USA 2008 · 100 min. · FSK: ab 16 Regie: Jon Avnet Drehbuch: Russel Gewirtz Kamera: Denis Lenoir Darsteller: Robert de Niro, Al Pacino, Curtis Jackson, Carla Gugino u.a. |
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Zwei alte Hasen in New York |
Man sollte vielleicht gleich zu Anfang verraten, dass Al Pacino diesmal der Mörder ist. Beim letzten Mal, dem zweiten überhaupt, als Pacino und De Niro zusammen in einem Film zu sehen waren, in Michael Manns Heat (1995), war es De Niro. Aber auch sonst ist vieles anders in Righteous Kill, der in Deutschland Kurzer Prozess heißt, als in Manns schnell zum modernen Klassiker gewordener Ballade über alte Gewalt-Handwerker, die über ihre Arbeit sich selbst verlieren. Und jeder halbwegs routinierte Krimigänger wird in Jon Avnets Film sowieso schnell wissen, woran er ist. Der Plot ist so konventionell, die Handlung derart vorhersehbar, dass sie allenfalls von dem ablenken, was an diesem Film wirklich interessant ist: Dies sind natürlich die beiden Hauptdarsteller.
Zwar wird ihr Haar grau, die Frisur nachlässig, die Falten tiefer und das Lächeln müder – und auch sonst hinterlässt das Alter an Robert De Niro und Al Pacino inzwischen sichtbare Spuren. Aber wer mit 30 schon lässig war, dem kann mit 65 all das egal sein. Und in ihrem Blick brennt immer noch Feuer. Beide Weltstars zusammen agieren zu sehen, ist schon ein echtes Vergnügen, wenn auch eines, das eigentlich gar nicht zum Restlichen von Righteous Kill passt, der zumindest seiner eigenen Absicht nach ein harter Selbstjustiz-Thriller ist. Eher fühlt man sich mehr als einmal an eine Alten-Komödie erinnert, an Walter Matthau und Jack Lemmon vor allem, die in ihren letzten Jahren als »odd couple«, als »seltsames Paar« Oscar und Felix in einigen Filmen und auf der Theaterbühne auftraten: Zwei gegensätzliche Typen, die sich aber gut ergänzen. Tatsächlich haben De Niro und Pacino ja nicht nur die Herkunft aus dem italoamerikanischen Milieu von New York gemeinsam, sondern auch dass sie die Stars der gleichen Generation, der Regisseure und des Publikums von »New Hollywood«, dem US-Autorenfilm nach dem Zusammenbruch des klassischen Studiosystems geworden sind: Francis Ford Coppola und Brian De Palma waren für beide wichtige Regisseure, wobei Pacino künstlerisch wohl noch etwas mehr gewagt und die schwierigeren, herausfordernden Rollen gespielt hat. Er ist auch immer wieder auf der Bühne aufgetreten.
Über weite Strecken ist dies dann so wie beim Ansehen der »Golden Girls« im Fernsehen: Eine gewisse sarkastische Lässigkeit bestimmt den Ton, die Abgeklärtheit von Männern, die schon alles hinter sich haben. Von der Verzweiflung und Depression, die es ja haben kann, wenn man in einem gewissen Alter Dinge gar nicht mehr tun und sich mit anderen nur noch lächerlich machen kann, ist hier noch nichts zu spüren. Davor schützt auch die schmeichelhafte Eigenheit des Mediums Kino: Kein Schnaufen nach der Verfolgungsjagd, das nicht dramaturgisch gewollt ist, kein vor Anstrengung oder Bluthochdruck rot angelaufenes Gesicht, das nicht die Maskenbildnerin freundlich kaschieren könnte. Oldies but Goldies – das prägt den Gesamteindruck. Das melancholische Gefühl der Vergänglichkeit ergibt sich trotzdem ein ums andere Mal, denn man kann Pacino und De Niro nicht sehen, ohne ihre früheren Rollen im Kopf zu haben, und die alte Aura will sich hier einfach partout nicht einstellen.
Da hilft es auch nichts, dass Righteous Kill eigentlich sogar der allererste Film ist, in dem die Weltstars zusammen zu sehen sind. Denn die eine gemeinsame Szene in Heat, in der Pacino den Jäger spielt und De Niro den Gejagten, in der sie sich nach zwei Stunden lauerndem Zweikampf endlich einmal persönlich begegnen und taxieren vor dem großen Showdown, diese Szene wurde nur sehr geschickt so zusammengeschnitten, dass man glauben muss, beide sähen sich in die Augen und sprächen miteinander. Tatsächlich hatten sich die beiden damals am Set nie gesehen – »Stand-ins«, Statisten mit gleichem Körperbau, Maske und Kostüm fungierten von hinten aufgenommen in den jeweiligen Szenen als Gegenüber. Und im zweiten Teil von Coppolas The Godfather hatten sie 1974 gar keinen gemeinsamen Leinwandauftritt.
Nach zwei solchen Klassikern ist Jon Avnets Righteous Kill einfach eine große Enttäuschung, und eine wohl leider letzte, verschenkte Chance. Denn dieser Film ist das beste Dokument dafür, wie sehr Pacino und De Niro auch im Hollywood der Gegenwart schon als abgehalftert gelten, als Männer von Gestern, die für das jüngere Publikum, für das Filme heute designed werden, nicht mehr zugkräftig genug sind. Zum Beispiel die »Kinowelt«, der deutsche Verleih des Films:
Sie hält Righteous Kill offenbar selbst für so wenig gelungen, dass man ihn vor den deutschen Kritikern im Vorfeld am liebsten verstecken wollte – nachdem es in den USA sehr negative Pressebesprechungen gehagelt hatte, gab es keine offiziellen Pressevorführungen, nach dem Motto: Am besten man schreibt gar nichts. Wer sich das Schreiben nicht verbieten lassen und sich selbst ein Urteil bilden wollte, musste schon die Chance haben, den Film in einem der
Länder zu sehen, in denen er bereits läuft. Ansonsten muss das Publikum eben die vernichtenden US-Kritiken im Internet nachlesen.
Tatsächlich ist das Ergebnis ziemlich ernüchternd: Nicht weil Righteous Kill jetzt unglaublich schlecht wäre, sondern weil er absolut durchschnittlich und konventionell ist, und plötzlich auch Pacino (geboren 1940) und De Niro (geboren 1943) so alt aussehen lässt, wie sie es biologisch sind. Beide spielen zwei Detektive der New
Yorker Polizei, die das Rentenalter im Gegensatz zu ihren Darstellern noch vor sich haben. Immer wieder müssen sie erleben, wie überführte Täter durch Verfahrenstricks, Fehler des Gerichts oder schlichte Korruption nicht verurteilt werden. Nun macht ein Serienkiller die Runde, der zur Abwechslung einmal keine Unschuldigen, sondern genau »die Richtigen« killt. Offenbar nimmt ein Polizist das Gesetz selbst in die Hand… Wie gesagt: Der Film lohnt nicht wegen seines Plots.
Aber trotz allem sind De Niro und Pacino glücklicherweise immer noch gut genug, um selbst eine so uninteressante Handlung und einen so mäßig begabten Regisseur wie Avnet halbwegs unbeschadet zu überstehen. Die Säulenheiligen New Hollywoods setzen zwar allmählich Staub an, und sollten Filme wie diesen besser lassen – für einen Abgesang ist es aber in einem Hollywood, das im Zeichen kriselnder Blockbuster gerade die Zuschauerschichten »50 plus« wiederentdeckt, viel zu früh.