USA 2021 · 105 min. Regie: Joel Coen Drehbuchvorlage: William Shakespeare Drehbuch: Joel Coen Kamera: Bruno Delbonnel Darsteller: Denzel Washington, Frances McDormand, Brendan Gleeson, Corey Hawkins, Ethan Hutchison u.a. |
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Lady McDormand | ||
(Foto: Apple TV+) |
In diesem Macbeth lauern Naturgewalten. »Whence is that knocking?«, fragt der Königsmörder nach seiner Bluttat. Das schlechte Gewissen meldet sich zu Wort, die Paranoia kündigt sich pochend an. Bei Joel Coen bleibt es nicht einfach bei einem »knocking«, es ist ein schauriges Poltern und Dröhnen. Dieser Film kracht, grummelt und rumort, als stünde der Weltuntergang bevor. Als wäre da etwas Finsteres, Elementares im Erdinnern erwacht, das nun zerstörerisch nach oben drängt. The Tragedy of Macbeth ist ein Werk, das mit einer ungeheuren Archaik über sein Publikum hinwegfegen will. Joel Coen gelingt mit seinem ersten Film ohne Bruder Ethan (Fargo, No Country for Old Men) ein dräuendes Bild- und Klang-Monstrum. In seiner Ausgestaltung steckt so viel Akribie und Strenge, dass der erzählerische Umgang mit dem altbekannten Stoff fast automatisch auf der Strecke bleiben muss.
Coens Dreistigkeit besteht darin, dass er trotz aller optischer Spielerei einen im Kern durch und durch klassischen Shakespeare inszeniert hat. Eng am Originaltext, keine grundlegenden Modernisierungen oder gar Verlagerungen in die Gegenwart. Mit Rüstungen, Burgen, alten Gewändern, mit Schwert und Dolch und Hexenzauber. Die Liste solcher Macbeth-Verfilmungen ist lang. Justin Kurzel hatte 2015 die Tragödie etwa sehr prominent mit Michael Fassbender und Marion Cotillard für heutige Sehgewohnheiten adaptiert. Mit höchstem Naturalismus, allerhand Dreck und Blut. Große Blockbuster-Imposanz, die gegen die Sperrigkeit der Dramen-Verse arbeiten musste. Joel Coen wählt einen ambitionierten Mittelweg. Seine Verfilmung sucht zwar ebenfalls das Raue, Große, Epische, ist dabei aber von einer bewussten, radikalen Künstlichkeit durchzogen.
Film und Theater, das lässt sich ohnehin kaum trennen. Das zeigt auch diese Adaption, wenngleich sie immer wieder feine Trennlinien erkundet und offenlegt. Das Kulissen- und Bühnenhafte, das ihren Schauplätzen und Staffagen innewohnt, verschmilzt mit dem Animierten und den alles durchbohrenden Kamerablicken. Der Wald von Dunsinane, der den Königsmörder Macbeth zu Fall bringt, bläst einem Bühnentrick gleich als Blättersturm durch das offene Fenster. Wenig später verwandelt sich der Thronsaal selbst in das Gehölz – im Film ist so etwas eindrucksvoll möglich. Einzelne Bilder werden wie in einer Diashow bestaunt und auf die Leinwand geworfen. Momentaufnahmen betteln darum, in ihrer anmutigen Morbidität stehenbleiben zu dürfen.
Ohnehin liegt diesem Film viel an seinen visuellen Reizen. The Tragedy of Macbeth entfaltet sich in nahezu quadratischen Schwarz-Weiß-Kacheln. In brutalistischen, unheimlichen Riesenbauten spielen sich Denzel Washington und Frances McDormand als Tyrannenpaar in den Wahnsinn. Zwei alternde Superstars als alternde Machthungrige, die in ihrem sinnlosen Dasein und Blutrausch nichts mehr zu verlieren haben, außer ihrem Verstand. Aus Angst, in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Vielleicht ein überspitzter Seitenhieb gegen das Hollywood-Business? Eigentlich ein netter Gedanke. Überhaupt, wer sind denn heute Macbeths Wiedergänger? Coens Noir-Schauerstück bleibt da vage. Es ist dem rein Archetypischen zugewandt.
Wie geschickt dabei die filmischen Räume inszeniert sind: Gigantische Treppen bilden den Burghof. Kahle Wände erscheinen als entleerte, verschlingende Gefängnisse. Triste Mauern als Leinwände für das Dunkel, das den Figuren anhaftet. Nichts wirkt hier noch echt oder heimisch. Licht- und Schattenwürfe geben gespenstische Formationen ab, die Bezüge zum Stummfilm-Expressionismus sind nicht von der Hand zu weisen. Auch dort ging es darum, innere Zustände zu verräumlichen. Verfolgt man nun die bisherige Rezeption, dann stößt man schnell auf ein Aufzählen von Namen, Titeln, Referenzen. Fritz Lang, Carl Theodor Dreyer, Ingmar Bergman, Orson Welles und andere wollen viele in diesem Macbeth erkannt haben. Das ist naheliegend! Joel Coen ist von diesen Vorbildern so offensichtlich inspiriert, dass The Tragedy of Macbeth prädestiniert dafür scheint, allein für seine Aufmachung als cinephiles Wunderwerk gefeiert zu werden. Es präsentiert sich zuvorderst als Bricolage.
Nach einem limitierten Kinostart – man will sich offenbar für die Oscars bewerben – landet der Film bei Apple TV+. Streaming-Plattformen schmücken sich inzwischen gern mit solchen Werken. Welche, die nicht nur mit prominenten Namen aufwarten, sondern möglichst auf den ersten Blick etwas Eigensinniges an sich haben. Sie eignen sich bestens, den eigenen Fließband-Charakter der Portfolios zu vertuschen. Coens inszenatorische Annäherung an die genannten Kino-Altmeister ist ja auch in der Tat faszinierend anzusehen und doch bleibt sie, wenn man ehrlich ist, ein allzu berechnender Schauwert. Sie betont so offensiv das Technische, ihr handwerkliches Geschick, bis man an dessen Sinn und Zweck zu zweifeln beginnt.
So eng sich der Regisseur an Shakespeares Worten orientiert, so kühl und teilnahmslos eilt sein Film durch die Vorlage. Hier und da wurden Szenen gerafft, der Barde von Avon wird damit konsumierbarer. Zugleich gibt es in dieser ohnehin recht kurzen Kinotragödie wenige Momente, in denen das Szenario atmen darf. Es scheint fast, als würde er voraussetzen, dass ohnehin das ganze Publikum mit Macbeth, seinen Figuren und Konflikten vertraut ist. Warum dann nicht gleich mehr Wagnisse eingehen mit all dem »Hurlyburly«? The Tragedy of Macbeth ist ein zeitloser, aber auch aus der Zeit gefallener Film. Das passt zu Coens Lust am Gespenstischen, Entrückten und Zwischenweltlichen, beschert seiner Stilübung jedoch kein allzu langes Leben und Grübeln.
Jenes Gespenstische bestimmt den gesamten Blick auf das Ausgangsmaterial. Macbeth als Psychothriller. Seine Geistererscheinungen und Gewaltakte mausern sich zum Gothic-Horrorfilm. Die Behausung der Macbeths verwandelt sich in ein schummriges Spukschloss, das irrlichternd aus dem Nebel aufragt. Nachts geistert die Lady, Frances McDormand, im hellen Nachthemd und mit aufgerissenen Augen durchs Gemäuer. Albtraumpotential birgt auch die Verwandlungskünstlerin Kathryn Hunter, die trotz ihrer wenigen Auftritte die eigentliche Hauptattraktion darstellt. Sie spielt neben einem alten Mann auch die drei Hexen, die Macbeths Aufstieg und Ende prophezeien. Mit grausig verrenkten Gliedmaßen und schnorrender Stimme kraxelt Hunter gleich zu Beginn über den Boden. Eine Schreckensgestalt, die Eindruck schindet.
Doch es sind eben nicht nur die Figuren, die von all den Gespenstern heimgesucht werden. Es handelt sich auch um einen heimgesuchten Film. The Tragedy of Macbeth ist ein Gruselkabinett geworden, in dem allerlei Untote aus der Kulturgeschichte vergangener Jahrhunderte wiederauferstehen und selbstreflexiv umherschlurfen. Coen beschwört sie mit rumpelndem Budenzauber. Der gedichtete Text selbst erscheint Joel Coen als geisterhaftes Gebilde, als ehrfurchtgebietendes Abstraktum, dem er eine adäquate, werktreue Ästhetik gegenüberstellt. Was er nicht so recht vermag, ist, damit noch einmal im Innersten zu erschüttern, interessante Perspektiven zu eröffnen. Sie beruhen auf bloßer Wiederholung. Zu groß ist der Respekt vor dem Perfekten. Man verlässt seinen Film wie nach einem Staatstheaterbesuch, bei dem alle im Foyer noch einen müde belanglosen Satz dahinmurmeln, um das Gesehene gleich wieder abzuschütteln. »Das war aber schön inszeniert.« Ein weiterer Kopf ist ab, das Blut weggewischt. Im Anschluss geht es an die Bar. Übrig bleibt ein audiovisuell beeindruckender Macbeth, zweifellos. Ein umwerfend gespielter noch dazu! Alles an diesem Film ist prächtige Zierde. Darüber wabern unendlich dichte Nebelschwaden