USA 1998 · 109 min. · FSK: ab 16 Regie: Harold Becker Drehbuch: Ryne Douglas Pearson, Lawrence Konner, Mark Rosenthal Kamera: Michael Seresin Darsteller: Bruce Willis, Alec Baldwin, Miko Hughes, Chi McBride u.a. |
Action-Thriller beschäftigen sich angeblich mit unseren geheimsten Ängsten, die wir dann durch angucken derselben chocartig abbauen und bewältigen. Sagen klügere Leute als wir. Irgendwas kann an dieser These aber nicht stimmen. Für diese Erkenntnis muß man nur einmal jene drei Action-Filme ansehen, die heute in die Kinos kommen (Mercury Rising, Firestorm, Octalus). Denn allen gemeinsam ist, daß die Macher ihren eigenen Stories nicht mehr über den Weg trauen, und sie deswegen crossover-mäßig verdoppeln, verdreifachen, oder einfach nur aufplustern, bis sie bersten.
Mercury Rising (im Deutschen mit dem auch formal verräterischen Titel Das Mercury Puzzle) ist dafür ein gutes Beispiel. Ein rätselhaft schlechter Film, der zeigt, wie man es nicht machen darf, und den Zuschauer in erster Linie ratlos zurückläßt.
Das liegt zum einen an der bei den Haaren herbeigezogenen Story und an den derben Klischees, mit denen hier operiert wird. Bruce Willis spielt wieder einmal einen heldenklischeemäßigen
Sturkopf, der bei seinen Vorgesetzten aneckt und die Probleme des Lebens nach dem Motto »Erst schießen, dann fragen« regelt.
Außerdem ist er ungemein kinderlieb. So wundervoll sensibel, einfühlsam und vorausdenkend kümmert sich der Mann um einen behinderten Jungen, daß man wissen möchte, weshalb er als Schlagetot der Polizei und nicht als Kinderpädagoge des Jugendamts sein Brot verdient. Und warum hat der Mann keine eigenen Kinder ? Hier fehlte eigentlich nur noch eine
Rückblende, die schildert, wie die Willis-Kids bei einem fehlgeschlagenen Einsatz irgendeiner US-Special Force derbatzt worden sind.
Alles strotzt vor Handlungsfragmenten, die man schon hundertmal im Fernsehen gesehen hat, hinzu kommt noch deren zynischer, weil rein funktionaler Gebrauch: Wenn dann in der Mitte des Film noch eine Frau aufgetaucht wird, macht das für die Geschichte keinen Sinn. Herzlos erzählt ist es auch, der Regisseur interessiert sich für die Frau keinen Deut,
sie soll einfach nur kurz auftauchen, und es muß irgendwie erklärt werden, was sie in der Story zu suchen hat. Warum das geschieht ? Allein damit eindeutig klar ist, daß Willis auch in sexueller Hinsicht one of us ist.
Willis also ist der heroische Gesetzeshüter, gestreßt, dabei cool und irgendwie immer witzig. Alec Baldwin ist der Böse, er argumentiert mit Patriotismus und wie Clinton: »America is one big team«. Fielen solche Sätze in klügeren Filmen ließe sich hier die Frage anschließen, ob jemand metaphorisch die ideologische Schönfärberei wirtschaftlich-gesellschaftlicher Veränderungen schildern möchte. Aber das wäre weißgott zuviel Gedankenarbeit in Mercury Rising investiert. Die einzige Sorge die die Macher offenbar tatsächlich umtrieb, scheint die Frage gewesen zu sein: »Wie zeigen wir in all dem Verschwörungsunflat, daß das System doch noch funktioniert ?«. Zweifeln darf man als Zuschauer schon ein wenig, aber am Ende funktioniert’s natürlich.
Handelte es sich nun um das neueste Werk von David Lynch, dann würde manches noch einen Sinn bekommen. Man würde Mercury Rising als grandiose Satire und als surreale Dekonstruktion des Action-Films einordnen. (So schwachsinnig, wie das Ende gemacht ist, liegt die Vermutung nahe, das es sich um Absicht handeln muß). Dummerweise ist es aber ein Film von Harold Becker. Wo man sich bei Lynch hätte sicher sein dürfen, daß er sein Handwerk beherrscht, und Fehler, plumpe Dummheiten, Kitsch etc. nur eingebaut hat, um tiefere Bedeutung zu transportieren, und den Action-Film ad absurdum zu führen, muß man bei Becker befürchten, daß er all das nur gar zu ernst meint.
Und auch Bruce Willis' schlappe Performance tut nichts, um den Film zu retten. Weil Becker dies wohl selbst geahnt hat, kommt in der Story auch noch ein mitleiderregender 8jähriger Autist vor, der natürlich -wie schön ist es behindert zu sein- zugleich ein Genie und der McGuffin des Films ist. Und der tappelt dann autistisch durch die Straßen, Willis muß ihn wieder einfangen, und dabei auch noch vor bösen Patrioten schützen. Alles in allem ist das Puzzle eine saudumme Kreuzung aus Die Hard und Rainman, ohne Bomben und ohne Dustin Hoffmann, die man sich nur als surreale Groteske reinziehen kann, oder bekifft, mit 3 Bieren intus.