Japan 1998 · 102 min. · FSK: ab 16 Regie: Hiroyuki Okiura Drehbuch: Mamoru Oshii Musik: Hajime Mizoguchi Kamera: Hisao Shirai |
Comics und Animationsfilme, dies hat sich herumgesprochen, genießen in der japanischen Kultur ein weitaus höheres Ansehen als bei uns. Trotz Disney oder »Tin Tin« gilt Zeichentrick jeder Art hierzulande immer noch als Kinderkram.
Ganz anders in Japan. Alle paar Jahre, zuletzt aber glücklicherweise immer häufiger kommen japanische »Anime« hierzulande außerhalb von Festivalaufführungen auch in den regulären Verleih – etwa das gradiose Ökoepos Prinzessin Mononoke oder der poppige Psycho-Thriller Perfect Blue. Vor allem die Kölner Firma Rapid Eye Movies hat sich bereits in wenigen Jahren große Verdienste durch die liebe- und mühevolle Vermittlung dieser Filme erworben.
Jetzt ist mit Jin-Roh eine weiteres künstlerisch aufsehenerregendes Anime-Werk aus Japan zu sehen. Jin-Roh – bereits 1998 fertiggestellt und 1999 auf der Berlinale gelaufen – schildert die düstere Vision einer totalitären, technisch fortgeschrittenen Welt, angereichert mit Märchenelementen, die offen – ausgerechnet – das Grimmsche »Rotkäppchen« zitieren. Nur, dass der böse Wolf hier keinen mehr fressen
muss, sich vielmehr längst selbst in die Menschen hineingefressen hat.
Der Titel bedeutet »Wolfsmänner«, in diesem Fall auch die Wolfsbrigade, eine Gruppe von Elitesoldaten, die die Herrschaftsstrukturen in einem faschistisch regierten Japan aufrechterhalten. Jin-Roh ist nämlich unter anderem ein Stück politischer Science-Fiction. Das japanische Kaiserreich hat, so das Gedankenexperiment des Films, den Krieg gegen die USA gewonnen. Bekämpft wird
es nun von innen, durch eine Widerstandsgruppe, die sich in die Kanalisation zurückzieht. Eine von ihnen lernt – ausgerechnet im Völkerkundemuseum – ein Mitglied der Elitetruppe kennen – Terrorreflexion mit umgekehrten Vorzeichen. Zusätzlich kommt es noch zu einer Verschwörung innerhalb der Polizei. Zwei Logiken werden miteinander konfrontiert, die menschliche und die wölfische, und so geht es ums Grundsätzliche: Was macht den Menschen menschlich?
Doch die Geschichte ist nur das eine, dazu kommt die Poesie betörender Bilder: Gerade durch höchsten Realismus beschwört Jin-Roh neben der dunkle Aura, das bedrohlich-lebendige der Großstadt, die wie etwa auch in Metropolis zum eigenen Organismus wird, akzeptiert der Zuschauer das Märchenhafte der Geschichte, ohne das diese ihren Zauber verliert.