USA/NZ/J 2003 · 154 min. · FSK: ab 16 Regie: Edward Zwick Drehbuch: John Logan, Edward Zwick, Marshall Hreskovitz Kamera: John Toll Darsteller: Ken Watanabe, Tom Cruise, Billy Connolly, Tony Goldwyn u.a. |
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Attacke | ||
(Foto: Warner Bros.) |
»Es heißt, Japan sei durch das Schwert entstanden, erbaut durch ein paar tapfere Männer...« Der epische Ton des Erzählers macht gleich in den ersten Sekunden klar, dass hier an die archaischen Tugenden einer weit zurückliegenden, von einer Kriegerkaste dominierten Vergangenheit erinnert werden soll. The Last Samurai ist ein Film, der danach fragt, was einen Helden überhaupt zum Helden macht. Und die Antworten die er darauf gibt sind uneindeutiger, als man vermuten möchte. Daran allerdings, dass man Helden braucht – und auch dies ist bezeichnend für die Tendenzen des Gegenwartskinos – lässt der Film keinen Zweifel.
Bereits Edward Zwicks letzter Film The Siege von 1998, konfrontierte das US-Publikum sowohl mit einigen unangenehmen Seiten der eigenen Geschichte und Gegenwart, als auch mit einer, gemessen an den Üblichkeiten des Mainstream-Kinos, überraschend ambivalenten Form der Fremdheitserfahrung. Damals ging es um eine Attentatsserie in New York und deren Folgen, vor allem für die arabischstämmige US-Bevölkerung. In der Rückschau ist The Siege ein geradezu prophetischer Film, der die Ereignisse des 11.September 2001 und den daraufhin ausgerufenen »war against terror« einschließlich seiner bis heute akuten Gefahren für die Demokratien und ihr Selbstverständnis präzis vorwegnimmt. In Zwicks neuem Film, der wiederum bestätigt, dass dieser Regisseur zu den großen Unterschätzen im US-Gegenwartsfilm gehört, steht die Begegnung eines Amerikaners mit einer fremden Kultur und die daraus folgende Infragestellung der eigenen Traditionen noch stärker im Zentrum. The Last Samurai ist fraglos Hollywood-Action, die sich an das breite Publikum richtet, und seinem Star Tom Cruise eine großzügige Plattform bietet. Aber er ist zugleich ein Film, der sein Thema ernst nimmt, und im Rahmen seiner Möglichkeiten differenziert und variantenreich mit ihm umgeht – mehr als bloße Unterhaltung.
Angesiedelt ist die Geschichte 1876 zur Zeit der Meji-Reform. Cruise spielt Nathan Algren, einen US-Captain, der im Bürgerkrieg und in den Indianerkriegen kämpfte, und nun als traumatisierter Trinker Ausbilder der kaiserliche Armee in Japan ist. Diese befindet sich im Bürgerkrieg mit den Samurai, die die radikale Modernisierungspolitik des Kaisers bekämpfen, unter der alte Traditionen hemmungslos geopfert werden. Bald kommt es zum ersten Gefecht mit den Samurai, die zwar ohne Feuerwaffen kämpfen, der Armee aber durch Todesmut und Taktik haushoch überlegen sind. Algren selbst wird von dem Samurai-Führer Katsumoto gefangen genommen, und in die Berge verschleppt, wo dieser seinen »neuen Feind kennenlernen« will. Diese Gestalt des Katsumoto und die Darstellung der Samurai-Rebellion orientieren sich grob an tatsächlichen Geschehnissen der Jahre 1876/77. Damals kam es zum blutigsten Konflikt, den Japan in mehr als zwei Jahrhunderten erlebt hatte, als die vom Kaiser ihrer Privilegien beraubten Samurai unter Führung des legendären Saigõ Takamori, an den sich die Katsumoto-Figur anlehnt, in einer letzten Schlacht blutig untergingen.
Nach actionreichem Auftakt beschreibt der Film sensibel und ohne allzu viele Zugeständnisse an Hollywooddramaturgie die allmähliche Annährung des Amerikaners an seine Bewacher. Es ist ein umfassender Lernprozess, in dem Algren durch Zen-Philosophie, Kampftechnik, viel Tee und noch mehr Spaziergänge an frischer Luft wieder zu sich findet. Man kann es als kulturelle Eitelkeit empfinden, wenn aus dem westlichen Soldaten binnen eines Winters ein hervorragender Samurai-Krieger wird, der zudem leidlich Japanisch spricht und viele Werte des alten Japans verinnerlicht hat. Doch umgekehrt ist dies auch ein Film, der eine fremde Kultur als der westlichen zumindest ebenbürtig beschreibt. Algren lehrt nicht, sondern er lernt, und der Zuschauer mit ihm – Neugier auf und Achtung vor fremden, zunächst schwer verständlichen Kulturen. Man kann sogar aktuelle Parallelen ziehen: Gewiss sind die Samurai unmodern und »fundamentalistisch«. Zwick zeichnet ein idealisiertes, harmonisches Bild ihrer Kultur und des alten japanischen Landlebens, ein Auenland für Erwachsene. Die Schattenseiten des Samurai-Daseins bleiben weitgehend unsichtbar. Von der Verniedlichung reaktionärer Modernitätsfeindschaft abgesehen, gibt Zwick auch nur ein einseitiges Bild der Gründe der Rebellion. Man wird Zeuge der Demütigung, als einem Samurai öffentlich die Haare geschoren werden. Unerwähnt bleibt dagegen, dass es in diesem Konflikt nicht weniger um den schlichten Verlust eigener Macht ging, der Privilegien, mit denen die Samurai jahrhundertelang das Land dominiert hatten. Vielleicht wird hier auch das Kämpfen für eine verlorene Sache, eine inherente Todessehnsucht unangemessen verherrlicht.
Um so kritischer geht der Film mit den USA um. In Dialogen und den Alpträumen, die Algren vor allem anfangs plagen, erinnert Zwick an brutale Vernichtungskriege gegen die Indianer, an den Mord an Frauen und Kindern – zwar nur in verwaschenem Weichzeichner, aber trotzdem klar und scharf in der Aussage. Auch in der Inszenierung stand der Western Pate, die Samurai funktionieren in diesem Film wie dort die Indianer in Dances With Wolves. Und in den kaiserlichen Beratern und Offizieren, den wahren Barbaren, die ihre Ziele menschenverachtend verfolgen, ist bereits der Faschismus zu ahnen, der 50 Jahre später in Japan zur Macht kam. Schonungslos zeigt der Film auch den Zynismus der amerikanischen Waffenhändler, Militärs und korrupter Diplomaten, die die Japaner als »Wilde« verachten, und schonungslos eigene imperialistische Interessen verfolgen.
Stilistisch bietet der Film atemberaubendes, wunderbares Kino. In den besten Momenten verschmelzen Kurosawa-Bilder mit Old-School-Studiostil. Die Inszenierung der Kampfszenen ist technisch herausragend, bleibt aber auch in punkto Martial Arts immer westlich, darin ganz anders, als zuletzt etwa Kill Bill. Kameramann John Tolls (Braveheart) gelingen hochemotionale, bewegende Bilder, bezwingend im Hin und Her zwischen Ruhe und Dynamik. Gutes Kino eben.
Man kann über viele Aspekte dieser Geschichte streiten, die sowohl reaktionäre wie liberale Lesarten zulässt. Aber zweifellos begegnet Zwick dem Fremden der japanischen Kultur mit großer Offenheit und viel Sympathie. Damit wächst sein Film über sich selbst hinaus, und wird repräsentativ für einen allgemeinen Trend: Dem neuen Interesse Hollywoods an Fernost, der Hinwendung zum pazifischen Westen – ob im Stil von Kill Bill oder ganz anders in Lost in Translation. The Last Samurai geht einen dritten Weg – er ist schön, ernst, ambivalent und so klug, wie Mainstreamkino sein kann.