USA/Chile/F 2016 · 100 min. · FSK: ab 12 Regie: Pablo Larraín Drehbuch: Noah Oppenheim Kamera: Stéphane Fontaine Darsteller: Natalie Portman, Peter Sarsgaard, Greta Gerwig, Billy Crudup, John Hurt u.a. |
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Herstory statt History. |
»Any advice for me?« – »Yes. Dont marry the president.«
Jacqueline Kennedy als Witwe in Jackie»Jack was not perfect, but he was perfect for the United States. Perfect people can’t change. But Jack was always getting better, stronger.«
Jacqueline Kennedy in Jackie
»In Jahrzehnten wird man sich an Sie erinnern. Sie sind wie eine Mutter für das ganze Land gewesen.« – also sprach Robert Kennedy, US-Justizminister und Bruder des ermorden US-Präsidenten John F. Kennedy im November 1963, zumindest wenn man diesem Film glaubt: Er sagt das in diesem Film zu Jackie, Jacqueline Kennedy, der Präsidentenwitwe. Um sie geht es in »Jackie«, dem neuen Film des Chilenen Pablo Larrain (No!), der von Regisseur Darren Aronofsky produziert wurde, und in Thema, Sprache, Finanzierung ein komplett amerikanischer ist: Ein Hollywood-Melo mit allem, was die US-Traumfabrik an Aufwand bereitstellen kann: Allein 19 Friseure, 19 »dritte Regieassistenten« und fünf »B-Kamera-Assistenten« führt der Abspann auf.
Getragen von einer beeindruckenden Nathalie Portman in der Titelrolle erzählt der Film detailverliebt in
Dokumentarszenen, inszenierten Dokumentarszenen, in Vorblenden und Rückblenden von den Tagen, die zwischen John F. Kennedys Ermordung am 22. November und seiner Trauerfeier am 25. November ‘63 lagen.
Im Zentrum steht die Frage, wer über diese Trauerfeier und ihre Ausgestaltung entschied, die in vielen Details die Beerdigung Abraham Lincolns zum Vorbild nahm, über die Beisetzung und die entsprechende politische Symbolik. Es geht also um die Macht der Bilder und um die Herrschaft über sie. Der Film zeigt eine Jackie Kennedy, die vom Geschehen schwer getroffen ist und trotzdem kühl bereits wenige Stunden nach dem Tod ihres Mannes damit beginnt, am Bild-Gedächtnis und Mythos von
dessen Präsidentschaft zu arbeiten – wider alle Gegenkräfte.
Es geht aber natürlich auch um das Phänomen Jacqueline Kennedy, die später als »Jackie O.«, die Ehefrau vom griechischen Reeder-Playboy-Milliardär Aristoteles Onassis und Übermutter des Kennedy-Clans berühmt blieb – eine glanzvolle ungekrönte Königin Amerikas.
Die Stärke des Films liegt darin, dass er Empathie fpür diese Frau schafft. Wer dies erlebt hat, was sie erlebt hat... Da würden andere wahnsinnig
werden.
»There are two kinds of women: partner in the world and partner in bed.«
Jacqueline Kennedy in »Jackie«
Dem Bekannten fügt Larrain vor allem einen Aspekt hinzu: Jackie wird als überaus medienbewusste Person gezeichnet – angefangen mit der Entscheidung, das blutbefleckte Kleid vom Mordtag die nächsten Stunden über nicht abzulegen. Vor dem ins-Bett-gehen sieht man sie dann duschen: Vom Haar ab läuft dann das Blut ihres Mannes an ihr herunter. Müssen wir uns das so vorstellen?
Es geht weiter mit ihrem Umgang mit den Medien. »Are you aware, that I will be editing this
conversation?« Für die »Jackie« dieses Films ist die Frage: »How do you want him to be remembered?« Aber ist sie sehr medienbewusst, oder er sehr naiv, wenn sie sagt: »Now we have television, people can see for themselves.«
Ob ihr Bild in diesem Film der historischen Wahrheit entspricht, und Jackies Rolle gerecht wird – wer weiß? Eine gute Kinogeschichte ist es allemal – auch wenn Larrains aufwendig gemachter Film gerade in seiner ununterscheidbaren Mischung realer und perfekt nachgeahmter Bilder nicht weniger manipulativ ist, als er es den US-Mächtigen unterstellt. Präsentiert wird hier nun ausschließlich Herstory statt History.
Dieses Übermalen und Überschreiben von Geschichte mit künstlichen Bildern ist aber auch für sich genommen problematisch. Denn wer die Geschichte kennt, und die Bilder dazu, ist vor allem gelangweilt. Wer sie aber nicht kennt, ist getäuscht. Mit zum Teil sehr grobkörnigem Material wird ein theoretisch authentischer Look hergestellt. Jackies berühmte Fernsehsendung »A tour of the white house« wurde hier mit Portmann komplett nachgedreht, beziehungsweise wurden Portman-Bilder in das historische Material cgi-mäßig hineingeschmiert – das ist doof und unnötig. Und ein Paradebeispiel dafür, wie sich künstliche Bilder vor die Geschichte legen. Erinnern wir uns, wie sich Adolf Hitler mit Bruno Ganz vermorpht hat, wie man auch Bruno Ganz in die Geschichte Hitlers hineingeschrieben hat.
»We aren’t most people. Most people don’t have to take decisions like those we have to take. Most people do not see their husband and father been shot.«
Jacqueline Kennedy in »Jackie«
Zugleich ist diese Vermischung aus Fiktion und Fakten das Hauptthema des Films: Die Rolle des Mythologischen und Emotionalen in der Demokratie mit ihren trockenen Verfahren; das Verhältnis von Recht und Pragmatik zum Irrationalen, dem Charisma des Präsidenten, das mit seinem Tod wie bei mittelalterlichen Königen auf die Verwandtschaft übertragen wird. Schon zu Lebzeiten wob John F. Kennedy am Mythos vom amerikanischen »Camelot«, dem Hof des weisen König Artus – so wollte er gesehen werden, und seine Witwe sorgte dafür, dass diese Sicht auch nach dem Mord von Dallas bis heute fast ungebrochen Bestand hat.
Warum nicht mal ad hominem? Der Chilene Pablo Larrain ist der Sackerlpicker der Geschichtsschreibung. Er hat in seinen Filmen immer reaktionäre, revisionistische politische Agenden. Er möchte Gott sein, die Geschichte umschreiben. Aber alle, nein: viel zu viele gehen ihm auf den Leim. Und sein Produzent Darren Aronofsky hat, folgt man seinen Filmen, Probleme mit oder sagen wir freundlicher: Ein sonderbares Verhältnis zu Frauen.
Jackie ist keineswegs ein schlechter Film. Aber er ist auch alles andere, als super. Im Grunde ist der Film seicht, oberflächlich und wieder von Larrains üblichem Wunsch getrieben, Gott zu spielen, und in das Speichenrad der Geschichte zumindest rückwirkend einzugreifen.
Gegen Nathalie Portman ist eigentlich nur zu sagen, dass sie leider viel zu oft (meistens) mit den falschen Regisseuren zusammengearbeitet hat. Mit Leuten eben, die ein Problem
mit Frauen haben.
Man würde diesen Film übrigens noch einmal ganz anders betrachten, wäre vergangene Woche die erste Frau als Präsidentin ins Weiße Haus eingezogen. Dann würde man in Jackie eine ferne Vorläuferin Hillary Clintons gesehen haben, eine erste Frau, die machtvoll und klug mit der präsidentiellen Symbolik umzugehen wusste, die zwischen den Fallstricken des Apparats eine geschickte Strippenzieherin und Manipulatorin war. So aber fallen andere Ähnlichkeiten ins Auge: Beides waren seltene und daher einsame, erkennbar sich verhärtende Frauen in einer Männer-Gesellschaft, die dort letztendlich Opfer der geballten Männer-Macht geworden sind. Jenseits dessen erzeugt Jackie allerdings auch die wehmütige Erinnerung an eine Zeit, in der die US-Präsidentschaft noch den Glanz einer zivilen Monarchie hatte und die USA noch als Vorbild und Ideal demokratischer Verhältnisse taugen konnten.