt, die ich beim Schreiben betreten habe, wie vertraut und nah mir die Geräusche der Sounddesign-Komposition
vorkommen.
Und freilich auch: Die Gesichter, die den Film bevölkern! Paula Beers Augen, durch die mich die wahre Luzi anblickt: Ein zierliches, zerbrechliches Persönchen, einerseits, aber auch von einer ungemeinen Stärke, Entschlossenheit, fordernd, manchmal spöttisch, verurteilend gegenüber dem Unrecht, und doch voll tiefsitzender Hoffnung. Tobias Morettis Bösewicht, dem die unverschämte Selbstsicherheit aus der Miene strotzt – einer, der gewohnt ist, jeden
Widerstand so unmittelbar niederzuknüppeln, dass es ihn zunächst fast mehr amüsiert, reizt als erzürnt, wenn da plötzlich einer ernsthaft den Aufstand probt. Die ganzen Brenner-Brüder, die im Buch schemenhaft bleiben und hier zu einer Gruppe von Charakterköpfen werden. Die Gaderin in ihrer tragischen Leidergebenheit; der junge, hilflose Lukas, der schließlich doch über sich hinauswächst, und seine Eltern; der herrlich herrische Pfarrer; die Wirtin; der Schmied – bis zur
kleinsten Komparsenrolle sind das alles Physiognomien und Darsteller, die keine Worte brauchen, um mit einem und auf einen Blick viel zu erzählen.
Nichts davon sieht dabei im Konkreten so aus, wie ich es gezeichnet hätte, wenn man mich gezwungen hätte, die Bilder aus meinem Kopf anders als mit Worten zu Papier zu bringen. Aber alles trifft genau den Geist, weckt in mir das identische Gefühl.
Und schließlich hat ein aus seinen bisherigen Filmen erkennbares Kriterium für mich von Anfang an für Andreas Prochaska als geeignetem Regisseur gesprochen: Etwas, das ich gern seinen »mitfühlenden Sadismus« nenne. »Das finstere Tal«, der Roman, macht keinen Hehl daraus, dass die fiktive Darstellung von Gewalt einen Reiz hat. Seit Kindertagen hat das Dunkle, Grausige, Brutale in der Fiktion eine Anziehung auf mich ausgeübt – und diese hat auch mein Schreiben geprägt. Zugleich aber habe ich mich bemüht, dass die Gewalt im Buch nicht beliebig und gleichgültig ist, dass sie weh tut und man mit ihren Opfern fühlt, man sie als Menschen empfindet. Meinem Eindruck nach ist das bei Andreas Prochaska ganz ähnlich: Das Zeitlupen-Zelebrieren der Todesmomente und der Schmerz, die traumatische Nachwirkung, gehen Hand in Hand.
Und so hat er auch einen der entscheidensten Punkte begriffen: Dass der Shootout zwar der Höhepunkt an äußerer Action – der wahre Showdown aber das Aufeinandertreffen von Greider und dem alten Brenner ist. Das scheinbar stille, rein psychologische Duell, das sich mit einer Geste, einer Berührung entscheidet – wenn der sieche Tyrann den vermeintlichen Rächer auffordert, sich auf die Bettstatt zu setzen, Greider plötzlich so klein mit Cowboy-Hut wird, und der Alte ihm letztlich einen Akt der Gnade abtrotzt. Was Hans-Michael Rehberg und Sam Riley aus dieser Szene machen, lässt mir auch beim zehnten Sehen noch den Atem stocken und die Gänsehaut rauf- und runterlaufen. Und es ist der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Geschichte. Denn, freilich, bei allen biblischen Referenzen: Im Grunde ist Greider vor allem eine Ödipus-Figur, und das verborgene Programm nicht die Rache, sondern die Auseinandersetzung mit dem (möglichen, wahrscheinlichen) Vater.
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Der Roman war von Anfang an sehr bewusst als eine Art Kopfkino angelegt: Erzählt über das Sicht- und Hörbare, über Bilder, Blicke, Oberflächen, Lichtstimmungen, Rhythmus, mit möglichst wenig expliziten Innenperspektiven, ausbuchstabierten Gedankenlesereien. Für eine realen Leinwand-Version bedeutete das wohl immer eine verführerische Gefahr: So hoffentlich filmisch und damit leicht über-/umsetzbar die einzelnen Szenen wirken, so entscheidend ist in Wahrheit doch ein anderer
Faktor. Nämlich der der Zeit.
Die wahre Kunst eines adaptierten Drehbuchs ist es, eine Gesamtstruktur zu finden für einen Film – und da ist der Roman eben gar nicht so unmittelbar leinwandtauglich. Da haben Ambrosch und Prochaska eine Essenz des Buchs herauspräpariert und neu (re-)konstruiert – eine Art Skelett-Transplantation, die wundersamerweise Herz und Kopf, die alle wichtigen Organe und äußere Wiedererkennbarkeit intakt lässt bei einem eigentlich völlig
neuen Körper.
Aber es ist eben eine Essenz von mehreren vorstellbaren; all die grundlegenden Gemeinsamkeiten von Buch und Film paaren sich mit einer eigenständigen Sichtweise, mit eigenen Schwerpunkten und Interpretationen.
Das Spiel mit den biblischen Anklängen und Zitaten etwa tritt im Film in den Hintergrund. Es gibt, durch das Streichen des expliziten Western-Kapitels, keine »First Temptation of Greider« mehr, keine Ahnung eines metaphysisch Bösen. Es bleibt die rein
menschliche Niedertracht und Brutalität, die psychologisch motivierte Ausübung von Macht und Rache. Und es tritt dafür deutlicher eben die ödipale, freudianische Schicht des Ganzen hervor: Ich bin sicher, dass sich ein wunderbarer psychoanalytischer Essay schreiben ließe über die Rolle von Blicken, Blendungen, Nägeln und Gewehren in dem Film.
Das liegt nicht zuletzt an der vielleicht kongenialsten Übersetzerleistung des Films: Dass er Greider vom Maler zum Photographen gemacht hat.
Im photographischen Medium Kino ist dies das viel treffendere Äquivalent für den Zeichenstift, die Malerleinwand. Es öffnet Ebenen der Selbstreflexivität – eben: ein Spiegel mit Gedächntis –, verbindet unmittelbarer den Akt des Sehens mit der Psychologie von Greiders Rache. Und hat mit dem Metronom, das die
Belichtungszeit misst, ein großartiges Leitmotiv in den Film gebracht, das unterschwellige Verbindungen stiftet zwischen so vielen seiner Themen: Das Vergehen von Zeit, die Unerbittlichkeit, das Photographieren und das Töten, die Schläge der Vernichtung und die Rückkehr zu einer Regelgemäßheit – für all das und mehr steht dieser eine Gegenstand im Film. (Und ja, ich bin Ambrosch und Prochaska fei schon ein bisserl neidisch auf den Einfall...)
Das finstere Tal, die Leinwandvariante, ist dabei noch entschiedener ein Western als mein Roman – forciert dessen Genre-Elemente, nimmt die des Heimatromans und -films zurück. Oder auch: Er ist durchgehend mehr ein Amalgam aus beidem, wo das Buch stärker den Kontrast, das Aufeinandertreffen der beiden Welten inszeniert.
Wie mir überhaupt scheint, dass der Film eine größere, homogenere Synthese schafft der Dinge, die im Roman oft Gegenpole oder
Entwicklungen sind. Am stärksten empfinde ich das bei dem »Helden«: Im Buch ist Greider länger der überlegene, kühle, undurchsichtige Held von Eastwoodscher Art – was auch daran liegt, dass mir selbst die Figur erst während des Schreibens langsam unheimlich wurde, ich mich erst allmählich immer mehr mit der Frage auseinandergesetzt habe, was diesen Kerl eigentlich antreibt, was es wirklich ist, das er da auslöschen will. Und ob sein Vorhaben mehr Aussicht hat auf wahre
Erfüllung als das des alten Brenner.
Sam Rileys Greider ist von Anfang an jener vom Ende des Romans: Einer, der das Tragische, Unerfüllbare schon bei der Ankunft in den traurigen Augen trägt. Einer, der ahnt, dass er zwar nicht anders kann als zu tun, was er tun wird – ihm dadurch aber kein Glück beschieden sein wird, weil er in Wahrheit schon immer in sich trägt, was er zu vernichten sucht. Und der es im Grunde eher billigend in Kauf nimmt, dass er dabei ein tatsächliches
Unrechts-Regime beendet.
Rückblickend scheint es von fast unausweichlicher Konsequenz, dass da der Shootout anders aussehen musste als im Buch – aber es ist eine der Sachen, denen Andreas Prochaska erst beim Dreh nachgespürt hat, nachgegangen ist. Nicht die kühl-sadistische Überlegenheit Greiders aus dem Buch war da das Richtige, sondern ein fast in der von ihm selbst gestellten Falle gefangener Held und ein chaotisches, fieberheißes, blutrauschvernebeltes Gemetzel im weißen, harten Schnee.
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Finde ich den Film absolut perfekt in jeder Sekunde? Nein, freilich nicht: Wenn man einen Film so oft und so intensiv, so millimetergenau und mit hämmerndem Herzen betrachtet wie ich diesen, dann gibt es immer irgendwo einen Satz, eine Einstellung, einen Schnitt, eine Note, an denen man noch rumdiskutieren könnte, an denen der Zweifel einen winzigen Gallentropfen träufelt. Wie auch nicht? Aber das Wunder dieses Films ist für mich, dass es wirklich nur eine halbe Handvoll solcher
Details sind, die ich nicht mit heller Begeisterung erlebe.
Dafür gibt es eine andere Kategorie von Kleinigkeiten, die für mich umso reicher und schöner ist. Da es sich für mich anfühlt, als hätten die Filmemacher und ich die gleiche fiktionale Welt betreten, und uns jeder für sich darin umgeschaut, kann ich auf der Leinwand dort nun Sachen erblicken, die ich beim Schreiben übersehen hatte, nicht sehen konnte:
Die im Licht tanzenden Flusen von Greiders weißen Handschuhen beim
Entwickeln seiner Bilder. Das panische Zittern seines Widersachers beim Nachladen der Schrotpatronen im finalen Feuergefecht. Der traurige, schon insgeheim alles vorhersehende, wissende Blick Breisers, bevor er sich in den Beichtstuhl bitten lässt. Das Brechen des Eises auf den Waschschüsseln. Die kurz zu erhaschenden Ahnungen von den Frauen der Brenner-Brüder, die wie stumme Geister deren Hof bevölkern. Und viele solcher Entdeckungen am Rande mehr.
Es gehört ja zu den Absurditäten der Schriftstellerei, dass man im Grunde versucht, Bücher zu schreiben, die man selbst gern lesen möchte. Um am Ende mit einem Text dazustehen, der einem viel zu nah und bis in die Poren bekannt ist, der viel zu geprägt ist von der Erinnerung an die Arbeit daran, den man viel zu oft wieder und wieder aus handwerklicher Perspektive gelesen und umgeschnitzt hat, als dass man ihn wie ein gewöhnlicher Leser wahrnehmen und genießen könnte.
Und
wäre auf der Leinwand nun nur eine brave Illustration des Buchs zu sehen, ginge es mir damit wohl nicht viel anders. Was mir Andreas Prochaskas Interpretation geschenkt hat, ist quasi die Möglichkeit, »Das Finstere Tal« durch neue, andere Augen zu lesen. Dessen Welt auch als ein in eine Heimat zurückkehrender Fremder zu betreten. Ohne dabei durch meine eigene Einbildungskraft beschränkt zu sein.
Das finstere Tal ist nicht der Film, den ich mir vorgestellt
habe. Nicht der Film, den ich selbst mir hätte vorstellen können. Und das ist so ziemlich das Schönste, was mir passieren konnte.
Diese Sekunde war genug, dass aus dem Lauf Greiders ein zweiter Feuerstoß brechen konnte. Der Kopf des Jungen wurde herumgerissen, als hätte ihn jemand mit einem Klatschen hinter ihm erschreckt, und dann schleuderte es seinen Oberkörper wie von einem heftigen Stoß nach vorn, flach in den Schnee, wo er schlaff, mit rot sickerndem Haupt noch ein, zwei Mal mit den Gliedern zuckte und dann reglos liegen blieb. – Thomas Willmann, »Das finstere Tal«
Allein dieser eine Absatz aus der Feder von Artechock-Autor Thomas Willmann erklärt alles. Erklärt, warum aus dem Erfolgsroman unbedingt ein Film werden musste, wenn sich die Vorlage schon wie eine Szenenbeschreibungen liest. Erklärt, warum der Film Das finstere Tal so wahrhaftig und authentisch wirkt: Der Roman liefert minutiöse Beschreibungen, der Figuren, ihrer Blicke, ihrer Körper und Kleidung, der Häuser, in denen sie leben, des Tals, und dann: der Ablauf von Handlungen, auch von Momenten, alles durch Sprache festgehalten, als hätte eine Kamera sie aufgezeichnet.
Im Finsteren Tal begegnet sich der Western mit dem Heimatfilm. Tobias Morretti mit seinen stahlblauen Augen und seinem furchteinflößenden Blick spielt den ältesten der sechs Brenner-Buben, einer Bauern-Dynastie entstammend, die im 19. Jahrhundert Schrecken und Finsternis über ein abgelegenes, erdrückend enges Alpental gebracht hat. Das sind die Bösen, die Schurken, die Herrscher über Häuser und Höfe. Ihr einziger Gegenspieler ist Greider. Greider kommt aus Amerika in das enge Tal. Bringt nicht nur seine Kamera mit, mit der er die Dorfbewohner porträtiert, sondern auch Ideen von Freiheit und Selbstbestimmung und trägt mit ihnen Licht ins Dunkel des Tals. Vor allem bringt er aber mit: Rachegedanken und sein Repetiergewehr.
Wie im guten Heimatfilm geht es in Das finstere Tal um die Landschaft, die Berge, um das dörfliche Arbeiten, um ein Liebespaar, das heiraten wird. Und es geht um alte Bräuche, die Angst und Schrecken in die Häuser tragen und von den Dorfbewohnern stumm hingenommen werden. In dem Tal fügt man sich der Tradition, gegen etwas, was immer so war, wird nicht aufbegehrt. Es ist Winter, und der Schnee liegt als dicke Decke über dem großen Geheimnis der Bewohner, schneidet das Dorf auch im übertragenen Sinn von der Außenwelt ab.
Andreas Prochaska hat diese beklemmende und klaustrophobisch stimmende Grundsituation kongenial in Szene gesetzt. Sein Film ergeht sich wie die Romanvorlage in bildlichen Beschreibungen, die Stimmungen aufbringen und Handlung sich ganz allmählich und wie beiläufig ereignen lässt. Die Bilder von Kameramann Thomas Kienast ertasten die Dunkelheit, lassen Blicke aufblitzen und Schemen erahnen. Unter den Füßen der Männer knirscht der in der Kälte gefrorene Schnee, und in der Kirche, als geheiratet wird, wird Hauch geatmet, so kalt ist es.
Den Film durchzieht dabei eine Genre-gemäße Wortkargheit. Hier wird, wie man es aus den Bergdörfern und von den Western-Männergesellschaften kennt, wenig gesprochen. Und das wenige, das sitzt. Gesprochen wird ein alpenländischer Fantasie-Dialekt, dem Tirolerischen nachempfunden, aber gerade noch verständlich. Greider, gespielt vom Briten Sam Riley, spricht eine andere Sprache. Nicht nur ein klareres Deutsch, versehen mit einem amerikanischen Zungenschlag. Er spricht die Sprache der Rache: seine Blicke sind immer auf der Hut, beobachten das Dorf, nehmen den Gegner ins Visier. Seine Schritte: sind lautlos. Fast überall kann er sein, taucht plötzlich auf, überraschend, anders als die lärmenden Brenner-Buam. Und er spricht die Sprache der familiären Liebe und der Freiheit, die dem Dorf unbekannt ist.
Und dann ist da noch Luzi. Sie ist die Tochter einer alleinstehenden Bäuerin, bei der Greider unterkommt, und sie erzählt in knappen Worten aus dem Off, was im Tal passiert. Eine weibliche Stimme, die dagegen hält, gegen die männliche Macht, die über die Frauen ausgeübt wird. Prochaska erzählt so auf Off-On-Ebene auch ganz beiläufig die Geschichte einer Emanzipation.
Das finstere Tal ist Genre durch und durch, im Cinemascope-Format, mit Pferden, Gewehren, Hüten, Blicken, die Gesichter sind wettergegerbt, und die Konflikte werden entweder in der Gaststätte oder im Freien als Zweikämpfe ausgetragen, bis es den großen Showdown gibt und die Gewehrkugeln pfeifen. Und über allem schwebt eine kinematographische Meisterschaft, der Bilder, der Stille, der Schauspieler, der Dialoge. Wenn der Film sich noch getraut hätte, auch die Gewalt authentisch zu machen und sie direkter, brutaler und härter zu zeigen, ganz wie es der Roman in Sprache fasst, dann wäre Das finstere Tal auf der Leinwand noch größer geworden.