Frankreich/USA 2015 · 75 min. Regie: Laurie Anderson Drehbuch: Laurie Anderson Musik: Laurie Anderson Kamera: Laurie Anderson, Toshiaki Ozawa, Joshua Zucker-Pluda Darsteller: Julian Schnabel, Laurie Anderson u.a. |
||
Herzerweichend: klavierspielender Terrier bei einem Benifizkonzert |
Heart of a Dog fügt sich in den derzeitigen Trend zum Essayistischen und zur Überschreitung der Grenzen zwischen Dokumentarfilm und Fiktion. Es ist ein Essayfilm, der Dinge, die einen überhaupt nicht interessieren müssen – Andersons Hund Lolabelle oder die tibetanisch-buddhistischen Lebensansichten der Künstlerin – mit Dingen, die nun wirklich hochinteressant sind verbindet: Andersons Biographie, die gesellschaftlich-politische
Verfassung der USA und die Frage, wie Erinnerung und Erzählung funktionieren, wie man erzählt, und ob es ein richtiges Erzählen gibt. Das Ergebnis auf der Leinwand ist in seinen besten Momenten wie ein Film von Chris Marker, dessen poetische Dichte und intellektuelle Schärfe Anderson dann aber doch nur selten erreicht. Immerhin entwickelt Heart of a Dog einen sehr eigenen Sog.
Der Kommentar, den Anderson logischerweise selber spricht, hat die Form eines
Tagebuchs, das sich gelegentlich in die Perspektive des Hundes hineinversetzt. Insgesamt enthält es ziemlich viel Verschrobenes oder Banales oder Pseudobedeutsames: »What are days for? To wake us up. What are nights for? To fall some time into another world.« Aber es gibt auch gute Witze, zum Beispiel über die »Homeland Security«, und es gibt die Geschichte (wenn wir Zuschauer sie glauben dürfen), wie Anderson als Zwölfjährige ihre beiden ins Wintereis eingebrochenen
Zwillingsbrüder nacheinander durch Tauchen aus dem kalten See wieder herausfischte. Und dann sagt sie einige der klügsten Sätze, die im Kino seit langer Zeit über das Erzählen zu hören waren: »The crucial thing about storytelling: Every time you tell it, you forget it more. You clean everything up.« Storytelling habe mit Vergessen zu tun.
Was man aus Heart of a Dog lernen kann: Es kommt unbedingt darauf an, das Erzählen dreckig und unrein zu machen, rau und wild.