I Am Greta

Schweden 2020 · 101 min. · FSK: ab 0
Regie: Nathan Grossman
Drehbuch:
Kamera: Nathan Grossman
Schnitt: Charlotte Landelius, Hanna Lejonqvist
Filmszene »I Am Greta«
Ein bisschen zu sicher, was gut und richtig ist
(Foto: Filmwelt)

Die Erlöserin

Nicht der letzte Dokumentarfilm über Greta Thunberg: I Am Greta

»Gebt den Kindern das Kommando/ Sie berechnen nicht was sie tun/
Die Welt gehört in Kinder­hände/ Dem Trübsinn ein Ende/
Wir werden in Grund und Boden gelacht/ Kinder an die Macht/
Sie sind die wahren Anar­chisten/ Lieben das Chaos, räumen ab/
Kennen keine Rechte, keine Pflichten/ Noch unge­beugte Kraft/ Massen­haft«

- Herbert Gröne­meyer: »Kinder an die Macht«

Dieser Film war von Anfang an dabei. Schon an einem der ersten Tage im August 2018, als Greta Thunberg ihren »Schul­streik fürs Klima« begann – die Kamera zeigt sie von fern, aber ein Mikrophon lauscht ganz nahe mit, als Greta sich mit einer älteren Dame unterhält, die ihr rät, doch besser in die Schule zu gehen, als zu streiken.
Kurz darauf sieht man ein anderes, besonders schönes Bild: Sie sitzt da wirklich allein – oder scheinbar allein – auf den Straßen Stock­holms, und winkt einem kleinen Mädchen zu, das sie anguckt.

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Scheinbar allein – denn die Kamera ist immer dabei. Schon dieser frühe Moment der Anfänge der öffent­li­chen Karriere von Greta Thunberg, die sie zum Weltstar der Klima­retter-Bewegung machten, zeigen die Ambi­va­lenz, die diesen guten, sehr inter­es­santen Doku­men­tar­film im weiteren Verlauf durch­zieht: Einer­seits lernt man hier eine Greta kennen, die man bisher nicht kannte. Nämlich ein fröh­li­ches Kind von gerade mal 15 Jahren, das ihre Hunde liebt, das in freien Minuten gern tanzt, das sehr viel lacht und ausge­lassen sein kann, und auch ihrer medialen Präsenz und der öffent­li­chen Greta gegenüber ironische Distanz wahrt.

Auf der anderen Seite sieht man die mediale Insze­nie­rung. Denn so authen­tisch Greta hier auch sein mag, so sind diese »privaten« Momente eben nicht privat, sondern immer von einer Kamera begleitet, und von Greta und ihren Eltern für die globale Öffent­lich­keit frei­ge­geben. Das mag ohne böse Absicht geschehen sein – aber bestimmt nicht zufällig.
Wir sehen gerade in diesem Film nämlich auch, wie intel­li­gent Greta ist, wie wach und selbst­be­wusst. Sie selbst beschreibt ihre Auftritte in der UNO und anderen Orten sehr schnell als »Rollen­spiel« und als »fake«. Sie durch­schaut die Mecha­nismen der Öffent­lich­keit. Und das offenbar von Anfang an. Denn Mikrophon und Kamera waren ja schon an den ersten Tagen dabei.

Der Film macht von Anfang an klar, wo er steht. Deshalb kann man sich hier als Zuschauer auch selber plat­zieren: Denn über die Grund­hal­tung von Greta der Welt gegenüber kann man mit guten Gründen streiten: Es ist nämlich ein bisschen zu einfach, wenn sich eine 15-jährige hinstellt, und behauptet, dass alle anderen von nichts eine Ahnung haben, nur sie selbst. Niemand versteht irgendwas. Man begreift hier auch, dass Greta mit Demo­kratie nicht so viel am Hut hat. So sagt sie: »Menschen sind Herden­tiere und ich muss die Herde führen, ich muss die Herde warnen.«
Sätze wie »We will not stop until we are done.« kann man noch unschuldig verstehen. Den hohen Ton ihrer Reden und Gretas Recht­ha­berei mag man noch als normale Arroganz der Jugend abtun, obwohl der heilige Ernst und die tragische Gewiss­heit, das Sendungs­be­wusst­sein bei Greta auch immer wieder Züge des Fana­tismus annimmt. Es ist die Unbe­dingt­heit einer Hyper­moral, die die Gewiss­heit in sich trägt, an einer tieferen Wahrheit teil­zu­haben, und Botschaften höherer Mächte zu verkünden. Dazu kommen der Puri­ta­nismus des Entweder-Oder und der naive Glaube an einfache Lösungen.

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»Die Religion selbst findet keines­wegs im Jenseits statt.«
- Niklas Luhmann

Auch sonst behält der Doku­men­tar­film vom Schweden Nathan Grossmann, der Thunberg sogar auf ihrem berühmten Segeltörn über den Atlantik persön­lich beglei­tete, immer den Sinn für die Ambi­va­lenzen seines Themas: Etwa wenn er das Plakat eines Greta-Fans zeigt, auf dem zwar »It’s time to rebel« geschrieben steht, dann aber das dazu­gehö­rige Bild Greta mit einer Krone zeigt – Rebellen, die neue Köni­ginnen krönen.
Mitunter ist sich dieser Film auch ein bisschen zu sicher, was gut und richtig ist – das macht ihn nicht besser, sondern schlechter. Es gibt dann diesen einen Moment, an denen die Bösen oder die soge­nannten Bösen der Welt aufmar­schieren Trump, Bolsonaro, Putin und andere der üblichen Verdäch­tigen.
Auch schmieren die Filme­ma­cher – oder waren es die Fernseh-Redak­teure? – oft zu viel Kitsch­musik unter die Bilder, die diese Bilder nicht nur nicht nötig haben, sondern die ihnen schaden.