USA/AUS 2008 · 116 min. · FSK: ab 12 Regie: Clint Eastwood Drehbuch: Nick Schenk Kamera: Tom Stern Darsteller: Clint Eastwood, Christopher Carley, Bee Vang, Ahney Her, Brian Haley u.a. |
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Selbstreferentieller Held: Clint Eastwood |
Walt Kowalski, ein ehemaliger Angestellter bei Ford, lebt in der Nähe von Detroit und verbringt seine Tage am liebsten mit Zigaretten und Bier auf der Veranda seines Hauses. Er ist ein verbitterter alter Mann mit klaren Vorstellungen von schwarz und weiß, richtig und falsch, gut und böse. Seine Weltsicht ist geprägt von rassistischen Vorurteilen, die sich Bekannten gegenüber in ebenso unterhaltsamen wie völlig unkorrekten Späßen ausdrücken. Fremden gegenüber verhält er sich offen ablehnend, und die zunehmend asiatische und lateinamerikanische Nachbarschaft betrachtet er mit Argwohn. Sein ihm wertvollster Besitz ist so altmodisch wie er selbst: ein Ford Gran Torino aus dem Jahr 1972. Nach dem Tod seiner Frau ist er auf sich allein gestellt, die längst erwachsenen Kinder kommen mit ihm nicht zurecht, scheinen ebenso wie seine Enkel nur auf seinen Tod zu warten. Als ein Konflikt asiatischer Jugendlicher auf seinem Vorgarten ausgetragen wird, greift er zur Waffe und vertreibt sie, ohne zu wissen, dass er dadurch zum Held der Nachbarschaft wird und sich zunehmend auf die Fremden von nebenan und ihre Probleme näher einlassen muss.
Der neue Film von Clint Eastwood soll angeblich der letzte sein, der ihn in einer Hauptrolle zeigt, und viele internationale Kritiken lesen sich fast schon wie ein Nachruf auf den Schauspieler und Regisseur. Dieser Umstand allein erklärt aber nicht den ungewöhnlich großen Erfolg des Films in den USA. Es ist vielmehr die Verbindung zwischen klassischer Hollywood-Unterhaltung und dem Anspruch, bestimmte sozialkritische Fragen zu stellen. Diese Geschichte will zweifellos einen Kommentar abgeben über die allgemeine Befindlichkeit der US-Bevölkerung, über Veränderungen in ihrem Selbstverständnis, was vor allem seit dem Ende der Ära Bush ein großes Thema ist. Das Thema Fremdenhass in einer Hollywood-Produktion, noch dazu vom Regisseur Eastwood, ließ auf einen interessanten, möglicherweise auf einen unbequemen Film schließen. Aber diese Erwartungen wurden nicht erfüllt, da Gran Torino den Schwerpunkt auf massenkompatible Unterhaltung legt, wirklich unangenehme Fragen vermeidet und ganz auf die selbstreferenzielle Figur des Hauptdarstellers zugeschnitten ist. Leider ist der Film dabei im Kern reaktionärer und naiver als es zunächst den Anschein hat und scheitert gerade dann, wenn er den Bereich der schwarzen Komödie verlässt und sich um ein ernsthaftes Drama bemüht.
Die Hauptfigur Walt Kowalsky ist dabei dem Hollywood-Veteran Eastwood derart auf den Leib geschrieben, dass man sich unweigerlich an klassische Italowestern und natürlich an seine alte Paraderolle als Dirty Harry erinnert fühlt. Eine selbstreferenziellere Figur als Walt Kowalsky jedenfalls hat es für den Schauspieler nie gegeben, so dass der ganze Film in der Tat den Charakter eines Abgesangs bekommt, bei dem der Zuschauer die von Eastwood dargestellten und längst zu Kultfiguren gewordenen Charaktere noch einmal an sich vorbeiziehen sieht. Gleichzeitig aber ist Eastwoods Verkörperung des konservativen grimmigen Mannes mit der Flinte in der Hand auch derart überzogen, dass stellenweise die Grenze zur Parodie überschritten wird. Angesichts des etwas unklaren Verhältnisses zwischen Humor und Ernsthaftigkeit, das sowohl auf das Drehbuch als auch auf die Inszenierung zurückgeführt werden kann, ist aber nur schwer zu sagen, ob und inwieweit die parodistische Übertreibung in der Figur Walt Kowalskys beabsichtigt gewesen ist. Die Leinwandpräsenz des Schauspielers ist dabei natürlich der Mittelpunkt des Films, sie überdeckt die unterdurchschnittlichen schauspielerischen Leistungen der Nebendarsteller, ebenso zahlreiche Schwächen im Drehbuch sowie eine etwas eigenartige Moralvorstellung, die im Verlauf der Geschichte immer mehr in den Vordergrund gerückt wird. Ob das am Ende zu einem überzeugenden Film führt, bleibt letzten Endes Ansichtssache.
Vor allem in der ersten Hälfte funktioniert das Konzept im Rahmen einer grimmigen Komödie: Kowalskys rassistische Kommentare den asiatischen Nachbarn gegenüber und die schlagfertigen Sprüche, mit denen er den jugendlich wirkenden Priester abfertigt, der ihn nach dem Tod seiner Frau immer wieder aufsucht, sind ebenso unkorrekt wie amüsant, da die Szenen hier sehr deutlich auf Situationskomik abzielen. Die Tatsache, dass er sich sogar über das ausländische Auto seines ältesten Sohnes entzürnen kann, spricht dabei für sich selbst. Die Enkelin, die erst in der Kirche bei der Beerdigung von Kowalskys Frau ungeniert SMS-Nachrichten tippt und den Großvater später fragt, ob sie nach seinem Tod dessen Oldtimer haben könnte, wird von ihm mit bösen Blicken und verächtlichem Ausspucken zurechtgewiesen. Auch der kommentarlose Rausschmiss des Sohnes, nachdem dieser den Umzug in ein Altenwohnheim nahelegt hat, ist im Rahmen einer Komödie inszeniert und wird von einer recht unaufdringlichen Kritik am Umgang zwischen jung und alt getragen. All das funktioniert recht gut ohne dabei zu schwermütig zu werden.
Im weiteren Verlauf des Films aber, wenn der grimmige Humor von sozialkritischen Untertönen immer stärker verdrängt wird, Kowalsky sich plötzlich in einen Helden verwandelt sieht und alles schließlich in einem pathetischen Showdown endet, stellt sich Gran Torino als unglaubwürdiges und etwas aufdringliches Lehrstück heraus. So wird beispielsweise in der Darstellung der Gangmitglieder, die sozusagen der eigentliche Motor der Geschichte sind, absolut oberflächlich verfahren: Sie sind und bleiben negative Figuren, auf deren Motivation oder Probleme sich der Film nicht im geringsten einlassen will. Auch die spätere Lehrerfigur, die Walt Kowalsky dem Nachbarsjungen Thao gegenüber einnimmt, ist im Grunde fragwürdig, da dieser zunächst beigebracht bekommt wie ein Mann zu fluchen und genau die rassistischen Sprüche lernt, die Kowalskys Weltsicht ein Leben lang geprägt hat. Im Grunde heißt es hier: Amerika verändert sich, aber die guten alten amerikanischen Werte lassen sich nicht verderben. Eine trügerische Idylle wird aufgebaut, und wer den Film nicht als reine Unterhaltung sieht, bekommt ein recht seltsames Weltbild präsentiert, das gerade zu einer globalisierten Welt einfach nicht passen will.
Das Ende des Films allerdings ist die größte Enttäuschung von Gran Torino: Einerseits könnte man argumentieren, dass mit der letztlich ausbleibenden Schießerei zwischen Kowalsky und den Gangmitgliedern die Zuschauererwartungen unterwandert werden, dass am Ende also ein Plädoyer für gewaltlose Konfliktlösungen steht. Andererseits aber wirkt die plötzliche Verwandlung des von Vorurteilen geprägten alten Kriegsveteranen zum Heiligen, der sich für die Gemeinschaft opfert, überhaupt nicht authentisch. Darüber hinaus wird zuletzt mit filmischen Klischees geradezu um sich geschmissen und der Heldentod der Hauptfigur mit allem Kitsch zelebriert.
Gran Torino mag sympathisch sein, vor allem wenn man darin Eastwoods letzte Leinwandrolle sehen will. Wenn der Film als rein subjektive Erzählung aus der Sicht der Hauptfigur inszeniert worden wäre, dann wären alle Übertreibungen letzten Endes legitimiert, als objektive Darstellung der Verhältnisse in den USA scheitert der Film allerdings. Da aber genau das zweifellos der Anspruch gewesen ist, bleibt Gran Torino eine eher zwiespältige und nicht gerade authentische Angelegenheit. Zuletzt handelt es sich bei diesem Film um einfache, ziemlich altmodische und recht vorhersehbare Unterhaltung, die deutlich schwächer ausgefallen ist als andere Regiearbeiten Eastwoods, wie beispielsweise Mystic River von 2003.