D/USA/GB 2008 · 119 min. · FSK: ab 12 Regie: Sandra Nettelbeck Drehbuch: Sandra Nettelbeck Kamera: Michael Bertl Darsteller: Ashley Judd, Goran Visnjic, Lauren Lee Smith, Alexia Fast, Alberta Watson u.a. |
Sieben Jahre ist es her, da feierte die deutsche Regisseurin Sandra Nettelbeck mit Bella Martha einen großen Erfolg. Martina Gedeck wurde mit dem Film erstmals international bekannt, und auch Sandra Nettelbeck bekam die Chance in den USA mit Hollywoodstars zu drehen. Das Resultat ist Helen, und zumindest in seinem Entstehungsprozess ist dies – ähnlich wie Oliver Hirschbiegels hierzulande nur als DVD gelaufener Invasion oder Caroline Links diverse gescheiterte Versuche für einen Hollywood-Film – ein Dokument für die Schwierigkeit für deutsche Filmemacher, in Amerika Fuß zu fassen.
Auch in Helen steht eine vermeintlich »starke« Frau im Zentrum, dies sich mit unerwarteten Problemen konfrontiert sieht. Diese sind in diesem Fall allerdings weitaus größer, als bei Bella Martha. Der Freitod des Fußballnationalspielers Robert Enke hat das Thema »Depression« bis in die Boulevardmedien hinein katapultiert. Helen bietet nun eine weitaus differenzierte Innenansicht dieser Krankheit.
Zuerst erlebt man Helen in ihrem ganz normalen Alltag: Eine selbstbewusste, gutaussehende, im Beruf erfolgreiche Frau um die Vierzig mit einem fürsorglichen Gatten und einer süßen Tochter. Doch alles Glück macht sie nicht gegen die heimtückischen Schläge einer bösen, auch für sie selbst kaum durchschaubaren Krankheit gefeit. Der Zuschauer wird Zeuge ihrer Zusammenbrüche, kleiner Hoffnungsschimmer und großer Rückschläge. Er wird Zeuge eines Zustands, gegen den es kaum
Hilfsmittel zu geben scheint. Im Mittelpunkt des Films steht vor allem der Konflikt zwischen der kranken Helen und ihrer Familie, die erfolglosen Versuche der Angehörigen, ihr Hilfe zu geben. Denn über die beliebtesten Ratschläge in solchen Fällen: »Lies ein Buch«, »Mach' mal Urlaub«, »Du musst auf andere Gedanken kommen«, kann sie nur lachen, weil sie völlig hilflos an den wahren Problemen vorbeigehen.
Schließlich verlässt Helen die Familie. Allein lebend begegnet sie einer jungen
Frau, die unter ähnlichen Problemen zu leiden scheint. Mit Hilfe von Parallelmontagen hat Nettelbeck diese Mathilda früh in den Film eingebaut. Mathilda stürzt sich ins Leben, betäubt sich mit Drogen und Sex.
Helen ist vor allem ein weiterer phänomenaler Auftritt von Ashley Judd in der Titelrolle. Nettelbecks Regie hingegen wirkt unentschieden und recht schwach, und das Drehbuch macht zu viele Tribute an Hollywood-Konventionen. Zudem fragt man sich, warum ein Film zu einem unschönen Thema eigentlich selber auf Schönheit verzichten und depressiv wirken muss. Kein Geringerer als Antonioni hat in L’eclisse oder Die rote Wüste schon das Gegenteil bewiesen.
Aber immerhin versucht Helen keine billige Psychologisierung. Stark ist der Film darin, die Außensicht der Angehörigen zu zeigen, die absolute Unmöglichkeit von Kommunikation mit der Kranken. Daher gelingt es Nettelbeck auch, zu zeigen,
dass »Depression« eigentlich ein Codewort für die Unfähigkeit der Ärzte ist, ein klare Diagnose zu liefern. Vor hundert Jahren hieß die Modekrankheit der Stunde »Hysterie«, in den 50ern sprach man von »Entfremdung«, heute ist es »Depression«. Man könnte auch mit der Barockliteratur von »Melancholie« sprechen und mit den Romantikern von grundsätzlicher »Heimatlosigkeit« sprechen, von dem abgrundtief traurigen Gefühl sich in der Welt nicht mehr zu Hause zu fühlen. Weil man
diese Gefühl in Zeiten der Biologisierung des Sozialen das Etikett des Naturgegeben, darum Unvermeidlichen anhängt, lässt auch dieser traurige Film keinen ernsthaften Ausweg zu.