USA 2018 · 110 min. · FSK: ab 6 Regie: Andrew Erwin, Jon Erwin Drehbuch: Jon Erwin, Brent McCorkle Kamera: Kristopher Kimlin Darsteller: J. Michael Finley, Madeline Carroll, Dennis Quaid, Trace Adkins, Cloris Leachman u.a. |
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Erlösung durch Spiegelung |
Egal, wie souverän man sich bislang auch ohne christlichen Glauben durchs Leben geschlagen hat, wenn es an die Wunder kommt, wird es schwer. Und I Can Only Imagine der Erwin Brothers ist wieder so ein Fall, bei dem es sich nur schwer widerstehen lässt, zumal bei diesen Zahlen:
- der 2018 bislang erfolgreichste Independent-Film in den USA (Stand
09/2018).
- nach Black Panther und Tomb Raider der drittplatzierte Film an den US-Kinokassen am zweiten Märzwochenende 2018.
- nach Straight Outta Compton und Walk the Line das dritterfolgreichste Music-Bio-Pic aller Zeiten.
I Can Only Imagine ist auch der erfolgreichste Film seiner Regisseure Andrew und Jon Erwin, die bislang mit eher christlicher Durchschnittsware von sich reden machten und bei den Dove Awards der Gospel Music Association einige Male für ihre Musikvideos ausgezeichnet wurden. Ihre Arbeit in diesem Metier führte sie auch mit dem Sänger Bart Millard zusammen, dem Komponisten des erfolgreichsten christlichen Songs aller Zeiten, I can only imagine, der den Brüdern anbot, die Regie für die gerade anstehende Verfilmung seines Lebens und der Entstehungsgeschichte seines Songs zu führen.
Dass Millards Leben jedoch derartig abgründig war, damit rechneten wohl nicht einmal die Erwin-Brüder; Millard selbst hielt die Wahrheit über seine Mutter, die die Familie wegen eines trinkenden und schlagenden Vaters verlässt und den Vater mit dem Sohn allein zurücklässt, selbst in seiner späteren Ehe solange zurück, bis eine Paartherapie mit seiner Frau ihn dazu veranlasste, von seiner Vergangenheit zu erzählen, und er erstmals ausführte, was ihn zur Komposition seines Liedes animiert hat und was sein Leben ausmachte, bevor sich sein Vater dann doch noch änderte und schließlich viel zu früh starb.
Diese Abgründe sind es dann auch, die I Can Only Imagine zu einem sehenswerten Film machen; Abgründe trotz der üblichen Schwurbeleien, die christliche Filme in ihrer einfältigen Dreifaltigkeit von Krise – Erweckung – Erlösung so austausch- und vorhersehbar machen. Dies gilt natürlich auch für I Can Only Imagine, was etwa bei Dennis Quaid in der Rolle des Vater Arthur Millard offensichtlich wird, der unter der brachialen Schwarz-Weiß-Regie der Erwins schauspielerisch alles tut, was er kann, aber am Ende dann doch nur als farbloser Einfaltspinsel ohne Übergänge vom schwarzen Bösewicht zum weißen Bekehrten gezeichnet dasteht.
Doch die Differenzierungen, die an diesen Stellen fehlen, werden an anderen Stellen gesetzt, weil letztlich auch die Prioritäten gänzlich andere als im »Normalfilm« sind. Denn am Ende geht es natürlich um »Erlösung«, die im Fall von Bart Millard »Verzeihen« bedeutet. Und zwar einem Vater, dem man im »normalen« Leben unter keinen Umständen verzeihen würde können. Und letztlich geht es I Can Only Imagine auch nicht um so etwas simples wie die Bekehrung des Hauptprotagonisten, der schon lange vor seinem Vater die Kirche besucht und im Gospelchor gesungen hat.
Nein, das Überraschende und letztlich auch Berührende an I Can Only Imagine ist, dass jene Momente zu den stärksten im Film gehören, in denen die schon längst Bekehrten durch die Bekehrung ihres Gegenübers, also gewissermaßen über die Spiegelung des Glaubens ihres Gegenübers, zu einer noch einmal intensiveren, einer »kathartischen« Bekehrung finden und Gott damit noch einmal näher sind und damit erst völlig neue Beziehungen zu ihren Gegenübern etablieren können. Bart zu seinem Vater, indem er ihm verzeiht, die große Amy Grant gegenüber Bart, indem sie ihm spontan seinen Song, den er ihr bereits überschrieben hat, zurückschenkt.
Und dann ist da natürlich die Musik, die letztlich der ultimative Ausdruck dieser neuen Beziehungen ist, die ebenso »Entwicklungsroman« ist wie Barts »Coming-of-age« – der vom zögerlichen, verunsicherten Freizeitsänger zum Bandleader und Leadsänger von MercyMe wird und hier noch einmal eine musikalische Transformation durchlebt, die für einen außerhalb der christlichen Musikszene stehenden Betrachter allerdings nicht unbedingt ein Wandel zum Besseren ist.