USA 2008 · 110 min. · FSK: ab 12 Regie: Peter Segal Drehbuch: Tom J. Astle, Matt Ember Kamera: Dean Semler Darsteller: Steve Carell, Anne Hathaway, Dwayne Johnson, Alan Arkin, Terence Stamp u.a. |
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Rasante Persiflage |
Es gibt keine Unschuld mehr. Und vielleicht darf man daher solche Filme gar nicht machen. Weil sie nicht nur eine alte TV-Serie aus der Hochzeit des Kalten Kriegs fürs Kino recyceln, sondern damit automatisch auch ein Lebensgefühl und eine Naivität nicht nur des Humors zitieren, die längst ein für alle Mal vergangen sind, schlichte Träume auch vom glamourösen Agentenleben mit schönen Frauen, kühlen Drinks, irgendwo zwischen Ägypten und Rio, Venedig und Hongkong. Heute dagegen meinen wir zu wissen, dass Geheimagenten eigentlich Langweiler sind, unterbezahlte Spießer in häßlichen Räumen, Bürokraten, die auch nicht mehr Ahnung von den Dingen haben, als wir vor unserem Fernseher, die ihre simplen Interpretationen aber immer wieder als Wahrheiten verkaufen müssen, obwohl die Wahrheit doch längst abgeschafft wurde in der Postmoderne. Allenfalls also tragische, komplexe Figuren im Schatten zwischen Anspruch und Wirklichkeit, aber nie und nimmer glamourös.
Weil wir zuviel wissen, weil wir in einem neuen Biedermeier leben, dessen versteckte Bosheit und Dämonie mit dieser Art heiterer Lässigkeit nicht zu erfassen ist, weil sie selbst lässig daherkommt, darum sind wir für solche Filme vielleicht gar nicht mehr gemacht. Richtig subversiv ist Get Smart nämlich nicht. Vielleicht muss man aber solche Filme machen, weil sie uns daran erinnern, dass alles auch anders sein könnte. Lachen befreit und »Camp«, schrieb Susan Sontag, »ist gut für die Verdauung.«
»Kaos« gegen »C.O.N.T.R.O.L.« – so einfach ist der Gegensatz in Get Smart. Ein böser sadistischer Schurke und Beethovenliebhaber mit dem symptomatisch germanischen Namen Konrad Siegfried, Chef der Terrororganisation »Kaos«, charakterlich angesiedelt irgendwo zwischen Blofeld und Kim Jong-il, will die Weltherrschaft und bedroht die USA mit einem Atomschlag. Dagegen kämpft »C.O.N.T.R.O.L.«, die menschlichere, aber eben auch leider fiktive Kino-Alternative zur CIA. Zwei »C.O.N.T.R.O.L.«-Experten, die überaus attraktive Agentin 99 (Anne Hathaway) und Maxwell Smart (Steve Carell), der eigentlich völlig überforderte und zum ewigen Schreibtischdienst verdammte Agent 86 erhalten den Auftrag, das zu verhindern.
Mehr muss man nicht wissen über den Plot des Films, denn weil dies alles nicht wirklich ernst gemeint ist, sondern nur Anlass für eine furiose Persiflage wird, kann man die Drohung auch nicht ernst nehmen – und Get Smart tut das zu keiner Sekunde. Selbst wenn der Showdown dann so spannend erzählt und inszeniert ist, wie in Hitchcocks The Man Who Knew Too Much, nur leider mit dem Zusatz, dass wir im Publikum auch immer zuviel wissen, in diesem Fall auch nie ernsthaft fürchten, dass im von Frank Gehry erbauten Disney Center von Los Angeles eine Atombombe zünden könnte. Der Weg ist das Ziel dieses Films, die Handlung liegt jenseits des Plots und besteht aus dem Parodieren allen Bombasts und Ernstes der Agenten- und Actionfilme, die Blockbusterpersiflage soll in Get Smart selbst Blockbuster werden.
Man muss dazu auch nicht wissen, dass Get Smart einst, seit 1965 als TV-Serie erfolgreich im US-Fernsehen lief und dann irgendwann auch in Westdeutschland unter dem Titel »Mini Max«, und für ein paar Jahre Kult wurde (Hier der berühmte Trailer der alten Serie: [http://www.youtube.com/watch?v=AvMj5LuT5hk]). Der Komiker Don Adams spielte Smart, Barbara Feldon 99, deren Namen man hier übrigens nie erfährt, und was schon sehr früh für den Kinofilm einnimmt, ist wie ähnlich seine Hauptdarsteller, der nerdig-liebenswerte Steve Carell und die einfach nur bezaubernde, immer noch sträflich unterschätzte Anne Hathaway den Fernsehdarstellern sind. Carell macht seine Sache gut, wirkt allenfalls etwas brav. In den Schatten ab er stellt ihn klar Anne Hathaway, die sich mit ihren Auftritten in Brokeback Mountain und Havoc längst von aller Plötzlich Prinzessin-Niedlichkeit gelöst hat. Als 99 lässt sie neue Talente sichtbar werden, und entwickelt eine wunderbare komische Seite. Carell und Hathaway haben nur knapp zwei Stunden Zeit, ein Leinwandverhältnis zu entwickeln, und so versteht man nicht recht, warum jetzt an manchen Orten zu lesen ist, »die Chemie« zwischen beiden stimme nicht. Wir finden: Sie stimmt perfekt! Auch in der TV-Serie ging es nie um Sex, sondern um Sexyness – schon deshalb, weil die Auftritte von Adams so comichaft und kalkuliert künstlich, so stand-up-comeadian waren, dass Smart im Gegensatz zu seinem weiblichen überlegenen Gegenüber nie ganz von dieser Welt schien.
Gewiss: Im Hollywood der Krise, in der ein Blockbuster nach dem nächsten ökonomisch enttäuscht, ist dieser Film auch ein neuer, verzweifelter Versuch, auf Nummer sicher zu gehen, indem man eine alte TV-Serie fürs Kino recycelt. Bei Mission: Impossible oder Charlie’s Angels hat das Rezept gut funktioniert, aber auch hier wird es Fans der alten Serie geben, die deren Charme vermissen – aber der lässt sich eben nicht reproduzieren; die Unschuld der Sechziger ist vorbei. Nur ist es auch ein bisschen sonderbar, wenn jetzt Menschen, die noch gar nicht auf der Welt waren, als Adams und Feldon im deutschen Fernsehen flirteten, sich über den fehlenden alten Serien-Charme echauffieren – das sagt eher etwas über die historistischen Gefühle unserer Gegenwart.
Regisseur Peter Segal (Die Wutprobe, 50 erste Dates) vermeidet den Fehler, eine solche Wiederbelebung dennoch zu versuchen, und dann zwangsläufig in Nostalgie zu ertrinken. Seinem Get Smart-Film gelingt es, ohne die Serie und den Geist von Erfinder Mel Brooks zu verraten, zeitgemäß zu sein, und das actiondürstende Teenagerpublikum anzusprechen und zugleich als ganz zeitlose Klamotte zu funktionieren: Das bringt Get Smart in die Nähe eines Louis-de-Funes-Films: Dies ist eine Klamotte, da hilft kein Herumgerede, alles ist sehr, sehr albern und manche Scherze sind ungemein platt und wahnsinnig blöd – aber ganz erstaunlicherweise funktionieren sie irgendwie doch! Und der Witz ist erwachsen, zotenarm und zumeist sehr geistreich.
Trotzdem strotzt der Film natürlich von Anspielungen auf die alte Serie. Offensichtlichen, wie dem Schuh-Telefon, oder dem »Cone of Silence«, und weniger deutlichen, wie Smarts immer ein bisschen zu enge Anzüge und seine immer wiederkehrenden Sätze: »Would you believe…?«, und »Missed it by THIS much«. Von Mel Brooks angedacht als Parodie der ersten Bond-Filme und Rip-Off von Peter Sellers’ »Inspector Clouseau«-Auftritten funktioniert das Ganze, obwohl man heute mit guten Gründen der Meinung sein kann, dass die Geheimdienste sich längst selber parodieren. Und obwohl ja Bond irgendwie schon immer auch eine Parodie seiner selbst war, und es spätestens seit Casino Royale wurde. Die alte Serie, entwickelt kurz nach der Cuba-Krise, auf dem Höhepunkt des atomaren Wettrüstens und des Vietnamkriegs war qua ihrer Natur anti-patriotisch. Sie gab den Ernst von Politik, Militär und Geheimdienst, auch das alldem inherente männliche Heldenideal, das selbst in den Bond-Filmen noch mitschlummert, der Lächerlichkeit preis.
So hat ganz nebenbei, und auch das ist Louis-de-Funes-like, auch dieser Film dann sogar ein paar richtig geistreiche Witze zur Gegenwart, der diese, und den Wahnsinn des „Kampf gegen den Terror“ ähnlich grob entlarvt, wie einst Kubrick das atomare Wettrüsten in Dr. Strangelove. Schon der Satz des »C.O.N.T.R.O.L.«-Chef (Alan Arkin) ist abgründig: »Wir sind keine Menschen, die anderen Zettel an den Kopf tackern – das ist CIA-Mist«. Aber wenn dann der Oberschurke beim US-Präsidenten anrufen und seine Bombendrohung loswerden will, und stattdessen in einer automatischen Telefonschleife landet: »Für Drohungen gegen die Ostküste drücken Sie bitte die 1, für Drohungen gegen die Westküste drücken Sie bitte die 2, für Drohungen gegen Hawaii bitte die 3«, dann ist das sehr böse, sehr trocken, und trotzdem wackelt das Kino vor Lachen.
Darüber hinaus gibt es viele herrliche kleine Szenen, wie die mit Bill Murray als Agent 13, um den sich in der Serie der Running Gag entwickelte, dass er immer an den absurdesten Orten zum Vorschein kommt. Hier ist er im Inneren eines Baumes versteckt. Oder die Auftritte von James Caan als US-Präsident, der – auch dies ein Grund, die Originalversion zu gucken – immer statt »nuclear« »nucular« sagt. Und während er bereits von der Drohung eines Atombombenschlags gegen Los Angeles informiert ist, liest er vor einer Schulklasse in dem Kinderbuch »Goodnight Moon« – wie George W. Bush am 11. September 2001. Ein Schüler sagt ihm: »Du wärst ein lausiger Lehrer« – und wird dezent aus dem Rahmen der Kamera gezogen. Auch hier gibt es übrigens keine Zufälle: So sollte einen früh stutzig machen, wenn ein Agent ausgerechnet die Nummer 23 trägt.
Das einzige Ärgernis ist eine deutsche Synchronisation, die nicht halb so geschmackvoll und charmant ist, wie das englische Original – wer kann, sollte sich dieses ansehen. Alles Übrige, nicht zuletzt auch die Chemie und der Witz seiner Darsteller, macht Get Smart zu einem überaus angenehmen, im besten Sinne kindischen Vergnügen.