Deutschland 1999 · 98 min. · FSK: ab 12 Regie: Werner Herzog Drehbuch: Werner Herzog Kamera: Peter Zeitlinger Darsteller: Claudia Cardinale, Justo Gonzales, Werner Herzog, Klaus Kinski u.a. |
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Kinsky vs. Herzog |
Sadomasochismus braucht nicht immer Ketten und Peitschen. Besonders wenn er uneingestanden bleibt, wenn er nicht gleichgesinnt und selbstbestimmt in Ritual und Spiel ausgelebt wird. Wenn er seelischer Drang zum Quälen und Gequältwerden, zum Zerstören und zur Selbstauslöschung ist.
Mein liebster Feind ist das späte Dokument einer großen, kranken Liebe.
Klaus Kinski und Werner Herzog waren zwei Wahnsinnige, die sich gesucht und gefunden haben, die vielleicht das Schicksal schon immer füreinander bestimmt hatte.
Geisteskrankheit ist immer nur das, was eine Gesellschaft dazu erklärt – und Kinski und Herzog hatten unabhängig voneinander Wege gefunden, Persönlichkeiten produktiv zur Entfaltung zu bringen, die unter anderen Umständen mit großer Wahrscheinlichkeit als therapiebedürftig angesehen worden wären.
In
ihrer Zusammenarbeit (Soll man es Arbeit nennen? Nein, eher: Beziehung) als Regisseur und Darsteller taten für beide sich neue Möglichkeiten auf, den anderen zu benutzen als enabler und Verstärker der eigenen Obsessionen, des Gebtriebenseins. Sie müssen sich gegenseitig gehaßt haben für des anderen Ego, dessen Ansprüche, die ständige Gefahr, davon geschluckt zu werden. Und sie müssen das geduldet und sich letzlich dafür geliebt haben, daß genau dadurch aber immer wieder ein Raum
geschaffen wurde, in dem der eigene Wahn rücksichtsloser als je zuvor ausgelebt werden konnte.
Zusammen haben sie dem deutschen Kino dabei einige seiner faszinierendsten, intensivsten Filme geschenkt. Nicht notwendigerweise immer die gelungensten oder angenehmsten – aber nie gleichgültige oder harmlos-nette; immer welche, die Stellungnahme verlangen, immer welche, die Momente des Atemberaubens haben.
Es ist nicht gerade eine umwerfende Erkenntnis zu bemerken, daß Mein liebster Feind, Werner Herzogs (dokumentar-)filmische Aufarbeitung seiner Jahre mit Kinski, ebensoviel ein (meistenteils ungewolltes) Selbstportrait Herzogs darstellt, wie er ein Bild Kinskis zeichnet. Auch wenn Kinskis Tobsuchtsanfälle immer wieder auch einigen Unterhaltungswert haben (und zumindest manchmal muß er das gewußt haben, muß einfach die Rolle des wahnsinnigen Wut-Clowns gespielt haben, die man von ihm erwartete) – seine komischsten Momente hat dieser im Herzen so ernste und erschreckende Film dann, wenn Herzog sich bewußt oder unbewußt entblößt: Wenn er von seiner Geistesverfassung behauptet »Ich bin ja sozusagen geradezu klinisch gesund«, wenn er »seine« Indios als bevormundete Zeugen vor die Kamera zerrt und sie präsentiert wie Lieblings-Haustiere. Oder wenn er in einer Loriot-reifen Szene die Münchner Wohnung seiner Kindheit besucht, die nun einem reichen, älteren Ehepaar gehört, das verdutzt, leicht pikiert und um freundliche Fassade bemüht herumsteht, während Herzog im Erinnerungs-Rausch berichtet, wie er da zum erstenmal den tobenden Kinski erlebte (der zufällig auch dort wohnte) – und wie er mit Mutter und Geschwistern in dem hauste, was heute gerade mal das halbe Schlafzimmer darstellt. (Da wird einem schlagartig auch klar, woher Herzogs stets so bemüht hochdeutsche, korrekte Diktion herkommt: Er ist einer, der sein Leben damit verbrachte, mit großen Mühen der armseligen, ländlichen Herkunft zu entfliehen.)
Es wurde vielerort die Zärtlichkeit gelobt, die dieses Portrait auszeichne. Das ist nicht ganz falsch – sie ist immer wieder zu spüren, und manchmal, wie in den Bildern von Kinskis minutenlangem Spiel mit einem Schmetterling, wird sie ganz stark. Aber es ist eine Zärtlichkeit des Überlebenden. Es ist ein liebend-wehmütiger Blick auf das Objekt der (selbst)zerstörerischen Begierde, das endlich für immer unter Kontrolle gebracht ist. Das nicht mehr widersprechen, den
perversen Vertrag nicht mehr gefährden, nicht mehr die Oberhand gewinnen kann.
Die seitenlangen Beschimpfungen auf Herzog in Kinskis Autobiographie – er habe sie ihm lachend selbst diktiert, gemeinsam habe man nach Schimpfwörtern gesucht, sagt Herzog in seinem Film, wo er stets das letzte Wort hat. Es sei erlaubt, an dieser Geschichte zu zweifeln.
Daß diese Beziehung eines Tages mit dem Tod einer der Partner enden mußte – zumindest Herzog (der, hat man das Gefühl, ohne
seinen Kinski weniger lebensfähig war als Kinski ohne Herzog) hat es wohl stets so vor Augen gehabt; unzählige Male ist in Mein liebster Feind die Rede von Mordplänen beider Seiten. Kinski hat ihn betrogen: Er starb – aber ohne daß Herzog daran in irgendeiner Weise beteiligt gewesen wäre. Mit diesem Film holt sich Herzog symbolisch die Tötung Kinskis doch noch zurück. Es geht um die Schlußszene von Cobra Verde. Kinski/Cobra Verde
versucht panisch, ein Boot vom Strand in die Brandung zu ziehen, und verausgabt sich dabei tödlich. Herzog erzählt: Diese Szene sei Kinskis letztgültige darstellerische Apotheose gewesen. Kinski (der da – Verrat! – schon mehr an seinem eigenen Paganini-Projekt interessiert war) sei hier, für IHN, als Schauspieler verglüht, habe quasi den finalen Orgasmus erlebt, sei danach noch am Leben, aber nicht mehr lebendig gewesen. Zumindest den Tod des Schauspielers Kinski
will der Regisseur Herzog zu verantworten haben.
Ja, Mein liebster Feind ist eine Liebeserklärung. Aber er ist auch ein Mord.