Großbritannien 2011 · 108 min. · FSK: ab 6 Regie: Lasse Hallström Drehbuch: Simon Beaufoy Kamera: Terry Stacey Darsteller: Ewan McGregor, Emily Blunt, Amr Waked, Kristin Scott Thomas, Tom Mison u.a. |
||
Hier beißt der Humor an |
Der Angelsport gilt nicht gerade als besonders angesagt. Stundenlang an einem Ort verharren, derweil auf ein möglicherweise nie eintretendes Ereignis warten und dabei auch noch Stille zelebrieren, wirkt in Zeiten von Kommunikationssucht und grellem Entertainmentwahn ausgesprochen rückwärtsgewandt. Aber vielleicht ist das alles nur Tarnung. Vielleicht sind Angler in Wirklichkeit die letzten Revolutionäre in dieser gleichgeschalteten Welt.
Besonders kämpferisch wirkt Dr. Alfred Jones (Ewan McGregor), britischer Experte im Amt für Fischerei, freilich nicht, eher wie ein Angler-Klischee: reizend versponnen, charmant gehemmt, sympathisch ungelenk, doch komplett phantasielos. Entsprechend konsterniert reagiert er auf den Vorschlag einer gewissen Harriet Chetwode-Talbot (Emily Blunt), die ihn im Auftrag des Scheichs Muhammed ibn Zaidi bani Tihama (Amr Waked) als Wissenschaftler für einen heiklen Plan gewinnen will. Der Scheich, ein passionierter Fliegenfischer, will im Jemen nordeuropäische Lachse aus Schottland ansiedeln.
Was Dr. Jones nur ein fassungsloses Kopfschütteln abringt, läßt Patricia Maxwell (Kristin Scott Thomas), die ausgekochte Pressesprecherin des englischen Premierministers, aufhorchen. Ein arabischer Scheich, der einem britischen Hobby frönt, ist die beste Nachricht aus dem PR-technisch ansonsten unerquicklichen Nahen Osten. So wird aus dem privat-bizarren Fischprojekt plötzlich ein Staatsakt und Jones von höchster Stelle zum Einsatz an der 'jemenitischen Lachsfront' gezwungen.
Ebenso pointiert wie zwanglos läßt Drehbuchautor Simon Beaufoy vergnügliche Komödie in geistreiche Polit-/Mediensatire fließen, zarte Liebesgeschichte in sensibles Charakterdrama und kreiert so eine adäquat vielschichtige, indes leichtfüßige Adaption von Paul Tordays gleichnamigem Roman. Wunderbar, wie sich der britische Sonderling und der arabische Weltmann zusammentun, um ein eigentlich absurdes Vorhaben zu realisieren. Es mag sich wie die Allmachtsphantasie eines Superreichen anhören, ist es wohl in gewisser Hinsicht auch, offenbart allerdings bei näherer Betrachtung seine überaus einnehmenden Seiten. Denn für den Scheich ist Angeln kein elitärer Zeitvertreib, vielmehr eine nahezu spirituelle Handlung, die mit Glauben (an den möglichen Fangerfolg), Toleranz (anderen Anglern gegenüber, egal welcher Ethnie) und Gelassenheit (in Bezug auf sich und die Welt) zu tun hat.
Plötzlich wird Fischen, dieser scheinbar öde Sport, zu einer Art avantgardistischer Geste, zukunftsweisend und pazifistisch zugleich. Da können selbst Antihelden wie Dr. Jones zu Draufgängern avancieren und Attentäter mit einem gezielten Angelrutenschlag außer Gefecht setzen. Denn natürlich hat sich der Scheich mit seinem Hang zum westlichen Sportvergnügen Feinde im eigenen Land gemacht, auch wenn er das Lachsprojekt als Impuls für die jemenitische Agrarpolitik betrachtet. Aber Vordenker haben es bekanntlich niemals leicht.
Die Story lebt von ihrer ironischen Schräglage, läuft in den Politsequenzen zu trocken humoriger Höchstform auf. Staatskunst wird als abgekartetes Spiel zwischen desorientierten Volksvertretern und begnadeten PR-Strategen gezeigt, in dem letztere stets die Oberhand behalten – vor allem wenn sie derart genial bissig wie Kristin Scott Thomas auftreten. Allein wie sie ihr Familienleben generalstabsmäßig abwickelt, ist Regisseur Lasse Hallström eine gloriose Sequenz wert. Tatsächlich besitzt er, der in seinen Filmen (Gilbert Grape – Irgendwo in Idaho, Schiffsmeldungen) stets auf humanistische Grundtöne setzt, einen dezidierten Sinn für das Exzentrische.
Wenn er wie hier auch noch der Sentimentalität entsagt, offenbart sich zudem sein freundlich-klarer Blick auf die genuinen Bedingungen des Daseins. Derart langsam, wie sich das Geschehen entwickelt und von der ebenfalls ruhig-stimmungsvollen Kamera Terry Staceys begleitet wird, so zögernd finden auch in der Realität die wirklich wichtigen Veränderungen statt. Und die müssen nicht immer massenkompatibel sein, können durchaus auch den kapriziösen Träumen von Utopisten entspringen.
Möglicherweise ist selbst der schrullig-schüchterne Dr. Jones auf dem besten Weg dorthin. Jene Aufrichtigkeit, mit der ihn Ewan McGregor verkörpert, hat etwas so traumhaft Unspektakuläres, daß man ihm einfach alles zutrauen muß. Als Angler ohnehin. Die haben nämlich noch Visionen.