Deutschland 2014 · 116 min. · FSK: ab 12 Regie: Christian Alvart Drehbuch: Doron Wisotzky Kamera: Christof Wahl Darsteller: Sido, Fahri Yardim, Tedros Teclebrhan, Violetta Schurawlow, Mavie Hörbiger u.a. |
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Selber schuld, wer sich das anschaut |
Sitzen ein Fernsehredakteure, ein Filmförderer und ein Produzent zusammen. Sagt der der Fernsehredakteur: »Wir müssen unbedingt so was machen, wie Monsieur Claude und seine Töchter, aber wilder, irgendwie gegen den Strich gebürstet.« »Also Madame Claude und ihre Söhne?« fragt der Filmförderer, »Aber natürlich mit regionalem Bezug.« Darauf der Produzent: »Ja, aber lassen wir Madame Claude besser sterben. So 'ne alte Frau will doch keiner sehen.« Heraus kommt dann eine eierlegende Wollmilchsau, diesmal unter dem Titel Halbe Brüder. Politisch korrekt, aber ein bisschen geschmacklos, ohne Stilwillen, aber mit Zoten-Humor, immer so übertrieben, dass auch ja keiner einen Bezug zur Wirklichkeit findet, aber feige, wenn es darum geht, irgendwen zu provozieren.
Der Plot: Drei Brüder, eine Mutter, aber drei verschiedene Väter: Aus Afrika, der Türkei und aus Deutschland. Die Multikulti-Unterschiede der Brüder bestehen zwischen Hautfarbe, Sex und Musikgeschmack, ansonsten sind sie gleich brav, langweilig grunddeutsch verspießt. Julian, Addi und Yasin sind in jeder Hinsicht denkbar verschieden: Julian (Sido) ist ein strunzbraver deutscher Familienvater mit Hang zum Trickbetrug; Yasin (Fahri Yardim), ist verwöhnt, strebsam und türkisch, und Addi (Tedros Teclebrhan), ein so unerzogener, wie kindischer schwarzer Rapper. Im Büro eines Notars wird den dreien dann verkündet, dass sie doch etwas gemeinsam haben: Ihre Mutter, die zuerst mit verschiedenen Männern Söhne zeugte, dann ins Kloster zog, wo sie jetzt verstorben ist – nicht ohne ihren Sprößlingen 120.000 Euro vererbt zu haben.
Wahrscheinlich wäre ein Film über diese Mutter mit ihrer offensichtlichen Offenheit für fremde Kulturen spannender gewesen, als dieser dritte Aufguss einer blöden Grundidee. Am Spannendsten wäre natürlich eine Komödie über die Entstehung dieses Films gewesen – das hätte wirklich lustig werden können. Aber all sowas hat man sich anscheinend nicht getraut. Dafür trauen sich die Macher, ausgerechnet Roberto Blanco als einen der drei Väter ein paar peinliche Filmminuten lang zu verheizen. Sein Schlagerhit »Ein bisschen Spaß muss sein« bekommt ein Rap-Update.
Ein bisschen Spaß muss sein! – dies war in Deutschland schon immer mehr Drohung als Versprechen. Und auch Halbe Brüder ist das, was man in deutschen Humorentwicklungsstuben wohl einen »tollen Einfall« nennt: Denn das mütterliche Geld bekommen die drei natürlich nicht einfach so. In einer Art moralischem Hindernisparcours in Form einer Identitäts-Schnitzeljagd müssen sie sich kennenlernen, verstehen, einander helfen und – Vorsicht: Ereigniskarte! – böse Gangster besiegen, ohne sich von der Polizei erwischen zu lassen, um dann am Ende, wie man so sagt, »zu erfahren, was Familienzusammenhalt wirklich bedeutet«, denn ohne Moralmehlschwitze geht’s auch im schlimmsten deutschen Kino nicht.
Schon bei dieser Ausgangssituation hört man das Knarzen und Knirschen des Drehbuchgebälks bis in die letzte Kinoreihe. Und spätestens, wenn man anfängt, die ständigen Joints, die Addi anzündet, mitzuzählen, fragt man sich, was wohl die Erfinder von Halbe Brüder alles zu sich genommen hatten, als ihnen die Idee zu diesem Film kam. Und von Minute zu Minute verspielt Regisseur Christian Alvart, der durch den stilbewussten deutschen Psycho-Thriller Antikörper bekannt wurde, mehr an Achtung seiner Fans.
In Nebenrollen werden solide Könner wie Detlev Buck, Charly Hübner und Ralf »Ralle« Richter verheizt. Und für den Namen auf dem Plakat sind auch Wilson Gonzalez Ochsenknecht und Friedrich »Supergeil« Liechtenstein dabei. Inhaltlich wird in dieser losen Aneinanderreihung von Episoden in der Tradition der Supernasen-Reihe kaum eine Geschmacklosigkeit ausgelassen: Freiluftklo, Brusthaar-Entfernungsfolter, Schlammcatchen im Schwulen-Club – all das untermalt von ständigem Gerappe aus dem Ghettoblaster. Auch der Schlußsong spricht Bände: »Mama war ne Schlampe, jeder war mal drauf« – für Geld tun nicht nur deutsche Söhne sondern auch das deutsche Kino alles, so dass am Ende dieses 90-minütigen Humor-Dschungelcamps zumindest eines klar ist: Nach Halbe Brüder bleibt zur Erholung nur ein Kinokloster.