USA 2008 · 111 min. · FSK: ab 12 Regie: Neil LaBute Drehbuch: David Loughery, Howard Korder Kamera: Rogier Stoffers Darsteller: Samuel L. Jackson, Patrick Wilson, Kerry Washington, Ron Glass, Justin Chambers u.a. |
||
Spiel mit weißen und pro-schwarzen Vorurteilen |
Sein Körper wirkt immer noch muskulös und durchtrainiert, und hat etwas Lauerndes, wie der Leib einer Raubkatze; immer auf dem Sprung. Dieser Mann ist in all seiner Ruhe ganz wach und man ahnt, man sollte auf der Hut sein vor ihm, das spürt man besonders in den Rollen, in denen Samuel L. Jackson, was er auch immer wieder tut, sanfte Charaktere spielt. So mag man kaum glauben, dass Jackson tatsächlich gerade 60 Jahre alt geworden ist.
Jackson war immer schon ein Mann für das Schillernde, Doppelgesichtige. In Lakeview Terrace spielt er einen alternden Cop aus dem nicht ohne Grund berüchtigten L.A.P.D., dem »Los Angeles Police Departement«. Korruption, Gewalt und Rassismus sind die Vergehen, und immer wieder wurden sie auch zum Thema von Romanen und Filmen – beim düsteren Los-Angeles-Seelenbiographen James Ellroy etwa, der zur Werken wie L.A. Confidential, Dark Blue und zuletzt Black Dahlia die Vorlage lieferte.
Dieses Ellroy-Country ist, zumindest in seinen besseren Momenten auch das Terrain, in dem Neil LaButes neuer Film angesiedelt ist. Schon der Titel verweist auf eines der dunkelsten Kapitel der L.A.P.D.-Historie: Lake View Terrace ist der Name jenes Viertels in der Stadt der Engel, in der der Schwarze Rodney King 1991 von weißen Polizisten grundlos brutal zusammengeschlagen wurde – schwere Rassenunruhen waren die Folge. Das alles spielt unausgesprochen mit in diesem Film, der auf den ersten Blick ganz straight daher kommt, und coloriert sozusagen den Hintergrund dieses Thrillers über Gewalt und Rassismus.
Die von Jackson gespielte Figur im Zentrum heißt ausgerechnet Abel, was man nach dem Film nur ironisch verstehen kann. Abel ist verwitwet, und lebt mit seinem 12-jährigen Sohn und seiner Teenager-Tochter in einem hauptsächlich von Schwarzen bewohnten Viertel. Der alleinerziehende Vater führt zuhause ein ziemlich strenges, konservatives Regiment – es kommt zu den üblichen Erziehungskonflikten, aber darüberhinaus liegt von Anfang an etwas Ungesundes, Unangenehmes in Abels
Verhalten.
Eines Tages hat die Familie neue Nachbarn: Chris, der weiß ist und seine schwarze Frau Lisa. Schnell wird spürbar: Abel mag die neuen Nachbarn nicht. Zunächst könnte man denken, das läge hauptsächlich an dem Viertel und der rassischen Segregation, zu der ein mit gemischtrassiges Paar in prinzipiellem Widerspruch steht. Es dauert eine Weile, bis klar ist: Abel hat vor allem ein persönliches Problem. Und bald beginnt der Ordnungsfanatiker, seine Nachbarn regelrecht
zu terrorisieren, und der Konflikt eskaliert rasch...
Besonders zu Beginn ist es bewundernswert, wie LaBute, dieses Szenario entfaltet, das streckenweise wie von einem modernen Hitchcock anmutet. Nach seinem Debüt, der bitteren Yuppie-Abrechnung In The Company Of Men (1997) drehte er zunächst sarkastische TV-Satire Nurse Betty und dann das Remake des Horrorklassikers Wicker Man. Etwas von all dem – ein sezierender Blicks auf Soziale, Lust an Satire und Horror – fließen auch in diese erste Stunde seines neuen Films hinein.
Mehr und mehr entwickelt sich das feinsinnige, sensible Sozialdrama dann aber zu einem dramatischen, gewalttätigen und ziemlich grob gestrickten Thriller. »Irgendwo zwischen Paul Schrader und David Mamet« wie in der SZ stand? Die reine Wunschvorstellung. Schön wär’s. Bestechend bleibt hier aber bis zuletzt die Rolle von Abels Kindern: Hin und hergerissen zwischen Liebe und Loyalität für den Vater, mit Verständnis noch für seine Ausbrüche, schrecken sie doch vor seiner Strenge zurück, vor seinem nervtötenden unangemessen Auftreten, bis sein Verhalten völlig unakzeptabel wird. Besonders im Gesicht der jungen Regine Nehy, die hier als Tochter Celia einen wunderbaren Auftritt hat, kann man alle Facetten einer fundamentalen Irritation ablesen – und schon um dieses Auftritts willen muss man den Film mögen. Irgendwann ist dann klar, dass man es hier mit einem tief verletzten Mann zu tun hat, der durch ein Trauma zum frustrierten, selbstmitleidigen Menschenhasser mutierte.
Es relativiert keineswegs die antirassistische Agenda, von der sich der Regisseur offensichtlich leiten ließ, dass hier ein Schwarzer als Rassist gezeigt wird. Lange funktioniert Lakeview Terrace auch als ein subtiler Kommentar zum Rassismus im Alltag der USA, sowie zu den Exzessen einer oft überforderten Staatsgewalt, die hinter den Masken des Antiterrorkampfs der letzten Jahre noch zugenommen haben. Präzis wird der Konflikt auch zunehmend als Klassenkampf zwischen weißem Yuppie und schwarzem Spießbürger sichtbar. Irgendwann übernehmen allerdings die Hollywood-Klischees immer mehr die Oberhand. Recht platt wird Abels Verhalten begründet, und die Art der Spannungsmache wird auch zunehmend primitiver. So bleibt von einem Film, der sehr gut beginnt, am Ende neben unbedingt sehenswerten Darstellerleistungen, der etwas enttäuschende Eindruck, dass hier ein Film seine eigenen Chancen nicht wirklich genutzt hat.