Frankreich 2004 · 128 min. · FSK: ab 0 Regie: Bertrand Tavernier Drehbuch: Dominique Sampiero, Bertrand Tavernier, Tiffany Tavernier Kamera: Alain Choquart Schnitt: Sophie Brunet Darsteller: Jacques Gamblin, Isabelle Carré, Bruno Putzulu, Lara Guirao u.a. |
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Obsessiver Kinderwunsch |
Ein Paar aus wohlhabenden, bürgerlichen Verhältnissen reist nach Asien, in Kambodschas Hauptstadt Phnom-Penh. Es gießt wie aus Eimern, und von Anfang an sind die Verhältnisse ungemütlich. Trotzdem spürt man gleich auch die Faszination für die fremde Welt. Die Kamera folgt ihren neugierigen Blicken aufs Unbekannte, auf die Menschen, die an ihnen vorbei ziehen. Doch Pierre und Geraldine sind keine Touristen. Schnell erfahren wir: Sie kommen, weil sich ihr sehnlichster Wunsch, der nach einem Kind, weder auf natürlichem Weg, noch durch Adoption in der Heimat erfüllen lässt. Darum kommen sie hierher. Denn hier kann man, ganz legal, und scheinbar sehr unkompliziert, Kinder adoptieren.
Bertrand Tavernier steigt ganz unparteiisch, fast wie ein Dokumentarist in seinen neuen Film ein. Adoption, erst recht von Ditte-Welt-Kindern durch ein Paar aus der reichen Ersten Welt ist ein prekäres Thema, bei dem kein klares Werturteil auf der Hand liegt. In diesem Fall erhält es noch eine zusätzliche Facette durch die Tatsache, dass Kambodscha einst zum französischen Indochina gehörte, dass das Land dann in den Strudel des Kalten Kriegs hereingerissen und in den Indochina-Kriegen von ihm fast zerstört wurde – hier wurden mehr Bomben abgeworfen, als auf Nazi-Deutschland.
Zunächst müssen Pierre und Geraldine einfach warten. Sie treffen andere Paare in ähnlicher Lage, bekommen Kontakt zu einem Waisenhaus. Beide gehen keiner Anstrengung aus dem Weg. Holy Lola zeigt den leidenschaftlichen Wunsch vieler Paare nach einem Kind, auch die Obsession, ja Hysterie, die in diesem kompromisslos-unbedingten Kinderwunsch liegen kann. Doch im Zentrum steht nicht das »Warum?« sondern das »Wie?«, die Ökonomie der Adoption und die konkreten Probleme und moralisch-emotionalen Konflikte, mit denen solche Eltern konfrontiert sind. Tavernier zeigt eine Vorhölle aus Hoffnung und Enttäuschung, zeigt auch die persönliche Schuld, die nie ganz zu vermeiden ist.
Ganz zögerlich, illustrativ, nicht thesenhaft und auch hierin wieder fast dokumentarisch, gibt der Film aber Taverniers Überzeugung preis, dass diese Art der Adoption vielen Kindern ganz konkret hilft, dass durch sie Kinder vor viel Unglück bewahrt werden und Chancen erhalten, die sie in ihrem eigenen Land nicht bekommen. Denn auch in Kambodscha ist Kinderraub oder -verkauf an der Tagesordnung. Viele Opfer landen dann in Bordellen.
Taverniers Anklage dieser Verhältnisse, aber nicht minder der westlichen Gleichgültigkeit, ist offensichtlich, aber nie plump. Schonungslos zeigt er den Egoismus der Europäer, er zeigt aber auch Verständnis dafür. Sein Portrait der kambodschanischen Realität ist klar und empathisch zugleich – gerade diese Konsequenz und Parteilosigkeit seines Blicks ist die Stärke von Holy Lola.
Wie zuletzt Taverniers wunderbarer Ça commence aujourd´hui ist Holy Lola engagiertes Kino im klassischen Sinn, auf hohem filmischen Niveau und mit dokumentarischer Qualität. Der Film erzählt von zwingenden sozialen und politischen Fragen der Gegenwart und bezieht Position.