USA 2017 · 102 min. · FSK: ab 0 Regie: Mike White Drehbuch: Mike White Kamera: Xavier Grobet Darsteller: Ben Stiller, Austin Abrams, Jenna Fischer, Michael Sheen, Jemaine Clement u.a. |
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Das Scheitern einer ganzen Gesellschaft |
Männer in der Midlife-Crisis dürften so häufig sein wie Samen im Skrotum. Dementsprechend sieht die Filmlandschaft aus, mit einem eindeutigen Schwerpunkt auf der Komödie. Und einem Filmkanon, der es durchaus in sich hat: John Ritter in Blake Edwards großartigem SKIN DEEP, Woody Allen und Adam Sandler ohne Ende und in den letzten Jahren, als er selbst in das Alter kam, immer wieder und immer mehr Ben Stiller – als Walter Mitty selbst inszeniert oder gleich zweimal von Noah Baumbach in Szene gesetzt: ein wenig flau in Gefühlt Mitte Zwanzig, dafür umso aufregender, weil erstmalig außerhalb seines komödiantischen Repertoirs in The Meyerowitz Stories (New and Selected). Diese Entwicklung findet nun einen vorerst letzten Höhepunkt. Denn was Mike White in Im Zweifel glücklich mit Stiller macht, aus ihm herausholt, ist nicht nur schauspielerisch großartig, sondern auch filmisch ein echter Glücksgriff, weil er das Thema »Midlife Crisis« endlich mal wieder mit Ernst verortet, ohne dass dabei gleich ein Samenleiter durchtrennt werden muss.
Das dürfte vor allem an Mike White liegen, der nicht nur als Drehbuchautor und Produzent an einer legendären Serie wie Freaks and Geeks mitgewirkt hat, sondern auch seinen eigenen psychischen Zusammenbruch im Filmgeschäft in der großartigen Serie Enlightened aufgearbeitet hat, mit einer überragenden Laura Dern als Alter Ego. Dass White nun erneut diese Thema, diesmal allerdings mit einem männlichen Hauptdarsteller und mit einer klassischen Midlife-Crisis kombiniert, zeigt allerdings nicht nur, wie sehr White diese Thematik persönlich betrifft, sondern vielmehr auch, dass das Selbstverständnis unseres kapitalistischen Dogmas uns inzwischen nicht nur familiär zerreißt, sondern bis ins Grab verfolgen dürfte.
White bedient sich hierfür einer klassischen Kernfamliensituation: Brad Sloan (Ben Stiller) und seine Frau Melanie (Jenna Fischer) sind stolz und verängstigt zugleich, dass ihr Sohn (Austin Abrams) die auf ihn projizierten Hoffnungen erfüllt und – musikalisch hochbegabt – an ein angesehenes College wechseln wird. Das ist vor allem für Brad wichtig, der über den Erfolg seines Sohnes seine eigenen Misserfolge vergessen möchte. Zwar hat er es geschafft eine NGO aufzubauen, doch ohne die großen Erfolge, die seine besten Freunde inzwischen aufzuzeigen haben. Dieses Vergleichsdenken verfolgt und quält Brad unablässig, während er mit seinem Sohn nach Boston fährt, um dort in Harvard und anderen Colleges vorzusprechen. Doch neben dem ihn völlig aushöhlenden Vergleichsdenken und übergriffigem Vater-Verhalten quält Brad vor allem der Verlust seines eigenen Traums, seiner Euphorie, ohne dass ihm dabei wirklich klar wird, dass dieser Verlust vor allem auch durch den bis in die letzte familiäre Pore eingedrungenen kapitalistischen Grundgedankens des »mehr ist besser« erzeugt wird.
White belässt es jedoch nicht bei dieser an sich banalen Bestandsaufnahme, sondern schickt Brad auf eine Reise filigraner Erkenntnisgewinne, die vor allem durch überzeugende Dialoge zwischen Vater und Sohn, entwaffnende Gespräche zwischen Brad und Freunden seines Sohnes und demaskierende Aussprachen zwischen Brad und seinen alten Freunden entstehen.
Im Zweifel glücklich gelingt es dabei jedoch nicht allein eine der vielen Geschichten privaten Scheiterns in unserer westlichen Gesellschaft zu erzählen, sondern im Grunde das Scheitern dieser Gesellschaft an sich in den Raum zu stellen; ein Scheitern, dem sich nicht einmal die scheinbar Erfolgreichen entziehen können, ein Scheitern, das inzwischen tatsächlich auf allen Ebenen und in jeder Beziehungskonstellation zum Tragen kommt. Diese mit vorsichtigem, neugierigem, dann und wann komischen, aber immer wieder gnadenlosem Blick sezierten Zustände machen Im Zweifel glücklich zu einem der traurigsten, schönsten und klügsten Filme über Freundschaft, Liebe und Familie der letzten Zeit.